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Renault Scenic/Grand Scenic

Published in radical-mag.com

Die Hübschen

Gut, die Monospace tun in der Verkaufsrangliste keinen Stich mehr gegen die SUV. Was man nicht verstehen muss, weder als Kunde und schon gar nicht als Insider. Dass Renault im Gegensatz zum ewigen Konkurrenten Peugeot aber darauf beharrt, dieses Segment der Minivans, das entgegen aller Prognosen europaweit auch gar nicht so sehr schwächelt, weiterhin zu bearbeiten, hat sicher auch damit zu tun, dass der ehemalige Staatskonzern diese kompakten, cleveren Monospace vor 20 Jahren mit dem ersten Scenic quasi erfunden hat. Und damit, dass man in Paris weiss, dass die automobile Vernunft noch nicht ausgestorben ist. Und damit, dass man ja mit Captur/Kadjar bei den SUV ebenfalls bestens vertreten ist. Die vierte Generation des Renault Scenic, wagen wir trotzdem zu behaupten, wird ein solch grossartiger Erfolg werden wie schon die erste. Obwohl Renault selber davon nicht so ganz überzeugt ist.

Es ist doch ganz einfach: Design. Das Design ist und bleibt einer der wichtigsten Gründe, weshalb man sich ein bestimmtes Automobil anschaffen will. Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heisst es doch – und bei den beiden neuen Renault kann man davon ausgehen, dass sie unbedingt Gefallen finden werden. Gerade im Vergleich zum VW Touran, dem unangefochtenen Markt-Leader, der in seiner Langeweile nicht zu übertreffen ist, ist der Franzose so wohltuend anders, fröhlich, witzig, charmant – der Bierernst des Wolfsburgers findet beim Franzosen so erfrischend rein gar nicht statt. Der Scenic, gross oder klein, kommt in schönen Farben, er will auffallen, er tut es auch, und das nur positiv. Und was kann man sich von einem Gefährt, das in erster Linie Familien mit bis zu sieben Personen transportieren soll, schon Besseres wünschen?

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Was es auch noch zu schreiben gilt: der kleine Scenic ist wirklich süss, so rein optisch. Der Grand Scenic wirkt da schon etwas ernsthafter (und zu sehr wie ein Konkurrent des Espace?), soll er ja auch sein, das kleine Flitzerchen für die Stadt ist er mit einer Länge von 4,63 Metern ja dann auch nicht mehr (kleiner Scenic: 4,41 Meter). Und am grösseren Franzosen sehen halt auch die serienmässigen 20-Zöller nicht ganz so aufregend aus wie an seinem kleineren Bruder. Ja, die 20-Zöller sind serienmässig – und Renault verspricht, dass das nicht mit Mehrkosten verbunden sein wird, wenn man sie dann ersetzen muss.

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Was auch erstaunt: der Fahrkomfort leidet nicht unter den grossen Gummis. Gut, mit den Dimensionen 195/55 R20 bleibt da noch genug Kautschuk, um das Gröbste mal wegzufiltern. Und ganz allgemein ist das Fahrwerk eher auf die weichere Seite hin ausgelegt – was beim Grand Scenic dazu führt, dass er sich in flotter gefahrenen Kurven schon so etwas wie ein Boot anfühlt, schwankt. Doch am Schluss bleibt ein gutes Gefühl, die Sitze sind bequem und bieten doch feinen Seitenhalt, es ist wunderbar ruhig im Wagen (mit Ausnahme vielleicht des kleinsten Diesel) – man kann (und will) problemlos über Stunden im Renault verbleiben. Nein, die neue Innenarchitektur, die beim Scenic gleich ist bei Espace/Megane/Talisman (weil sie ja alle auf der gleichen Plattform fahren), ist keine Geschmackfrage, das ist etwas vom Besten, was es derzeit auf dem Markt gibt, übersichtlich, auch bedienerfreundlich, und optisch sehr ansprechend. Ausserdem machen die Franzosen von Modell zu Modell Fortschritte, die Kinderkrankeiten sind im Scenic ausgelitten. Schön, zum Beispiel: die hinteren Sitze lassen sich über den Bildschirm abklappen.  Gut, man könnte sich fragen, wann genau man das brauchen könnte, aber es muss ja auch nicht alles hinterfragt sein. Machen wir ja auch nicht bei all diesem Infotainment- und Assi-Systemen, die in den beiden Scenic zu haben sind; ja, da gibt es auch alles, was anscheinend «state of the art» sein muss, von der Müdigkeitserkennung bis zum Selbstbremser. Deshalb haben die beiden Renault auch schon die fünf Sterne bei NCAP einkassiert.

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Was aber bei diesen Minivans wohl fast noch mehr zählt: Modularität und Flexibilität und Volumen. Schon der kleine Scenic überzeugt mit mindestens 506 und maximal 1554 Liter Kofferraumvolumen; der Grand Scenic kommt als 7-Sitzer auf mindestens 533 sowie maximal 1737 Liter, als 5-Sitzer auf 718 bzw. 1901 Liter. Das ist alles – sehr reichlich. Und zudem hervorragend nutzbar, tiefe Ladekante, glatte Ladefläche. Selbstverständlich lässt sich die hintere Sitzbank verschieben, wobei wir uns dann allerdings fragen, wo man noch sitzen will, wenn dieses Gestühl ganz vorne ist, denn übermässig Raum ist auf der zweiten Reihe nicht (in der dritten ja eh nicht). Doch da kann man den Franzosen keinen Vorwurf machen, besser ist das bei der Konkurrenz auch nicht. Dafür können die Scenic mit einer wilden Flut an Ablagemöglichkeiten glänzen, es gibt Dutzende von Orten, wo die lieben Kinderlein ihre alten Brote und angebissenen Äpfel und die Schokoladenpapierchen verstecken können. Grossartig ist das Handschuhfach, das mehr eine Truhe ist; dort lässt sich auch ein mittelgrosser Hund verstecken.

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Bleiben noch die Antriebe. Da ist alles wie gehabt, zwei Benziner mit 110 und 130 PS, diverse Selbstzünder mit zwischen 95 (für die Schweiz: ab 110) und 160 Pferden. Fahren durften wir den kleinen Scenic mit dem stärkeren Benziner, handgeschaltet über 6 Gänge, und den stärksten Diesel mit 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe im Grand Scenic. Der Selbstzünder ist das deutlich harmonischere Aggregat, macht das Vorwärtskommen mühelos und erquicklich, während der Benziner schon arg getreten werden muss, damit die Fuhre in Schwung bleibt. Es sei deshalb auch in der Schweiz nicht abgeraten vom 130-Pferder, aber man muss schon ein bisschen Freude haben an häufigen Schaltvorgängen.

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Aber dann gibt es noch eine neue Maschine bei Renault, die im Scenic zum ersten Mal zum Einsatz kommt. Es hört auf die Bezeichnung «Hybrid Assist», nutzt die neue 48-Volt-Technologie und ist eine vernünftige Lösung, die mit einem Zusatzgewicht von nur 49 Kilo sowie einem Aufpreis von 1000 Euro (wahrscheinlich etwa 1200 Franken) überzeugen kann. Genutzt wird Rekuperationsenergie, was den Verbrauch des 110-PS-Diesels von 3,9 auf noch 3,5 Liter/100 Kilometer senken soll. Einverstanden, das rechnet sich dann erst nach mindestens 100’000 Kilometern, doch der «Hybrid Assist» verschafft dem Piloten ein gutes Gefühl, weil ja die Bremsenergie sinnreich eingesetzt werden kann – und weil man den «Boost» tatsächlich bestens spüren kann, wie auf einer kurzen Probefahrt zu erleben war.

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War noch was? Ach ja, die Preise. In der Schweiz beginnt die Preisskala für den kleinen Benziner im kleinen Scenic bei 23’400 Franken. Als Grand sind 800 Franken mehr fällig, will man die sieben Sitze, kommen noch einmal 900 Franken dazu. Für den stärksten Diesel, den es nur in Verbindung mit der Top-Ausstattung «Bose» gibt, werden dann mindestens 35’300 Franken aufgerufen. Was das im Vergleich zur Konkurrenz bedeutet, ist bei der derzeitigen Marktsituation, in der sich die Hersteller mit Rabatten ja kaum mehr zurückhalten wollen, schwierig zu beurteilen. Doch es gibt ja mehr als genügend andere gute Argumente, die für die beiden Renault sprechen.

Mehr Renault haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Renault Scenic/Grand Scenic erschien zuerst auf radicalmag.