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Fahrbericht Renault E-Tech-Modelle

Published in radical-mag.com

Alter Wein mit neuen Schläuchen

Man blättert dann so durch die technischen Angaben, nicht gerade aufgeregt, denn die milde oder ganzheitlichere Hybridisierung von bestehenden Modellen mag nun wirklich kaum mehr jemanden vom Sitz reissen. Und dann steht da doch: Klauen-Getriebe. Klauen-Getriebe im Hybrid-Clio und dem Plug-in-Captur sowie -Megane? Rennsport? Was ist hier los?

Also, mal ganz kurz, wie wir das Klauen-Getriebe kennen (auch als «dog ring»-Getriebe bezeichnet), es ist schon ein paar Wochen her, damals im so herrlichen Abarth 695 biposto. Statt einer herkömmlichen Synchonisierung, bei der die Synchronringe die Drehgeschwindingkeit von Schaltmuffe und Schaltrad angleichen, um danach den Gang über die Hundezähne (was wiederum nicht mit dem «dog» aus «dog ring» gleichgesetzt werden kann) in den Kraftschluss schalten zu können, wird das Drehmoment über die Schaltklauen übertragen. Sie sind deutlich stärker dimensioniert als die kleinen Zähne einer Synchronisierung und weisen ihrerseits einen deutlich grösseren Abstand zueinander auf. Denn das ist der springende Punkt: es muss nichts synchronisiert werden, weil die Geschwindigkeit von An- und Abtriebswelle «schlagartig» angeglichen werden, sobald die Klauenmuffe mit dem Schaltrad in Eingriff kommt. Das Problem an der Sache: es muss schnell gehen. Sehr schnell. Formel-1-Rennfahrer können das. Ansonsten kann es vorkommen, dass Klaue auf Klaue trifft, oder – wer gar zu zaghaft ist – die Klauen aneinander vorbeirattern. Beides ist nicht nur mit hässlichen Geräuschen, sondern auch groben Materialabrieb verbunden. Über kurz oder lang zerstört man sein Getriebe einfach. Deshalb: Gänge reinballern, je schneller, desto besser und je härter, desto verschleissärmer. Meist haben diese motorsportlichen Getriebe deshalb auch gigantisch grosse Schalthebel und entsprechend knackige Hebelübersetzungen, um schnelle Muffenbewegungen zu ermöglichen.

Nun denn, in den drei neuen E-Tech-Modellen von Renault findet sich aber kein grosser Schalthebel. Es hat gar keinen. Wie es ja auch in der Formel 1 längst keine solchen Dingers mehr gibt. Es ist alles automatisiert, weder Hamilton noch die zukünftigen Renault-E-Tech-Fahrer*innen müssen die Gänge noch händisch sortieren. In den E-Tech-Modellen hilft sogar ein im Getriebe eingebauter E-Motor bei den Gangwechseln; insgesamt stehen 15 mögliche Konfigurationen zur Verfügung, da sollte es möglich sein, dass das elektronische Auto-Hirn die passende für den Vortrieb findet. Dass Renault einen so grossen Aufwand betreibt, sogar die Formel-1-Ingenieure in die Getriebeentwicklung befahl, mag einerseits wundern (andere Hersteller verwenden bei der Elektrifizierung ihrer Modelle gerne diese CVT-Gummibänder), andererseits: Klauengetriebe können günstiger produziert werden, brauchen weniger Teile, sind folglich leichter – und sollten, wenn sie ja automatisch gesteuert werden, auch nicht so schnell kaputtgehen.

Logisch, es funktioniert. Im Fahrbetrieb spürt man eigentlich nichts von diesem Getriebe. Eigentlich nichts heisst aber: es gibt schon spürbare Übergänge, eine Gedenkzehntelsekunde dann, wenn Leistung eingefordert wird. Gleiches passiert auch beim Übergang vom rein elektrischen Vortrieb zum Verbrenner, doch man muss sich darauf achten, sonst kriegt man das nicht mit. Der Prius von Toyota kann das besser, aber die üben ja auch schon seit einer kleinen Ewigkeit; wirklich störend ist es beim Renault beim besten Willen nicht. Angefahren wird sowieso immer rein elektrisch, bei allen drei Modellen. Damit fällt die verbrauchsintensivste Situation schon einmal weg, der 1,6-Vierzylinder, der allen drei Fahrzeugen gemein ist, im Clio 91 PS, im Captur und Megane 92 PS leistet und bei allen drei Franzosen ein maximales Drehmoment von 144 Nm entwickelt, amtet erst dann seiner Aufgabe, wenn die Batterie leer ist. Oder mehr Leistung gefragt ist. Zwar sagt Renault, dass man den Benziner optimiert habe, doch wir wundern uns schon etwas, warum ausgerechnet dieses Aggregat elektrifiziert wurde. Es stammt ursprünglich von Nissan – und aus dem Jahr 2002. Und er war noch nie berühmt für seine Sparsamkeit. Oder gar dafür, dass er sehr lebendig wäre.

Nehmen wir zuerst den Clio, also den milden Hybriden. Sein System ist auf 230 Volt ausgelegt, die Batterie hat eine Kapazität von 1.2 kWh, und die Elektromotoren leisten 36 respektive 15 kW für den Starter-Generator; die Gesamtleistung beträgt 140 PS, das maximale Drehmoment 205 Nm bei 3200/min. Nach WLTP-Norm kommt der Clio auf einen Durchschnittsverbrauch von 5.1 l/100 km (114 g CO2/km); er ist so ausgelegt, dass er in der Stadt 80 Prozent der Strecke elektrisch fahren kann (dank Rekuperation), die rein elektrische Reichweite beträgt allerdings nur gerade sechs Kilometer. Das alles sind nun nicht die Papierwerte, die Ehrfurcht erheischen würden, ganz im Gegenteil. Renault verweist dann auf den Preis, nur wenig teuerer als der etwas schwächere 130-PS-Benziner sei der Hybrid. Der ist allerdings deutlich flotter unterwegs – und so viel mehr verbraucht er (in der Praxis) auch nicht. Wir verweisen dann auch noch auf den Honda Jazz Hybrid, ein deutlich komplexerer Hybrid – und dann auch nicht teurer als der Renault, der ab 24’200 Franken zu haben ist. (Hingegen – achten Sie derzeit unbedingt auf die Leasingangebote, da ist ein ganz übler Preiskampf im Gange, die Fahrzeuge werden auch von Renault quasi verschenkt. Gewinner ist ausnahmsweise der Kunde.) Verlierer ist beim Clio übrigens der Kofferraum, er fasst nur noch 254 Liter.

Der Megane kommt in Phase 2, was so viel bedeutet wie: Facelift. Von aussen muss man aber schon genau hinschauen, damit man solches auch bemerkt; deutlichere Unterschiede finden sich innen. Doch wenn man andere Renault kennt (etwa den Clio oder den Captur), kennt man auch den Phase-2-Megane, grösseres Tablet im Hochformat über der Mittelkonsole, darunter ein kleines Klavier, noch weiter unten sind dann Lüftung und Heizung. Das sieht ganz nett aus. Technisch unterscheidet sich der Megane als Plug-in-Hybrid doch deutlich vom Clio: Die Systemspannung liegt bei 400 Volt, die Batterie hat eine Normkapazität von 9.8 kWh, und die Elektromotoren leisten 49 respektive 25 kW; die leere Batterie soll an der Haushaltssteckdose nach rund fünf Stunden wieder voll sein, an einer Wallbox nach drei Stunden. Die Systemleistung liegt beim Megane (wie auch beim Captur) bei 158 PS, das maximale Drehmoment bei (eher bescheidenen) 205 Nm bei 3200/min. Rein elektrisch will der Kombi 54 Kilometer fahren (der Captur nur 52), in der Stadt soll die Reichweite dank fleissigerer Rekuperation bei 65 Kilometern liegen. Als kombinierten Verbrauch geben die Franzosen für den Megane 1,4 Liter an, für das SUV sind es 1,7 Liter.

Auch wenn sie deutlich mehr kosten (Megane E-Tech ab 40’200 Franken, Captur ab 38’100 Franken; wir nennen prinzipiell immer nur die offiziellen Preise ohne Rabatte) und diese Mehrkosten wohl in ihrem Lebenszyklus nicht mehr hereinfahren werden, so erscheinen uns die beiden Plug-in-Hybriden doch als eine gute Wahl. Die entspannte Fahrweise, zu der die elektrifizierten Wagen zwar nicht zwingen, aber definitiv animieren, hat ja auch einen guten Sicherheitsaspekt. Und führt dank der defensiven Fahrweise zu einem tiefen Verbrauch. Auch die jeweiligen Fahrwerke sind so ausgelegt, man wird mehr den Komfort geniessen wollen als eine Kurvenhatz. Was dann wieder sicherer ist und zu einem tieferen Verbrauch führt und.

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Der Beitrag Fahrbericht Renault E-Tech-Modelle erschien zuerst auf radicalmag.