Die Antwort, 50 Jahre Renault 16 (2)-1864
50 Jahre Renault 16 (2)
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(der erste Teil: hier)
Vor allem aber besticht der Renault 16 durch eine bis dahin nicht gekannte Innenraumvariabilität. «hobby» spricht gar von «Variationsmöglichkeiten…, die vielen Autofahrern die Erfüllung kühnster Träume bedeuten könnten.»
Die Sitzlandschaft lässt sich in insgesamt sieben Positionen an die unterschiedlichsten Situationen anpassen. Wer viel zu transportieren hat, kann das Fondgestühl umklappen, um bis zu 15 Zentimeter nach vorne schieben oder ganz ausbauen. Hierdurch wächst das Ladevolumen von 346 auf 1‘200 Liter. Eine weitere – heute aus der Mode gekommene – Konfiguration erlaubt es, die Rückenlehne der Fondbank unter den Dachhimmel zu hängen, während das Sitzkissen nach vorne gekippt und von hinten an die Vordersitze gelehnt wird.
Der Beifahrer kann zwischen zwei Liegekombinationen für seinen Sitz wählen, eine für unterwegs, die andere für das Nickerchen auf dem Rastplatz. Und in der «Mama»-Position rückt Mutti – so wollen es die Namensgeber – den Beifahrersitz auf Tuchfühlung an die Fondbank, so dass der schlafende Sprössling bei einer Vollbremsung nicht in den Fussraum purzelt.
Auch wenn solche Konstellationen nicht den heutigen Erkenntnissen der Unfallforschung entsprechen mögen, erweist sich der Renault 16 damit als würdiger Vorläufer der multivariablen Renault Modelle unserer Tage, wie etwa Espace, Scénic, Captur und Kadjar. Für den renommierten Automobil-Feuilletonisten Fritz B. Busch ist der französische Revolutionär wegen seiner unerreichten Raumausnutzung schlicht «Auto bis hinten hin». Ein Detail wissen vor allem Männer, die Hut tragen, zu schätzen: Dank der hohen Türausschnitte und der stattlichen Innenraumhöhe können sie im Wagen Platz nehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass ihnen der Dachholm die Kopfbedeckung vom Haupt rasiert.
Auch an solche Details wie die solide Kofferraumabdeckung hat Renault gedacht. Sie beugt dem Eindruck vor, in einem schnöden Kombi zu sitzen, der damals noch ein reines Nutztier ist, und hält das Odeur geruchsintensiver Einkäufe von den Insassen fern – wichtig besonders nach Abstechern zum Fisch- oder Käsehändler.
Weiteres durchdachtes und komfortables Detail: Die in Deutschland nahezu ausschliesslich nachgefragte Ausstattung «Grand Luxe» verfügt über eine Mittelarmlehne mit praktischem Ablagefach. Sie erlaubt jene unverwechselbar lässige Renault 16 Fahrer-Haltung, die auch zum Gangwechsel nicht aufgegeben werden muss. Denn geschaltet wird grundsätzlich am Lenkrad. Dazu kann der Ellbogen weiter auf der Armstütze ruhen. Die Fachzeitschrift «auto motor und sport» erklärt den Franzosen im Rahmen eines 50‘000-Kilometer-Dauertests zum «rollenden Wohnzimmer».
Antriebstechnisch hat der Renault 16 ebenfalls Wegweisendes zu bieten: Unter der Haube beherbergt er den ersten komplett aus Aluminium gefertigten Motor von Renault. Anfangs mobilisiert der Leichtmetall-Vierzylinder 55 PS aus 1‘470 Kubikzentimeter Hubraum. Im Lauf der Zeit steigt die Leistung auf 93 PS in der 1973 vorgestellten Spitzenversion TX. Damit verbunden ist ein stetiges Hubraumwachstum auf bis zu 1‘647 Kubikzentimeter. «In Bezug auf Laufruhe, Elastizität und Leistungsverhalten gehört der Motor zum Besten, was heute in der Vierzylinder-Mittelklasse existiert», lobt «auto motor und sport» das Aggregat, das später in leistungsgesteigerter Form auch in den Sportwagen Renault Alpine A110 und A310 Motorsportgeschichte schreiben wird.
Der Vierzylinder ist wie beim R 4 weit in Richtung Wagenmitte nach hinten verschoben eingebaut. Davor haben die Entwickler das Getriebe montiert. Es handelt sich um ein Front-Mittelmotor-Prinzip, nur 55 Prozent des Gesamtgewichts lasten auf der Vorderachse. Die Vorteile lassen sich im Wortsinn «erfahren»: Der günstige Schwerpunkt und die neutrale Gewichtsverteilung ermöglichen ein sicheres und gleichzeitig sehr sportliches Fahrverhalten.
Vom R 4 erbt der grosse Bruder auch die Drehstabfederung. Diese sorgt nicht nur für einen «Federungskomfort, der seinesgleichen sucht», so «auto motor und sport», sondern trägt auch zum ausgezeichneten Ladevolumen des Renault 16 bei, weil keine störenden Federdome in den Kofferraum ragen. Kurioser Nebeneffekt dieser Lösung: Der avantgardistische Gallier hat links einen um 67 Millimeter längeren Radstand als rechts. Bei eindrucksvollen 2‘717 bzw. 2‘650 Millimetern fällt dies indes nur dem äusserst geübten Auge auf.
Die Mischung aus Variabilität, Wirtschaftlichkeit und Oberklasse-Gefühl zieht beim Zielpublikum: 1966, im ersten vollen Verkaufsjahr, setzt Renault allein in Frankreich von seinem neuen Topmodell 68‘916 Fahrzeuge ab.
Bis 1969 steigt die Zahl auf 92‘488 Autos. Weltweit verkauft Renault in jenem Jahr 179‘991 Renault 16, eine Zahl, die 1970 sogar noch überboten wird, als 193‘698 Fahrzeuge das Werk Sandouville verlassen.
Zu diesem Boom trägt auch die Wahl des R 16 zum «Auto des Jahres» durch 32 europäische Fachjournalisten im Dezember 1965 bei. Auch die Einführung des stärkeren TS-Modells 1968 mit 83 PS und der Automatikversion 1969 mit 67 PS kurbelt den Absatz an. Ein Jahr zuvor hat Renault den Export des Renault 16 nach Kanada und in die USA gestartet, wo der französische Exot die Herzen der Motorpresse erobert. Das US-Magazin «Road Test» schlägt vor, «alle in Detroit arbeitenden Designer zwei Wochen ans Lenkrad dieses Autos zu setzen, in der Hoffnung, dass ihre eingeschläferte Fantasie wieder aufgeweckt wird.» Mehr Kompliment geht kaum.
Zum Modelljahr ’71 erlebt der R 16 sein erstes Facelift: Das Raumwunder aus Frankreich erhält unter anderem grössere und rechteckige Heckleuchten, die ausserdem etwas tiefer platziert sind. Die Basisversion leistet jetzt 67 PS wie zuvor beim Automatikmodell. Die Modellpflegemassnahmen halten die Karriere im Schwung: Anfang 1972 rollt in Sandouville der einmillionste Renault 16 vom Band. Längst wird das Erfolgsmodell zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur in Frankreich gebaut. Montagewerke finden sich in 14 weiteren Ländern der Erde, darunter so entfernten Weltgegenden wie Trinidad, Venezuela, Madagaskar und Australien. Nur ein Jahr später legt Renault nach: Auf dem Pariser Salon im Oktober 1973 debütiert das neue Topmodell der Reihe, der Renault 16 TX mit 1‘647 Kubikzentimetern und 93 PS.
1975 präsentiert Renault auf dem Genfer Automobilsalon den designierten Nachfolger Renault 20, auch er mit Schrägheck. Für den Renault 16 bedeutet dies jedoch noch nicht das Aus, denn eine Vielzahl eingeschworener Fans hält ihm nach wie vor die Treue. Allein 1976 werden weltweit 103‘179 Renault 16 verkauft. Renault produziert deshalb beide Modelle vier Jahre lang nebeneinander. Im Januar 1980 macht der Urahn der Schräghecklimousinen nach 1‘845‘959 produzierten Exemplaren dann endgültig der jüngeren Generation Platz.
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