Astra Coupé
Von einem anderen Planeten
Man muss sich vor Augen führen, was es sonst so gab 1953. Mercedes hatte gerade den W187 eingeführt, der aussah wie ein Vorkriegsauto, bei BMW waren die 501/502 der Gipfel, zu Recht als Barockengel bezeichnet; Audi gab es damals noch gar nicht. Aber auch bei den Italienern war noch nicht viel los, die Ferrari 225S wurden von Touring und Vignale zwar nett eingekleidet, aber so richtig fortschrittlich war das in Sachen Design auch noch nicht, Fiat hatte weiterhin den Topolino im Angebot – das optisch wohl aussergewöhnlichste Fahrzeug jener Jahre war der C52 Disco Volante von Alfa Romeo. Und dann kommt der Amerikaner Jay Everett und haut das Astra Coupé raus.
Everett, der später ein gefragter Modell-Bauer wurde und unter anderem die Michelob-Bierflasche entwarf, war gerade einmal 25 Jahre alt, als er seinen Entwurf im Petersen Museum in Los Angeles vorstellen durfte. Zwei Jahre hatte er an diesem Entwurf gearbeitet, und obwohl er ihn selber als «Custom» bezeichnete, war der Wagen eine komplette Eigenkonstruktion, die Everett auf einen eigenen Rohrrahmen stellte. Als Antrieb diente ein 303-ci-Oldsmobile-V8, auch andere technische Komponenten entnahm er zeitgenössischen Oldsmobile; die Frontscheibe entstammte einem 52er Cadillac. Der erste Entwurf verfügte noch über einen Frontgrill, der selbst aktuelle BMW- und Lexus-Modelle neidisch machen würde, die hier gezeigte endgültige Version des Astra Coupé aus dem Jahre 1955 war da moderater – und noch schräger zugleich. In Sachen Fussgängerschutz hätte das Coupé wohl kaum einen Preis gewonnen, die vielen Kanten waren so scharf wie Rasierklingen.
Auch wenn das Astra Coupé ein Einzelstück blieb, so hatte das Fahrzeug doch eine grosse Bedeutung, nicht nur, weil das Design so aussergewöhnlich war. Nachdem Everett es gewagt hatte, ein «komplettes» Fahrzeug umzubauen und das auch von allen amerikanischen Fach-Magazinen gewürdigt worden war, brachen in der US-Custom-Szene alle Dämme, nichts war mehr heilig. 2010 war das Astra Coupé nach einer sehr aufwendigen Restauration von RM Auctions noch für gerade einmal 60’500 Dollar versteigert worden (Bilder oben); nach einen Auftritt beim Concorso d’Eleganza in Villa d’Este (gemeldet vom Österreicher Franz Millneritsch) dürfte sich der Wert vermehrfacht haben (Bilder unten).
Oh ja, das Astra Coupé gehört unbedingt in unsere Reihe der «Aussergewöhnlichen». Mehr interessante Klassiker gibt es immer in unserem Archiv.
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