Opel Astra Sports Tourer
Bitte lächeln
Wahrscheinlich fährt Opel gerade aus dem Tal der Tränen. Zwar bauen die Rüsselsheimer ja seit dem Insignia (2008) durchwegs anständige Automobile, doch das Publikum blieb lange skeptisch. Der neue Astra, der gerade zum «Car of the Year 2016» gewählt und von mehr als 130’000 Kunden bestellt worden ist, scheint nun aber die richtige Abzweigung erwischt zu haben: jene auf die Strasse des Erfolges. Sicher schadet ihm dabei das weiterhin düstere Süppchen nicht, das der Volkswagen-Konzern immer noch köchelt, aber man darf dem Astra ganz allgemein sowie auch im Speziellen Qualitäten zubilligen, für die Opel in den vergangenen Jahren nicht immer bekannt war.
Man darf auch davon ausgehen, dass der Astra als Kombi, genannt Sports Tourer, einem weiteren Erfolg nicht im Wege stehen wird. So ein Kombi verkauft sich bei einer gewissen Klientel sowieso quasi von selbst, und weil das neue Modell nicht nur für das Segment überdurchschnittlich viel Raum bietet, sondern dabei auch noch eine gute Figur macht, suchen einige Konkurrenten jetzt schon nach den dicken Wollsocken, die sie sich dann anziehen müssen. Und ja, Opel hat das irgendwie verdient, auch einmal so ziemlich alles richtig zu machen. Denn immerhin haben sie seit 1963 schon 5,4 Millionen Kombis in diesem Segment verkauft.
Das gute Aussehen schuldet der Sports Tourer dem gleichen Trick, den Chefdesigner Mark Adams schon beim Adam angewandt hat: das Dach schwebt quasi frei, weil die Dach-Chromleiste in die C-Säule heruntergezogen wird. Das gibt dem Kombi optisch nicht nur mehr Länge, sondern auch eine Leichtigkeit, die für solche «Arbeitsgeräte» nicht gerade typisch ist. Er ist aber auch wirklich gross im Vergleich zum Fünftürer, 33 Zentimeter länger, insgesamt 4,70 Meter, ein stattlicher Wagen also. Aber sein Kofferraum fasst auch maximal 1630 Liter, das ist ein sehr guter Wert, 80 Liter mehr als der Vorgänger; besser kann es in diesem Segment nur der Skoda Octavia Kombi mit seinen 1740 Litern.
Man kann die leider etwas gar massige Heckklappe nun auch per Fusstritt öffnen, also, nein: per Fusswedeln. Das führte dann vor der ersten Probefahrt zur hübschen Situation, dass der Autor dieser Zeilen auf einem Bein balancierend hinter dem Opel stand, Gepäck geschultert, ein bisserl wedelte mit dem anderen Fuss, wild auf der Fernbedienung rumdrückte – und nichts geschah. Es probierte Ähnliches dann ein Opel-Mitarbeiter, ohne Gepäck, und dann noch eine junge Dame. Schliesslich öffneten wir das Ding von Hand, verstauten das Gepäck – und waren eigentlich ganz zufrieden mit der klassischen, manuellen Methode, die bestens funktioniert hat seit der Erfindung des Kombinationskraftwagens und auch in Zukunft gut bleiben wird. Dafür ist die Ladekante angenehm tief und der Zugang wunderbar breit, genau so, wie es bei einem Kombi, auch wenn er mehr in Richtung Lifestyle tendiert, sein soll.
Opel, man weiss es, ist fortschrittlich in Sachen Demokratisierung von Assi- und Sicherheits- und Infotainment-Systemen. Es gibt eine unterdessen kaum mehr überblickbare Masse solchen Zeugs; wer solches will und braucht, der muss sich selber helfen, wir können (und wollen) es nicht, fragen uns auch, wann denn nun endlich fertig ist – oder ob es dann irgendwann auch noch den beheizten, von aussen einstellbaren Innenspiegel geben wird. Erwähenswert sind sicher ein paar clevere Lösungen, was das Packen betrifft, da hat sich Opel sicher von Skoda beeinflussen lassen. Was wir auch können und wollen: das Gestühl im Astra loben, einmal mehr, da sind die Rüsselsheimer wirklich Spitzenklasse, auch im Vergleich zu gewissen Premium-Anbietern. Und dabei hatten wir noch nicht einmal das Vergnügen mit dem Ergonomie-Sitz, der reihenweise Preise einheimst. Innen ist sonst alles wie beim fünftürigen Astra, sprich: deutlich übersichtlicher als auch schon, viel ergonomischer als auch schon, auch haptisch deutlich besser. Auch da hat Opel den entscheidenden Schritt nach vorne gemacht, und beim Kombi sind Kopf- und Beinfreiheit auch für die hinten sitzenden Passagiere über dem Klassen-Niveau.
Unser Proband war mit dem neuen 1,6-Liter-BiTurbo-Diesel mit 160 PS und einem maximalen Drehmoment von 350 Nm, das schon ab 1500/min zur Verfügung steht, ausgerüstet. Diese in Italien entwickelte Maschine gefällt nicht nur mit ihrer Kraft, sondern auch mit dem erfreulich ruhigen, souveränen Lauf; gerade auf der Autobahn fühlt man sich damit bestens motorisiert. Geschaltet wird manuell über sechs Gänge, ausschliesslich, und das freut uns jetzt nicht so sehr, denn die Führung ist zwar besser als auch schon, aber weiterhin zu hakelig. Darüber jammern wir ja jetzt schon länger bei den Opel, aber es will uns irgendwie niemand zuhören. Also wiederholen wir uns. Auf dem Papier verbraucht der 160-Pferder nur gerade 4,1 Liter – und wir wagen die Prognose, dass man diesem Wert auch im Alltag ziemlich nahe kommen wird, weil man den Astra-Kombi mit diesem Aggregat tatsächlich sehr effizient bewegen kann. Und weil er bis zu 190 Kilo weniger wiegt als sein Vorgänger; 1188 Kilo für die «nackte» Basisvariante sind eine ausgezeichnete Ansage in diesem Segment. Sparsamstes Angebot ist der 100-PS-Diesel, der sich mit 3,4 Litern begnügen will; gegen oben rundet der 200-PS-Benziner das Programm ab, der will dann ein bisschen mehr.
Er lehnt sich aber auch gegen eine flottere Fahrweise nicht auf: Fahrwerk können sie in Rüsselsheim, die Mischung zwischen deutscher Härte, einer trotzdem nicht übertriebenen Sportlichkeit und einem gesunden Mass an Komfort ist tatsächlich erfreulich. Die Lenkung ist präzis genug; auf der letzten Rille haut man so einen Kombi ja nur selten durch die Kurven. Wenn doch, dann neigt er dazu, hinten etwas leicht zu werden – und vorne den weiteren Weg zu fahren. Doch das ist alles im sehr grünen Bereich, es geschehen keinerlei Überraschungen. Und wir neigen ja dann manchmal auch eher zur Übertreibung, solches braucht man seinem eigenen Fahrzeug ja nicht täglich anzutun.
Solch ein starker Diesel steht dann aber auch mit mindestens 33’600 Franken zu Buche; das ist dann aber schon – Geld. Bei Volkswagen gibt es im Golf nicht mehr als 150 Pferde, und die kosten mindestens 33’200 Franken. Als Basispreis stehen beim Sports Tourer (mit dem 100-PS-1,4-Liter-Benziner) 22’100 Franken angeschrieben; da sind 1750 Franken weniger als beim Golf Variant. Allein das könnte schon ein gutes Argument sein. Denn viele Kritikpunkte können wir am Astra Sports Tourer nun wirklich nicht finden.
Mehr Opel haben wir in unserem Archiv.
Der Beitrag Opel Astra Sports Tourer erschien zuerst auf radicalmag.