bigger is better (2), Cadillac Eldorado Biarritz 1957-1876
Cadillac Eldorado Biarritz 1957
Noch nicht erstellt
(Um die 57er-Cadillac wirklich zu verstehen, müsste man eigentlich zuerst die Geschichte des 56er Eldorado Biarritz lesen, hier. Und jene des Eldorado Brougham, hier.)
Selbstverständlich profitierten die 57er Modelle von Cadillac von den technischen und stilistischen Errungenschaften des Eldorado Brougham. Mit Ausnahme der Series 75, die sich gegenüber dem Vorjahr nur unwesentlich veränderten, und natürlich der Cabriolets verfügten alle Modelle des neuen Jahrgangs über das pfostenlose Dach, das Cadillac als einziger amerikanischer Hersteller bereits 1957 einführte – und sahen genau so aus wie das, wofür die Amerikaner so gern das Wort «terrific» benutzen, wunderschön halt. Die Series 62 umfasste nun ein zwei- und ein viertüriges Hardtop-Modell, das Convertible Coupé, das Coupé de Ville und den Sedan de Ville. Den Sixty-Special gab es weiterhin nur in einer Version, dem viertürigen Sedan. Die neuen Karosserien, den sogenannten «C-Body» von General Motors teilten die Cadillac mit den Buick Super und Roadmaster, allerdings waren viele Kleinigkeiten sehr verschieden.
Es muss ein erfreuliches Arbeiten gewesen sein in dieser Design-Abteilung von Cadillac. Unter der Leitung von Ed Glowacke entwickelten sein Assistent Bob Schelk sowie Ned Walters, Dave Holls und Ron Hill ihre Ideen. Hill, der für die Linien des Eldorado Biarritz zuständig war, erinnerte sich später: «Der Biarritz sollte so etwas wie die himmlische Version der Series 62 werden. (…) Wir hatten keine Vorgaben, alle arbeiteten bei allen Fahrzeugen mit, und wir wollen einfach etwas, was ganz anders war als alle anderen Autos. Die einzige Einschränkung war, dass man auch die 57er Modelle sofort als Cadillac erkennen sollte, doch das war nicht weiter schlimm. Von der uns gegeben Freiheit machten wir natürlich ausgiebig Gebrauch.»
Die neuen Modelle waren wirklich ein sehr erfreulicher Anblick – je länger man sie betrachtet, desto besser gefallen sie einem auch heute noch. Die Fahrzeuge wurden ein wenig länger, hatten einen minim vergrösserten Radstand und wurden deutlich niedriger (Series 62 und Sixty Special von 157 auf 150 Zentimeter). Auch die gesamte Fläche des Glases nahm ab, so dass die 57er Modelle sehr elegant und gestreckt wirkten. Positiv zu vermerken ist in diesem Zusammenhang sicher auch, dass einiges an Chrom nicht mehr verwendet wurde, dafür waren die Räder höher ausgeschnitten. Der hintere Kotflügel wurde ebenfalls umgestaltet, zwar blieben die Heckflossen, doch die Lichter wanderten weiter nach unten, ihre Position war durch ein seitliche Zierleiste zusätzlich betont.
Natürlich wurden wie in jedem Jahr der Kühlergrill und die Stossstangenhörner erneuert, im Gegensatz zum Brougham gab es aber weiterhin nur einen Scheinwerfer. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war die markante, göttliche Kühlerfigur nur noch auf Wunsch erhältlich.
Positiv zu vermerken sind sicher auch die Änderungen im Interieur der 57er Modelle, vor allem und endlich wurde das Cockpit umgestaltet. Der bis 120 mph reichende Tachometer war nicht mehr rund und riesig, sondern in die Länge gestreckt. Die wichtigsten Warnlichter, die Tankuhr und die Blinkanzeige fanden sich schön angeordnet unterhalb des Tachos, für einen Aufpreis von 164.25$ war auch das aus dem Eldorado Brougham bekannte Radio mit seiner automatischen Antenne erhältlich. Ebenfalls gegen Aufpreis konnte man noch eine Heizung und einen Defroster ordern, dessen Kontrolleinheit unter dem Radio lag. Insgesamt war das neue Cockpit nicht nur schöner anzuschauen, es bot auch einen gewissen Fortschritt beim noch wenig beachteten Thema Sicherheit, standen doch die Schalter und Knöpfe nicht mehr wie früher wie Spiesse in Richtung des Fahrers. Auch die bedeutend besser lesbaren Armaturen trugen ihren Teil zur Sicherheit der Insassen bei.
Cadillac hatte gute Gründe, sich auch an einem neuen Rahmen zu versuchen. Die bisherige Konstruktion wurde von einem Röhrenrahmen abgelöst, der nicht nur weniger vibrierte, sondern auch fast 20 Prozent steifer war als sein Vorgänger (der schon die messbare beste Stiefigkeit aller Rahmen auf dem amerikanischen Markt besass). Noch andere Vorteile hatte der neue Rahmen zu bieten: Weil er wie die Mercedes-Rahmen jener Zeit keine seitlichen Verstärkungen mehr benötigte, konnte die Gürtellinie der Karosserie niederiger gehalten werden. Ausserdem wurden die Herstellungskosten gesenkt, weil für alle Cadillac-Modelle nur noch ein Rahmen verwendet werden musste, zur für die verschieden langen Radstände einfach in der Mitte verlängert wurde.
Ebenfalls einfach war es, den neuen Rahmen für die Cabriolets entsprechend zu versteifen. So wog der Rahmen beim Series 62 Sedan noch 186 Kilo, während er für das Cabriolet 249 Kilo auf die Waage brachte.
Die Geschichte der Entwicklung dieses neuen Rahmens war länger als die Zeit seiner Produktion. Als Hudson 1948 als erste amerikanische Marke die (selbsttragende) Karosserie einführte, dachte man bei Cadillac zuerst daran, dieses Prinzip zu kopieren. Allerdings fand man dann schnell heraus, dass bei dieser Rahmen/Karosserie-Einheit den Einfällen der Designer enge Grenzen gesetzt sein würden. Also machte sich A.O. Smith schon 1950 daran, den erst 1957 präsentierten Rahmen zu entwickeln. Das Resultat konnte sich wirklich sehen lassen, wie weiter oben schon erwähnt wurde. Doch weshalb wurde dieses Kunstwerk schon acht Jahre später wieder aufgegeben? Ganz einfach – der Rahmen war ganz einfach zu stabil. Da er sich bei besten Willen um keinen Millimeter verneigte, hatte man vor allem auf schlechten Strassen das Gefühl, das Fahrzeug sei hart wie ein Brett und hüpfe über die Strasse. Da konnte auch das gleichzeitig mit dem Rahmen modernisierte Fahrwerk nicht helfen, bei dem die Vorderrad-Aufhängung neu mit Kugelgelenke versehen, aber auch weichere Stossdämpfer eingebaut erhielt. Gemeinsam mit Buick offerierte Cadillac als erster amerikanischer Hersteller 15-Zoll-Räder. Überraschenderweise hatten die Ingenieure auch das Gefühl, die Bremsen seien zu gut gewesen beim 56er-Jahrgang, so dass sie die Gesamtbremsfläche minim reduzierten.
Trotzdem blieben die mittlerweile fast drei Tonnen schweren Cadillac auch 1957 ein grosses Vergnügen beim Fahren, solange man sie nicht zu heftig in die Kurve werfen wollte. Doch dafür waren die Cadillac beim besten Willen nicht gedacht, ihr bevorzugtes Terrain waren die breiten, schnellen Autobahnen, auf denen die kürzeste Gerade mindestens bis zum Horizont reichte. Fuhr man trotzdem einmal Ideallinie, so musste man schon beide Hände am Steuer haben, denn die Cadillac neigten zu heftigem Übersteuern – wenn sie ausnahmsweise nicht einfach über alle vier Räder wegschoben. Allerdings hatten sie mit ihren neu 300 PS auch genug Kraft, dass der geübte, sportliche Fahrer - der unter der Cadillac-Klientel nicht ausnehmend häufig war - mit dem Gaspedal korrigieren konnte. Seine 300 PS erreichte der 5,9-Liter-Motor bei 4800/min, das maximale Drehmoment blieb mit 390 Nm gleich, wurde allerdings erst bei 3200/min erreicht. Einmal mehr wurde die Achs-Übersetzung geändert, serienmässig war wieder die lange 3,07:1-Übersetzung, die zwar den Verbrauch senkte, während sich die Beschleunigung trotz der zusätzlichen PS nicht verbesserte und immer noch irgendwo über 10 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h lag. Insgesamt 146'841 produzierte Cadillac im Modelljahr 1957, knapp 8000 weniger als noch ein Jahr zuvor.
Mehr Cadillac gibt es in unserem Archiv.