Peugeot 403
Weltenbummler
Er war der erste globale Megastar der Löwenmarke, ein weltweit verkauftes Mittelklassemodell, mit dem Peugeot der Schritt zum ganz grossen Volumenhersteller gelang: Mit über 1,2 Millionen verkauften Einheiten wurde der Peugeot 403 als erste Baureihe aus Sochaux Mitglied im damals noch elitären Club der Produktionsmillionäre. Erheblich zu diesem Erfolg beitragen konnte ein ab 1959 angebotener, 48 PS starker 1,8-Liter-Dieselmotor, der nicht nur Taxifahrer und berufliche Vielfahrer begeisterte. Pionierarbeit leistete dieser erste französische Grossserien-Selbstzünder auch in den besonders familienfreundlichen Kombiversionen des Peugeot 403. Hinzu kam die damals fast konkurrenzlos grosse Karosserievielfalt der Baureihe 403, die in rund einem Dutzend unterschiedlicher Versionen angeboten wurde und die überdies als Basis diente für verschiedene exklusive Kleinserien-Coupés renommierter Carrossiers. Von der Fachwelt gefeiert wurde allerdings vor allem die distinguierte Formensprache der 403 Limousine, deren hochmoderne Pontonlinien das italienische Designstudio Pininfarina in Kooperation mit Peugeot gezeichnet hatte. Tatsächlich markierte der von Presse und Publikum als stilprägend bewertete Peugeot 403 den Beginn einer jahrzehntelangen kreativen Zusammenarbeit zwischen dem Peugeot Centre de Style und Pininfarina. Zu einem Massstab seiner Klasse wurde das damals grösste Peugeot Modell aber auch durch eine aussergewöhnlich gute Produktqualität, die sich in geringen Mängeln und hohen Restwerten der Gebrauchtwagen spiegelte.
Tatsächlich war es genau jene legendäre Robustheit, die dem 403 ein filmisches Denkmal setzte, das dem Peugeot bis heute weltweiten Kultstatus bei TV-Zuschauern sichert. Ist es doch vor allem das betagte und dennoch einsatzbereite Cabriolet des amerikanischen TV-Inspektors Columbo, an das nicht nur Autofans denken, wenn der Name Peugeot 403 fällt. Mit seinem einzigartigen Cabrio-Charme überlagert dieser automobile Hollywood-Star sogar die meisten der über 700 weiteren Filmauftritte von Peugeot 403 in allen Karosserieformen. Darunter fünf- bis sechssitzige Limousinen, Cabriolets wahlweise mit Stoffverdeck oder Hardtop, fünfsitzige Kombis, Familiale-Kombis mit sieben bis acht Sitzen, zweitürige Lieferwagen, Commerciale-Transporter, Pick-ups und Fahrgestelle mit Sonderaufbauten wie Krankenwagen oder Kastenwagen. Werden die unterschiedlichen Motorisierungen mitberücksichtigt, konnten die Käufer des Peugeot 403 zwischen 51 Typen wählen – eine in den 1950er Jahren beinahe konkurrenzlose Vielfalt für ein modernes Fahrzeugmodell mit selbsttragender Karosserie.
Wobei der Peugeot 403 allerdings ein ganz besonderes Fahrzeug war – sogar in den Augen amerikanischer Autokäufer und Fachleute. Letztere erklärten den 403 zu einem der sieben «Best made cars in the world». Ein Urteil, auf das Peugeot in einer amerikanischen Anzeigenkampagne Bezug nahm, wurde der 403 in den USA doch über immerhin 422 Händler vermarktet. Mögliche Bedenken bezüglich der Lebenserwartung des französischen Fahrzeugs wusste die Peugeot-Werbung mit zwei ebenso überraschenden wie überzeugenden Argumenten auszuräumen: Das älteste noch im Einsatz befindliche Fahrzeug in den USA sei ein Peugeot von 1891 – und der jährliche Reparaturkostenaufwand für einen Peugeot 403 habe zuletzt gerade einmal 6,50 Dollar für Teile und Arbeitslohn betragen.
Auch in Frankreich lagen die Wartungskosten und die Garantieaufwendungen für den 403 deutlich unter den Kosten wichtiger Wettbewerber. Allerdings war der Peugeot von Anfang an mit dem Qualitätsanspruch entwickelt worden, besser zu sein als die Konkurrenz. Deshalb wurden die Fahrzeuge auf eine Gesamtlaufleistung von 300’000 oder 400’000 Kilometern ausgelegt, in jener Zeit vollkommen aussergewöhnlich. Dies galt auch für ganz auf Qualität ausgerichtete Fertigungsprozesse, bei denen beachtliche zehn Prozent des Personals für ständige Qualitätskontrollen eingesetzt wurden. Ein Einsatz, der sich lohnte, denn die Solidität des Peugeot 403 wurde zu einem der wichtigsten Verkaufsargumente und das sogar in Afrika, Australien und Südamerika.
Als härtestes Testfeld für den 403 nutzte Peugeot von Beginn an den Motorsport, dies auch mit privaten Rennteams. Gleich im ersten Produktionsjahr erzielte der scheinbar unzerstörbare Peugeot 403 einen spektakulären Rallye-Klassensieg beim Round Australia Trial, gefolgt von Klassenerfolgen in Madagaskar, an der Elfenbeinküste und von Siegen bei europäischen Rallyes. Nicht zu vergessen ein Podiumsplatz bei der East African Safari 1958. Erfolge im Rallyesport brachten den Peugeot nicht nur in die Schlagzeilen, sondern auch in die Verkaufscharts. In Afrika bereitete der 403 den Boden für das ab 1960 eingeführte Nachfolgemodell 404, mit dem Peugeot vorübergehend Marktführer auf diesem Kontinent wurde. Dagegen erfolgte in Australien und in Argentinien sogar eine Montagefertigung des 403.
Für flotten und effizienten Vortrieb im Peugeot 403 sorgte zunächst ein 58 PS starker und laufruhiger 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner. Als Peugeot den 403 im Jahr 1959 mit neu entwickeltem, sogenanntem Schwerölmotor präsentierte, wurde dieser Diesel mit modernem Ricardo-Zylinderkopf anfangs von Kritikern skeptisch bewertet. Die rau laufenden und langsamen Diesel galten damals noch als Nutzfahrzeugantrieb. Eine Einschätzung, die sich mit Einführung des Peugeot 403 mit Selbstzündermotor rasch ändern sollte. Beeindruckten diese Diesel doch durch viel Drehmoment schon bei niedrigen Drehzahlen, autobahntaugliche Fahrleistungen und eine legendäre Zuverlässigkeit auch bei minderer Kraftstoffqualität – wichtig auf den afrikanischen Exportmärkten. Die eigentliche Trumpfkarte des Peugeot-Diesels war natürlich der Verbrauch, der mit sieben bis acht Liter auf 100 Kilometer bis zu 40 Prozent niedriger lag als beim Benziner. Weshalb die Nachfrage nach dem 403 Diesel anfangs die Lieferkapazitäten überstieg: Schon nach sechs Monaten waren von den insgesamt 12’000 Pariser Taxis 2500 durch neue Peugeot-Diesel ersetzt worden – der Anfang eines regelrechten Diesel-Booms, den der im Jahr 1963 nachfolgende Peugeot 404 Diesel nochmals beschleunigte. In den folgenden Jahren stieg Peugeot auf zum grössten Dieselmotorenhersteller der Welt, der zwischenzeitlich sogar sechs andere Marken mit Selbstzündern aus einem neu eingerichteten Motorenwerk in Lille belieferte.
Eine kontinuierliche Modellpflege hielt den Peugeot 403 insgesamt zwölf Jahre aktuell, bis am 28. Oktober 1966 die letzte Limousine in einem Festakt verabschiedet wurde. Ein Jahr später endete auch die Produktion des 403 Pick-up, zu diesem Zeitpunkt lief die Fertigung des Nachfolgers 404 bereits seit über sieben Jahren. Und heute? Natürlich sind die Cabrios gefragt – und auch ziemlich teuer. Aber gerade in Frankreich gibt es noch viele gute Exemplare, auch vom begehrenswerten Kombi – zu sehr vernünftigen Preisen.
(Dieser Text stammt von Peugeot. Aber es wäre schade, wenn er ungelesen in den Tiefen der Schubladen oder des Internet verschwinden würde. Mehr alte Peugeot gibt es in unserem Archiv.)
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