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Peugeot 504

Published in radical-mag.com

So lange ist das her?

So einen besass ich auch mal, vor mehr als 30 Jahren. Einen Peugeot 504 Break. Wir wollten damals mit ihm ums Mittelmeer (ja, das war einst ein Abenteuer), doch wir kamen nicht einmal aus dem Dörfchen, in dem wir aufgewachsen waren: der Automat war hin. Und das war der Tod aller Budget-Spekulationen, schaffen wir es, oder nicht. Es war dann ganz klar: gar nicht. Aber ich habe ihn geliebt, schön war er, so grünlich, und Platz hatte er ohne Ende. Und diesen wunderbaren Mief von Autos, die viel, sehr viel genutzt worden waren; ok, wunderbar ist anders. Doch ich lächle auch heute noch, wenn ich einen 504 sehe – und mag es kaum glauben, dass es schon so lange her sein soll, dass er auf den Markt kam.

Es war ein Jahr des Aufbruchs und Neubeginns: 1968 brachen demonstrierende Studenten mit Traditionen und die Gesellschaft mit etablierten Werten – und Peugeot präsentierte mit dem Typ 504 ein vollkommen neues Spitzenmodell. Eine elegante Reiselimousine, wie es bis dahin keine gegeben hatte. Gekleidet in exklusive Formensprache des italienischen Stardesigners Pininfarina repräsentierte der Peugeot 504 ein neues Fahrzeugformat, das technische Innovationen sowie Komfort und Extravaganz der Oberklasse in die anspruchsvolle Mittelklasse transferierte. Ein revolutionäres Konzept, wie der robuste und zuverlässige Peugeot 504 in einer fast beispiellos lang andauernden globalen Karriere bewies. Rund 3,7 Millionen Einheiten des auch im Motorsport erfolgreichen 504 liefen insgesamt in 37-jähriger Bauzeit von den Bändern. Dies als stilprägende Limousine, familienfreundlicher Kombi und praktischer Pick-up sowie als unvergänglich schönes Coupé und Cabriolet.

Für Mut zum Wandel stand 1968 bereits die Modellbezeichnung 504, führte Peugeot doch mit der 5er-Serie erstmals nach 50 Jahren wieder eine gänzlich neue Fahrzeugserie ein. Positioniert zwischen der etablierten Mittelklasse 404 und der späteren klassischen Oberklasse 604 war der 504 ein progressiver Typ, der schnell den Ruf des ultimativen Peugeot und Königs der Löwenmarke errang. So verwöhnte die nur 4,49 Meter lange 504 Limousine ihre Passagiere mit einem geradezu luxuriösen Raumangebot. Möglich machte das ein aussergewöhnlich grosszügiger Radstand von 2,74 Metern, der damit sogar das damalige Niveau deutscher Oberklassemodelle erreichte. Technisch beeindruckte der Peugeot 504 von Beginn an durch eine Sicherheitskarosserie, Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Genügend zukunftsweisende Talente der französischen Limousine, um mit dem damals weltweit wichtigsten Medienpreis «Auto des Jahres 1969»  ausgezeichnet zu werden.

Dazu passte der aussergewöhnlich hohe Qualitätsanspruch, den Peugeot im 504 umsetzte. So wurde das Spitzenmodell der Marke mit besonderer Liebe zum Detail konstruiert und der Design-Code der Marke weiterentwickelt, wie die trapezförmigen Hauptscheinwerfer zeigten, aber auch der Löwe im Kühlergrill und die Modellbezeichnung als Nummer auf der Motorhaube. Am Fahrzeugheck setzten schräg stehende, getrennte Rückleuchten eine überaus gewagte Signatur, mit der sich die erste Serie der Peugeot 504 Limousine sowie die später eingeführten Typen 504 Cabriolet und Coupé sofort zu erkennen gaben.

Entwickelt wurde die Formensprache des damals grössten Peugeot in einer Konkurrenz zwischen dem von Paul Bouvot geleiteten Peugeot Centre Style und den Studios von Pininfarina. Tatsächlich gewann das Gesamtkonzept der Italiener, inklusive der extravaganten und einzigartigen Heckgestaltung der 504 Limousine mit Knick im Kofferraumdeckel. Das markante Frontdesign mit den trapezförmigen Scheinwerfern wurde jedoch von Paul Bouvot entworfen, der damit Peugeot ein neues Gesicht gab. Legendär ist Sergio Pininfarinas Begeisterung ob dieses Geniestreichs seines französischen Kollegen, denn die formvollendeten Scheinwerfer des 504 erinnerten ihn an die Augen der italienischen Filmdiva Sophia Loren.

Im Grand Prix d’Elégance um den schönsten Peugeot 504 aller Zeiten legte Sergio Pininfarina aber noch nach. So zählt das auf dem Genfer Salon 1969 präsentierte, dynamisch gezeichnete Duo aus 504 Coupé und Cabriolet bis heute zu den begehrtesten Stilikonen unter den zweitürigen Peugeot. Automobile Gesamtkunstwerke, die als Neuwagen ebenso wie heute als Klassiker zu entsprechend respektablen Preisen gehandelt werden.

Automobile, die fast vier Jahrzehnte gebaut werden, sind rar. Noch rarer sind aber Langstreckenläufer, die solche zeitlichen Distanzen mit immer neuen technischen Lösungen bewältigen. Es sei denn, es handelt sich um einen Peugeot 504. Noch mehr als bei dem vorausgegangenen Longseller 404 hat die Löwenmarke im neuen Modell 504 auf progressive Technik Wert gelegt. Wobei Innovationen allerdings nur genutzt wurden, wenn sie zuverlässig arbeiteten, zumal der Peugeot 504 auch in afrikanischen und südamerikanischen Ländern mit extremen Klima- und Strassenbedingungen verkauft und produziert wurde. Der allerletzte im Jahr 2005 in Nigeria gebaute Peugeot 504 erhielt sofort einen Ehrenplatz im Fundus des Peugeot Museums in Sochaux/Frankreich. Auch den Sprung nach China bewältigte Peugeot bereits 1985 mit dem Modell 504 – als einer der beiden ersten westlichen Autohersteller überhaupt, die in einem Joint-Venture mit chinesischem Partner produzierten.

Getestet und gefestigt wurde der Ruf des Peugeot 504 als Dauerläufer durch zahllose Siege im Rallyesport, ganz besonders in Afrika. Dort triumphierte der 504 ab 1975 bei der legendären Safari-Rallye ebenso wie bei der berüchtigten Bandama an der Elfenbeinküste, wo 1976 ein 504 Coupé den Gesamtsieg errang vor vier 504 Limousinen.

Als echter 68er wagte der Peugeot 504 technisch viel Neues, wie etwa die Einzelradaufhängung zeigte und frühzeitig eingeführte elektrische Assistenten wie eine heizbare Heckscheibe, eine elektromagnetische Zentral-Türverriegelung oder elektrische Fensterheber. Andererseits setzte der 504 auch in der Sicherheitsausstattung Massstäbe, denn diese wurde in jenen Jahren immer neuer Negativrekorde in Verkehrsunfallstatistiken erstmals ganz gross geschrieben. Deshalb übernahm der 504 von Beginn an eine Vorreiterrolle mit innovativen Details wie Scheibenbremsen rundum, höhenverstellbaren Sicherheitskopfstützen, serienmässigen Kindersicherungen in den Türen oder Interieurapplikationen mit Aufprallpolsterung.

Unruhige Zeiten erfordern jedoch auch Anpassungsfähigkeit und auch in dieser Disziplin konnte der Peugeot 504 punkten. So präsentierte Peugeot sein Flaggschiff genau passend zur Zeit der ersten Ölkrise in kostengünstiger Basisversion mit Starrachse und Trommelbremsen hinten sowie auf preiswertes Normalbenzin ausgelegtem 1,8-Liter-Benziner. Alternativ stand bereits seit 1971 ein effizienter 2,1-Liter-Dieselmotor im Angebot, später komplettierten ein 2,0-Liter- und ein 2,3-Liter-Diesel das Selbstzünder-Portfolio im Peugeot 504. In Deutschland war der Peugeot 504 mehrere Jahre meistverkaufter Importwagen seiner Klasse, nicht zuletzt ein Verdienst des 1970 eingeführten 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziners, der später mit optionaler Einspritzanlage respektable 104 PS Leistung abgab. Auch in den USA erzielte der temperamentvoll motorisierte Peugeot 504 Achtungserfolge – und verfügte als erstes Modell aus Sochaux über einen Abgaskatalysator.

Als Innovation nationaler Bedeutung feierten die Franzosen aber einen anderen Motor: Im Herbst 1974 debütierte im Peugeot 504 Coupé der erste Nachkriegs-Sechszylinder französischer Entwicklung und Produktion. Als später auch das 504 Cabriolet mit diesem 2,7-Liter-V6 verfügbar wurde, hatte sich Peugeot seinen festen Platz im automobilen Oberhaus bereits endgültig gesichert. Konnte der kostspielige Sechszylinder doch auch in der 1975 vorgestellten Oberklasselimousine Peugeot 604 zu repräsentativer Form auflaufen.

Zum Erfolgsgeheimnis des Peugeot 504 zählte von Beginn an seine Vielfalt. Während sich andere europäische Hersteller noch mit einem überschaubaren Karosserieangebot begnügten, setzte Peugeot auf ein fast konkurrenzlos grosses Programm. Auf die viertürige Limousine folgten 1969 Coupé und Cabriolet sowie 1972 der 4,80 Meter lange Kombi, der als klassischer Break, als Leichttransporter Commerciale und als Familiale mit drei Sitzreihen und sieben Sitzplätzen angeboten wurde.

Als Lastenträger für schwere und raue Einsätze wurde 1979 der Pick-up eingeführt, den es ebenso wie die Kombis auch mit einem Allradantrieb des elsässischen Spezialisten Dangel gab. Ihren Einsatz in Afrika als fast unzerstörbarer Lastentransporter bestritten die Pick-ups aber vor allem mit klassischem Hinterradantrieb. Zu Freizeittrends in Europa passten dagegen Peugeot 504 mit Wohnmobilaufsatz oder als Surfboardtransporter. Für das Chassis des 504 wurden nicht weniger als 30 verschiedene Aufbauten angeboten – eine frühe Form der Individualisierung. Mit den Formen des 504 fand Peugeot zu einer vollkommen neuen, eigenständigen Linie bei den Limousinen, einem «Style Maison», der die Marke charakterisierte und den Ruf von Peugeot als Designinstanz unter den grossen Volumenherstellern weiter ausbaute.

(Dieser Text stammt von Peugeot. Aber es wäre schade, wenn er ungelesen in den Tiefen der Schubladen oder des Internet verschwinden würde; wir publizieren ihn im Rahmen des 210-Jahre-Jubiläums der Marke. Mehr alte Peugeot gibt es in unserem Archiv.)

Der Beitrag Peugeot 504 erschien zuerst auf radicalmag.