Ford Mustang Mach E
Hoffnungsträger
Im April hatte Ford angekündigt, dass ein reines E-Auto kommen würde (nicht das erste, das baute man in Dearborn schon 1903). Im Sommer war dann die Zusammenarbeit mit VW ausgeweitet worden, Ford wird sich ab etwa 2022 am Stromer-Baukasten der Wolfsburger bedienen dürfen. Dann gab es immer wieder Zückerchen, ein SUV würde dieser Stromer sein, der Mustang habe etwas damit zu tun; man tat also etwas bei Ford. Und doch ist man dann überrascht, wenn man vor dem neuen Produkt steht, das ist nicht irgendein Denkanstoss, nicht irgendein Modell für die ganz ferne Zukunft, nein, es steht da, fertig, fahrbereit, ab Montag kann man bestellen, im Januar 2020 läuft die Serien-Produktion an, im kommenden Herbst werden die ersten Fahrzeuge nach Europa geliefert (zuerst werden USA und China bedient). Und es sind nicht bloss die Preise definiert, sondern ganz viele Services auch schon, es gibt eine klare Strategie und ein Navi ganz ähnlich wie bei Tesla, mit dem man tatsächlich auch eine längere Reise planen kann. Und Ford verspricht, seine Versprechen zu halten, keine Lieferengpässe (wie bei Kia) und auch keine Verspätungen (wie bei Volkswagen) soll es geben.
Wenn man den Wagen nun betrachtet, dann wird nicht der erste Gedanke sein: klar, ein Mustang. Denn wir haben halt klare Bilder im Kopf, was ein Mustang ist (die Früh-Geschichte: hier; der letzte Test: hier) – und ein 4,71 Meter langes, 1,88 Meter breites sowie und vor allem 1,60 Meter hohes SUV sehen wir da nicht. Ford sagt, man müsse diese Ikone und ihren Namen in die Zukunft tragen, auch seien die Fahrleistungen sportwagen-würdig, und ausserdem sei das Design eine saubere Weiterentwicklung der bisherigen Mustang-Formensprache. Einverstanden, auch das neue Produkt verfügt über vier Räder; viel mehr Gemeinsamkeiten sehen wir da jetzt nicht. Doch man muss ja nicht alles verstehen, ganz besonders das Marketing-Blabla nicht.
Das soll nun aber nicht als Kritik verstanden werden, weder an der Optik des neuen Fahrzeugs noch an seinem Konzept. Der «Macky», wie der Mach E auf schön amerikanisch ausgesprochen wird, ist eine Art SUV-Coupé (im Stile eines BMW X6, aber viel, viel weniger aggressiv – und deutlich praktischer). Die günstigeren Versionen mit den kleineren Rädern und den farblich abgesetzten Radleisten sind – subjektiv – nicht wirklich aufregend, aber ein GT Performance, das macht dann – objektiv schon was her, der Auftritt ist bullig, da würde man jetzt auf den ersten Blick nicht unbedingt ein E-Auto vermuten. Es ist schon auch erstaunlich, wie viel die richtige Farbe und ein paar optische Tuning-Teile ausmachen können. Die fast drei Meter Radstand sowie die Bauweise mit den flach auf dem Fahrzeugboden angeordneten Batterien sorgen für sehr anständige Platzverhältnisse, man sitzt wohl in der zweiten Reihe, dahinter gibt es über 400 Liter Kofferraum-Volumen (bei abgeklappten Sitzen: 1420 Liter), dazu kommt noch ein so genannter «Frunk», der auch noch einmal 100 Liter fast. Dieser vordere Kofferraum besteht komplett aus Plastik und verfügt über einen Abfluss, man kann da also auch einmal einen toten Thunfisch transportieren oder ihn mit Popcorn füllen oder den Pudel waschen (wir werden dann da zu einem späteren Zeitpunkt noch einen Wettbewerb für die kreativsten Verwendungsmöglichkeiten lancieren).
Bleiben wir noch beim Innenraum, der auch dank eines riesigen Glasdachs sehr luftig wirkt. Vorne in der Mitte gibt es einen gewaltigen Touchscreen (ein Schelm, wer da an Tesla denkt), vor dem Fahrer befindet sich ein zweiter Bildschirm mit den für den Fahrer relevanten Angaben. Das ist gut gemacht, sieht modern aus, nutzt die Freiheiten, die es bei der Innenraum-Gestaltung von E-Dings gibt, bestens aus; bloss das Lenkrad sieht weiterhin aus wie aus den Nuller-Jahren. Und die hintere Sitzbank ist mehr ein Strafbank. Zum Bedienkonzept selber können wir nicht viel schreiben, aber man darf davon ausgehen, dass Ford das bestens im Griff hat. Apropos Griff: Türgriffe gibt es nicht mehr, nur so Knöpfchen. Drückt man eines, dann springt die Tür auf. Das sieht ganz adrett aus, funktioniert auch gut unter der kalifornischen Sonne – ob es dann auch im Winter in den Bergen etwas taugt, wird sich noch weisen. Etwas eigenartig: an den beiden vorderen Türen hat es einen winzigen Kleiderhaken, aussen.
Der Macky steht auf einer komplett neuen Plattform mit einem komplett neu entwickelten Antrieb. Es gibt verschiede Versionen, einmal etwas weniger Batterie (75,7 kWh), einmal reichlich Batterie (98,8 kWh). Es gibt das SUV nur mit Heckantrieb (ein Elektro-Motor hinten) – oder dann mit Allradantrieb (je ein E-Motor hinten und vorne). Es gibt verschiedene Leistungsstufen, 258 PS, 285 PS, 337 PS, 456 PS, entsprechend sind auch die Angaben für das maximale Drehmoment (bis 830 Nm) und die Fahrleistungen (der GT geht in weniger als 4 Sekunden von 0 auf 100/h). Ganz wichtig nun: die Reichweite. Und da spricht Ford ein grosses Wort ganz gelassen aus: bis zu 600 Kilometer nach WLTP. Da wird die Konkurrenz dann zuerst einmal leer schlucken. Das Gewicht mag Ford noch nicht offiziell kommunizieren, doch man hört, dass die schwächste Version 1,9 Tonnen schwer sein soll (ein guter Wert!) und heftigste dann gut 2,2 Tonnen. Wie bei den meisten anderen E-Dings auch gibt es 8 Jahre Garantie auf die Batterie (die übrigens von LG stammt); Laden ist mit bis zu 150 kW möglich. Und Ford hat sich erfreulicherweise schon im Voraus dazu viele Gedanken gemacht, wird eine günstige Ladestation für daheim anbieten (inkl. Montage – falls man in den jeweiligen Ländern die richtigen Partner dafür findet) und arbeitet zudem mit Ionity zusammen.
Die günstigste Version, also kleinere Batterie und Heckantrieb, wird in der Schweiz ab 49’560 Franken zu haben sein; grosse Batterie und Allradantrieb kosten mindestens 73’590 Franken (die GT-Varianten werden später nachgereicht). Damit wird der Ford, der deutlich grösser ist und mehr Reichweite hat, preislich nur knapp über seinen koreanischen Konkurrenten von Hyundai und Kia liegen, mit dem günstigste Model 3 gibt es quasi ein Unentschieden. Die stärkeren Mach-E-Versionen, die in Sachen Reichweite ziemlich alleine dastehen, sind deutlich günstiger als die so genannten Premium-Produkte von Audi, Mercedes, Jaguar und Porsche – bei Tesla wartet man gespannt auf das Model Y. Doch wenn Ford wirklich liefern kann (und davon wollen wir doch gerne ausgehen), dann hat sich mit dem «Macky» ein doch eher überraschender neuer Player in den Vordergrund gespielt. Ob jetzt Mustang oder nicht so, das ist dann auch nicht mehr wichtig.
Ach ja, «radical» durfte kurz mitfahren, aber grossartige Erkenntnisse brachte das auch nicht, ausser vielleicht: das Fahrverhalten scheint ein guter Kompromiss aus Komfort und Sportlichkeit (Mustang!) zu sein, im Slalom wankte er nicht wie andere SUV. Mehr Ford haben wir in unserem Archiv.
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