Dacia 2017
Feinheiten
Kroatien ist ein schönes Land. Zwar kennen wir da sicher nicht alle landschaftlichen Schönheiten, aber so ein paar, und es ist uns immer wieder eine Freude, Neues zu entdecken. Diesmal war es Sibenik, da stören zwar ein paar furchtbare Plattenbauten das Bild, doch die Altstadt gehört zu den schönsten an der Küste Dalamtiens. Auch das Hinterland ist wunderbar, da gibt es etwa diesen Nationalpark am Fluss Krka, ganz schöne Orte, das Inselchen Visovac, etwas weiter hinten die Wasserfälle von Roski Slap. Wer da mal in der Nähe ist, sollte sich den Umweg unbedingt antun, es lohnt sich wirklich. Und dies noch aus einem anderen Grund: wunderbare, quasi verkehrsfreie Strassen gibt es dort auch. Zuhauf.
Man könnt ja jetzt meinen: schade eigentlich, dass «radical» für diese Gassen «nur» ein Dacia Sandero mit 75 Pferdchen zur Verfügung stand. Dem möchten wir widersprechen: wir hatten so richtig Spass. Es ist nämlich so richtig fröhlich, einen Wagen so komplett auszuwinden, alles aus ihm rauszuquetschen, auf der letzten Rille durch die Kurve, jeden Gang bis zum Begrenzer auszudrehen, massiv ins ABS hineinzubremsen. All das, was man mit diesen hyperpotenten Sportwagen längst nicht mehr kann (und darf). Und all das in Geschwindigkeitsbereichen, die wahrscheinlich auch für den Hütern der Gesetzestafeln noch vertretbar gewesen wären, also, so einigermassen. Aber es gab dort im Hinterland ja keine Freunde und auch keine Helfer…
Natürlich ist so ein Dacia Sandero jetzt nicht der ultimative Renner, auch wenn er grob geprügelt wird. Doch er macht das schon erstaunlich, sogar erfreulich gut. Alles im Rahmen seiner Möglichkeiten, selbstverständlich, doch man wird da auch keine unliebsamen Überraschungen erleben, abgesehen davon, dass er hinten schon etwas gar leicht wird, wenn man massiv auf der Bremse ist. Doch weil ein Sandero ja eigentlich nicht so bewegt wird und man, wenn eben doch, darauf gefasst ist, geht sich das gut aus. Einflüsse auf die Lenkung haben die 75 PS keine spürbaren, die Präzision bleibt gut, der Kraftaufwand hält sich in Grenzen. Zwar ist der Schaltstock antiquiert ellenlang, doch das macht dann halt auch Freud, mal wieder so richtig im Rührwerk rumzumachen; die Schaltwege sind sauber definiert. Das Fahrwerk, obwohl sicher auf der weichen Seitem erträgt viel, die Seitenneigung wird hoch, aber nicht bedrohlich, und auch die Wankbewegungen halten sich in Grenzen. Es ist wie bei so vielen Dingen im Leben: den Spass bereitet man sich selber, das Gerät dazu ist ja nur eine Prothese.
Der kleine 1,5-Liter-Vierzylinder ist eine der Neuerungen, von denen der Modelljahrgang 2017 von Dacia profitiert. Nicht alle Modelle, selbstverständlich, aber Sandero und so. Bei eigentlich allen Modellen gibt es gewisse Auffrischungen aussen und innen, neue Lampen vorne und hinten, eine deshalb anders gestaltete Front, doch man muss da schon ein Auskenner sein, um die Unterschiede zu erkennen. Im Innenraum sind die neuen Dacia aufgeräumt worden, vereinfacht, verfeinert, aber alles in einem vernünftigen Rahmen; die bestehende Kundschaft soll ja nicht überfordert werden und allfällige Neukunden nicht abgeschreckt. Ja, da ist viel, viel Plastik, und nein, das ist alles nicht so edel wie in einem Audi, doch das erwartet von Dacia ja auch niemand. Es sei der Renault-Tochter ein viel höheres Lob ausgesprochen: es ist das alles ausgesprochen praktisch. Alltagstauglich, auch mit Kindern. Weil es ganz viele Gimmicks gar nicht erst gibt – Ausnahme: eine Rückfahrkamera im Duster -, kann auch nichts kaputt gehen. Was ja dann wieder positive Auswirkungen auf die Anschaffungs- und Unterhaltskosten hat – und die haben beim Dacia-Fahrer sicher oberste Priorität.
Den gerade erwähnten Duster gibt es neu auch mit dem Doppelkupplungsgetriebe für den Diesel. Das ist prinzipiell eine gute Sache, die Kunden schätzen das sicher, doch: leider gibt es die Kombination EDC (so heisst das Ding bei Renault) und Diesel nicht mit 4×4. Für die Schweiz wäre genau das eine Erfolgsgarantie, doch – vorerst? – muss man halt mit dem Fronttriebler vorlieb nehmen. Der seine Sache ansprechend macht – ein wilder Hund wird der Duster damit zwar auch nicht, aber es muss ja noch Raum bleiben für all die SVR, G65 und M-tralala der Konkurrenz. In der Schweiz steht diese Antriebsvariante allerdings nicht einmal auf der Preisliste.
Man darf Dacia durchaus eine grosse Bewunderung entgegenbringen. Vor erst zwölf Jahren wurde die Marke neu lanciert, unterdessen hat sie über vier Millionen Fahrzeuge verkaufen können und ist in 44 Ländern weltweit präsent. Im Heimatland Rumänien ist Dacia schon lange Marktführer, doch unterdessen steht die Marke auch in Bulgarien und Marokko zuoberst. Bis Ende Oktober konnten die Rumänen ihren Jahres-Absatz weltweit um sechs Prozent steigern – in der Schweiz beträgt der Zuwachs 2016 gar stolze 44 Prozent, der Marktanteil liegt bei stolzen 2,3 Prozent, insgesamt 6392 Fahrzeuge wurden abgesetzt. Und ganz wichtig: Dacia braucht sich keine Sorgen um seine Zukunft zu machen, in ihrer gar nicht so kleinen Nische haben die Rumänen weiterhin keine Konkurrenz, die Produkte werden geschätzt und gelobt, das Verhältnis von Preis zu Leistung bleibt weiterhin vorbildlich. Und ja, manchmal fragt man sich schon, weshalb andere Automobile so viel teurer sein müssen.
Ob es jetzt die all die Neuerungen, diese Feinheiten, wirklich brauchte, das wissen wir auch nicht. Aber es gibt sie, und gut daran ist: die Dacia kosten deswegen nicht mehr. Der günstigste Sandero ist in der Schweiz ab 7900 Franken zu haben, dies mit dem neuen SCe-75-Motor. Hey, das ist das Preis für einen Neuwagen, nicht für einen abgehalfterten Gebrauchten. Schon ab 12’900 Franken gibt es einen Duster, und ja, der ist ein ganz anständiges, kompaktes SUV, bietet genügend Platz und durchaus standesgemässes Vorankommen. Wir mögen das Raumwunder Dokker gut, zu haben ab 9900 Franken – was will man eigentlich mehr? Oder: was braucht man wirklich?
Mehr Dacia haben wir in unserem Archiv.
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