Fahrbericht Suzuki Baleno
Sehr mild
Noch nicht lange ist es her, da wollte sich der Volkswagen-Konzern Suzuki einverleiben. Wolfsburg dachte, sich so Kleinwagen-Kompetenz zukaufen zu können, also etwas, was die Japaner können und die Deutschen halt nicht so. Suzuki wollte dann aber doch nicht deutsch werden – und hat sich dafür die grossartige Strategie «Suzuki Next 100» ausgedacht, die sich tatsächlich über die nächsten 100 Jahre erstrecken soll. Nun, wenn man rechtzeitig plant, dann hat man ja dann auch genügend Zeit, seine Ideen wieder anzupassen. Wie auch immer, die neue Strategie umfasst auch 20 neue Modelle bis 2020, das erscheint uns doch etwas realistischer. Zu diesen Neuheiten gehört auch der Suzuki Baleno, wobei: so neu ist er nun auch nicht mehr, in Indien ist er schon seit 2015 auf dem Markt und wird dort als «stylish hatchback with advanced technologies» gepriesen.
Indien ist ein gutes Stichwort. In Indien wird er auch gebaut, der Baleno, und es sei weder Suzuki noch Indien jetzt etwas unterstellt, doch: so ein bisschen merkt man das schon. In Sachen Design halten sich die Japaner da eher zurück – wenn man den Baleno mit anderen Kleinwagen-Neuheiten des Jahres 2016 vergleicht, dem Nissan Micra etwa, oder dem Citroën C3, dann wirkt er schon, schreiben wir einmal: puristisch. Andererseits macht wohl auch genau das einen Teil des Erfolges von Suzuki aus: die Kundschaft schätzt wahrscheinlich, dass sie all diese warme Luft aus den Design-Abteilungen nicht bezahlen muss. Praktisch sollen die Autos sein, denn dieser Zierkram kostet ja nur unnötig Geld. Andererseits, und das ist jetzt unsere ganz subjektive Meinung: so ein bisschen mehr Liebe zum Detail dürfte schon sein.
Leider gilt das auch für das Innenleben. Es mag ja technisch toll sein (und gut für die Marge), dass sich der gesamte obere Teil des Armaturenbretts aus einem einzigen Hartplastik-Teil giessen lässt, aber schön ist anders. Zwar ist der Touchscreen sauber integriert, es stimmt auch die Ergonomie, doch irgendwie erwartet man heute schon: mehr. Auch etwas Charme vielleicht, das eine oder andere etwas aussergewöhnlichere Detail. Wobei, und da sind wir wieder beim gleichen Thema wie oben: es gibt viele Kunden, die sehen das ganz pragmatisch, die brauchen diesen ganzen Schischi nicht. In Sachen reiner Funktionalität macht Suzuki auch beim Baleno einen ausgezeichneten Job, denn er bietet auf seinen 3,99 Metern Länge ein erstaunliches Mass an Raum. Die hinteren Passagiere dürfen sich über eine Kniefreiheit freuen, die selbst ein Segment höher selten ist. Und 355 Liter Kofferraum-Volumen gehören sicher in die Abteilung «best of class». Die Sitze hingegen eher nicht, zu wenig Seitenhalt, zu kurze Beinauflage.
Die pure Fahrfreud‘ versprüht der Suzuki ebenfalls nicht. Es gibt 2,5 Motor-Varianten, einen 1-Liter-Dreizylinder, der es mit Turboaufladung auf 111 PS bringt – und einen 1,2-Liter-Vierzylinder, der sich mit 90 PS begnügt. Als halbe Variante zählen wird beim Vierzylinder noch den «Mild Hybrid», der nicht zusätzliche Pferdchen entwickelt, sondern über einen integrierten Startergenerator als Elektromotor den beim Bremsen gespeicherten Strom zur Unterstützung des Motors beim Losfahren aus dem Stand und beim Beschleunigen (50 Nm zusätzlicher Schub) nutzt. Das System heisst SVHS, will «smart» sein – und schürte bei uns bei der Testfahrt den Verdacht, dass es nicht installiert war. Denn von den zusätzlichen Newtonmetern spürten wir: nichts. Was aber daran gelegen haben könnte, dass die 120 Nm der «normalen» Maschine auch mit 50 zusätzlichen Newtonmetern nicht wirklich überragend werden. An den Schweizer Bergen wird man wohl ziemlich häufig ins 5-Gang-Rührwerk greifen müssen, um den Baleno bei Laune zu halten. Das Getriebe, immerhin, ist gut abgestuft, auch die Wege sind sauber definiert.
Es ist ja nun nicht so, dass man solch einen 90-PS-Suzuki ganz wild durch die Ecken treiben möchte. Doch es geht erstaunlich gut, man muss ihn ordentlich treten, um ihn aus der Ruhe zu bringen. Überhaupt macht das Fahrwerk einen sehr ausgewogenen Eindruck, es ist auf der eher komfortablen Seite, schluckt unebene Gassen gut weg, neigt den Wagen auch nicht zu sehr zur Seite in den Kurven. Es sei die Behauptung gewagt, dass der Baleno problemlos noch ein paar Pferdchen mehr ertragen würde. Aber am Ende des Tages geht es ja auch um Abgasnormen, und da sieht der Japaner recht gut aus: die 4 Liter für den SVHS, die 4,2 Liter für den Vierzylinder und die 4,4 Liter für den Dreizylinder-Boosterjet mögen auf den Papier nicht überragend sein, aber der realität näher kommen als die Phantasiewerte gewisser Konkurrenten. Auch da ist Suzuki ganz pragmatisch – und das ist gut so. Fair.
Fair erscheinen auch die Preise: es gibt den Baleno ab 15’990 Franken zu kaufen, den sehr milden Hybrid gibt es ab 19’990 Franken, den modernen Turbo ebenfalls. Den Neid der Nachbarn wird man mit dem Suzuki zwar kaum wecken, aber es ist sicher nicht falsch, wenn es beim Kauf eines Automobils weniger auf das Image als mehr auf die Vernunft ankommt.
Mehr Suzuki haben wir nicht, aber andere Japaner und Kleinwagen gibt es bei uns im Archiv.
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