Ford Fiesta ST200
Muntermacher
Einmal mehr ist so: das Gewicht. Auf dem Papier wiegt der Ford Fiesta ST200 1163 Kilo. Gut, er hat 50 Pferdchen weniger als der Focus ST, aber dafür ist er fast 300 Kilo leichter. Von 0 auf 100 km/h verliert er nur gerade 0,2 Sekündchen auf seinen grösseren Bruder, 6,7 statt 6,5 Sekunden gibt das Werk an, das ist ja dann nur rein akademisch. Gegen oben ist der Unterschied etwas grösser, beim Fiesta ist schon bei 230 km/h Schluss, der Focus schafft die 250 km/h nur ganz knapp nicht. Doch man weiss: Papier ist geduldig. Und wir behaupten: auf der kurvigen Gasse fährt der Kleine dem Grossen vorneweg.
Da ist er wirklich ein kleiner Freudenspender, der Fiesta ST200. Der mit Overboost ja nicht bloss 200, sondern sogar 215 PS hat. Und nicht nur 290 Nm maximales Drehmoment, sondern sogar fette 320 Nm. Nein, im Fahrbetrieb merkt das jetzt nicht, man merkt aber: es gibt reichlich. Hat man das definitiv vorhandene Turbo-Tal dann einmal verlassen, dann haut der 1,6 Liter mächtig auf den Putz, dreht fröhlich und fröhlich bis an den Begrenzer bei 6000/min. Dann wäre man zwar froh, wenn das manuelle 6-Gang-Getriebe etwas knackiger wäre, die Schaltwege etwas kürzer, doch das trübt die Fahrfreude nicht wirklich, denn man kann getrost auch etwas früer schalten, überlegter, dann ist man alleweil noch flott genug unterwegs.
Die aktuelle Generation des Fiesta ist ja nun schon etwas länger auf dem Markt, acht Jahre, um genau zu sein. 2012 gab es ein grosses Facelift, doch es wäre vermessen zu behaupten, dass der kleine Ford noch taufrisch ist. Es heisst, dass im nächsten Jahr der Nachfolger kommt; es heisst auch, dass vielleicht sogar noch ein Fiesta RS kommt, mit den 250 PS aus dem Focus ST. Aber wir haben ja jetzt, was wir haben, und da muss man leider mitteilen, dass der Ford gerade innen nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Die Mittelkonsole bietet einen Wust an Knöpfchen, wie wir ihn eigentlich nicht mehr sehen wollten in einem aktuellen Modell. Andererseits wundern wir uns auch ein bisschen, wie schnell doch die Zeit vergeht, wie extrem sich die Bedienungssysteme in den vergangenen zwei, drei Jahren verändert haben. Wie auch immer: in Sachen Ergonomie kann sich der ST200 die Maximalpunktzahl nicht abholen.
Gleiches müssen wir leider auch über die Sitzposition berichten: sie ist zu hoch. Das Recaro-Gestühl per se ist hervorragend, ausgezeichneter Seitenhalt bei gutem Komfort, aber man thront halt mehr als dass man sich hineinwirft. Andererseits: man hat dafür eine gute Übersicht. Und es ist grossartig, wie man den kompakten Fiesta wirklich ganz nah an den Scheitelpunkt werfen kann, die Lenkung ist von edler Präzision, man sieht alles, und das schafft ja dann auch das Vertrauen, wenn man ein wenig übertreiben will. Dass Ford in Sachen Fahrwerk in die höchste Liga gehört, das wissen wir schon lange; beim ST200 machen sie mal wieder alles richtig. Naja, wenn man gerade ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt erhalten hat, dann wird man wohl beklagen können, dass das alles etwas straff ist. Doch so einen schnelken Fietsa kauft man ja auch nicht, um eine volle Kanne Milch zur Käserei zu fahren.
Und so fuhren wir zuerst auf einen Berg und dann auch noch auf zwei andere, herrlich lässt es sich räubern im Ford. Auch seine Stimmlage ist ganz anständig für einen kleinen Turbo, er knurrt schön. Und bremst bestens, was dann wieder seinem erfreulich geringen Gewicht zuzuschreiben ist. Er wird aber dann hinten schon eher leicht, wenn man zu heftig auf den Eisen ist. Wobei: wir sind ja glücklich mit Automobilen, bei denen man noch selber etwas machen darf, die nicht elektronisch gegen die Regeln der Physik ankämpfen, sondern dem Fahrer die Wahl lassen, ob da noch ein bisschen was geht. Oder eben halt nicht.
Auf den Verbrauch haben wir nicht gross geachtet bei dieser Versuchsanordnung, denn wir hatten nur zwei Tage das Vergnügen; die Vorgabe von 6,1 Litern hätten wir wohl kaum geschafft. Berichten können wir aber etwas zum Preis von ab 29’900 Franken, der erscheint uns recht fair. Zwar kostet ein Polo GTI deutlich weniger, doch er kann halt auch: deutlich weniger. Zumal der Ford ja schon gut ausgestattet anrollt. Und auch hübsch anzusehen ist.
Mehr Ford haben wir in unserem Archiv.
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