Volvo PowerPulse
Das laue Lüftchen
Der Erfindergeist kennt keine Grenzen. Auch in Schweden nicht. So nutzt man bei Volvo neuerdings einen soliden Schuss komprimierter Luft um der Drehmomentwelle unter die Arme zu greifen und dem D5-Diesel das Turboloch auszutreiben.
Die PowerPulse genannte Technik ist eine vergleichsweise simple Lösung – allerdings nicht im Sinne von einfach, was schon die hohe Zahl der darauf angemeldeten Patente zeigt. Es ist ein effizientes System, zugleich kosteneffektiv – gerade im Vergleich zu den Lösungen der Konkurrenz. Es braucht kein 48V-Bordnetz und keine komplexen Elektrolader um die großen Abgasturbolader bei niedriger Motordrehzahl ins Arbeitsfenster zu bringen.
Im Gespräch mit dem Leiter der Powertrain-Entwicklung, Fredrik Ulmhage, schwingt ein gewisser Stolz mit, wenn er davon spricht, wie sie das gesamte System in Eigenregie entwickelt haben. Kein Zukaufteil eines Zulieferers, kein Baukasten-Puzzlestück, das sich in Kürze flächendeckend finden lässt. „Wir haben etwas gebraucht um unsere Vierzylinder-Strategie im oberen Leistungssegment zu unterstützen. Jede Verzögerung im Ansprechverhalten mussten wir eliminieren, den Turbo ans Laufen bringen, bevor der normal dazu nötige Abgasdruck anliegt“, so Ulmhage.
Zwei Liter Luft
Prinzipiell drückt das System komprimierte Luft in den Abgaskrümmer, sobald der Fahrer bei niedriger Drehzahl aufs Gaspedal steigt. Innerhalb von Millisekunden drehen die Turbolader dadurch auf Nenndrehzahl. Der Luftvorrat reicht für zwei direkt aufeinanderfolgende Beschleunigungsmanöver aus, ein dritter ist nach einigen Sekunden Pause möglich. „Unsere Tests haben gezeigt, dass im realen Fahrbetrieb praktisch niemand drei Mal nach einander derart niedertourig beschleunigt“, erklärt Ulmhage die Auslegung des Systems. Ein zwei Liter fassender Drucktank wird von einem kleinen Kompressor mit 12bar Druck beaufschlagt und ein Magnetventil steuert die Abströmung der Druckluft in den Abgaskrümmer.
Mit diesem Druck können die beiden BorgWarner-Turbinen, das kleine Laderrad misst dabei 38mm im D5, das große 53mm, innerhalb von 0.3 Sekunden auf 150.000 Umdrehungen beschleunigt werden. Zum Vergleich: der 48 Volt-EAV (wunderbar ingenieursdeutsch abgekürzt für: „elektrisch angetriebener Verdichter“) von Audi benötigt 0.25 Sekunden um auf 70.000 Touren zu beschleunigen.
„Vergleichsmessungen haben gezeigt, dass der PowerPulse D5 mit seinen 235PS und 480Nm aus dem Stillstand auf den ersten 50-60m sogar die Sechszylinder-Diesel der Konkurrenz hinter sich lässt,“ versucht Ulmhage den Verzicht auf größere Motoren kleinzureden. Das Problem dabei: grau ist alle Theorie.
Denn: wir haben es schlicht nicht bemerkt. Der Volvo V90 kann als D5 AWD so ziemlich alles – nur wahnsinniges Beschleunigen gehört nicht zu seinen Talenten. Klar, über 2000 Kilogramm Lebendgewicht, dazu eine solide Kühlerkante im Wind, da kommt man nicht unter die sieben Sekunden von 0 auf 100km/h. Doch warum der Aufwand für eine Turboloch-Zuschüttung, wenn der Aisin-Automat sowohl mit dem Wandler schlupft, als auch dann noch einige Bedenkzeit zum Sortieren der acht Gänge braucht?
Im Dynamic-Modus funktioniert das alles etwas besser, doch auch nur da und im Alltag ist man eher selten mit den sperrigen Dämpfern des Luftfahrwerks unterwegs und auch das hohe Drehzahlniveau des Motors ist auf Dauer eher unpassend zum Charakter des großen Volvos. Auf Comfort, in großer Fahrt auf der Autobahn, wenn man zügig am Vordermann vorbeiziehen mag, da braucht er dann trotz PowerPulse eine zu lange Weile.
Fazit:
Bei einem Auto, das mit über 100.000 CHF in der Preisliste notiert, dessen nominell 235PS von souveränder Antriebskraft künden, wirkt es dann trotz Drucklufteinblasung etwas, nun ja: lau.
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