911R oder Grand Sport?
Fahrfreude
Ich weiß nicht unbedingt warum, aber so ein bisschen Enttäuschung war da schon, als er am Drehteller vor mir dann im Scheinwerferlicht rotiert ist. Der 911R – Reinkultur sagen sie bei Porsche. Ist er natürlich auch, die ganze Klaviatur haben sie reingepackt, sogar den ganz großen Motor an Stelle des 3.8ers, ein knackiges Sechsgang-Getriebe statt des normalen Siebeners, Pepita im Innenraum und den guten alten Schriftzug in Kontrastfarbe.
Ja, das ist geil, da gibt es nix. Aber warum muss er alt aussehen? Warum die alte Stoßstange, die alten Türen? Warum ein halbes Jahr nach der Modellpflege ein neues Modell in Vorgänger-Optik? Vor allem aber: warum denn diese Verknappung? 991 Stück. Für ein Auto, dass sie alle wollen. Und damit meinen wir wirklich: alle. Wir haben vor Monaten höchst selbst angefragt, ob denn ein Exemplar zu bekommen sei.
Natürlich nicht. 918 Stück waren quasi sofort weg, schließlich wollte ein jeder der 918 Spyder Kunden auch einen R haben. Der Rest ging dann meistbietend an weitere „sehr treue“ Kunden des Hauses. Intern hat Porsche übrigens 20 Kaufverträge verlost. Also: wer in der Mitarbeiterlotterie gewann, der durfte dann einen Kaufvertrag sein Eigen nennen, wenn er die knapp 190.000 EUR an den Arbeitgeber überwies.
Welche Blüten das treibt: es gibt derzeit einen (!) 911R im Handel. Er steht hier um die Ecke, in einem der feineren Stadtteile Frankfurts. Zwar nicht in der Garage, aber eben im Leitz-Ordner, als bestätigter Vertrag. Privatverkauf, ohne Steuer, Werksabholung Zuffenhausen. Für 745.000 EUR. Fragen? Eben. Keine.
Sie wissen zu gut was sie da tun in Zuffenhausen. Deshalb sicher auch die alte Optik. Es kommt einfach noch ein R, als Facelift dann. Oder mit einem anderen Namen. Ohne Dach vielleicht? Als Speedster. Roadster. Safari. Shooting Brake. Ihnen fällt etwas ein, da sind wir sicher. Und wir wollen es wieder alle haben, da sind wir auch sicher.
Nur: was ist mit denen, die einfach bloß fahren wollen? Fröhlich fahren, pur fahren, ohne Bevormundung. Aus der Freude an der Sache, nicht aus Freude an der Exklusivität des Erlebnisses? Mit denen, bei denen auch mal tote Fliegen auf der Scheibe kleben dürfen und der ein oder andere Bremsbelag verdampft auf der Felge seinen Niederschlag ablegen darf? Es bleibt die Röhre und der leere Blick hinein.
Es sei denn, man nimmt die Corvette Grand Sport. Wir wollen jetzt nix hören, denn wir haben es selbst oft genug erzählt. Das Ding ist ein Hammer. Die normale Serie schon, feinst. Als Z06 dann kaum zu bändigen. Und nun eben als „großer Sport“. Sie haben einfach der Großen den Lader abmontiert, es bleiben reichliche 460PS und auf Wunsch das volle Programm: Rennfahrwerk, Semis, Vollcarbon-Aero und eben das Schaltgetriebe.
Der Preis? Nicht annähernd so jenseitig wie bei dem Deutschen. Wir tippen auf um 100.000 EUR. Vor allem aber wird die Vette nicht limitiert sein. Und ein jeder der sie haben will, der darf. Und wer keine Neue braucht, der ist gebraucht in ein paar Jahren noch günstiger dran.
Dann, wenn die 911R endgültig unbezahlbar sind.
Im Sinne der reinen Kultur verliert der Porsche deshalb haushoch. Weil er ein Versprechen eingeht, dass er angesichts seines absurden Wertes gar nicht einlösen kann. Weil er niemals nie so rangenommen wird, wie es Lastenheft und Potential zuließen. Weil er vom Bandabgang an eine „garage queen“ sein wird. Die Grand Sport hingegen ist bloß eines: großer, ehrlicher Sport. So, wie es sein sollte.
fm/Bilder: Werk
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