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Ohne Kanten, aber mit Charakter: So will der neue Discovery Familienväter und Forscher beeindrucken

Published in motosound.de

Land Rover beamt die ewig Gestrigen in die Zukunft. Nachdem die Briten schon den Defender eingestellt haben, machen sie jetzt auch noch aus dem altertümlichen Discovery ein richtig modernes Auto: Wenn im April zu Preisen ab 50.500 Euro die fünfte Generation des Geländeklassikers in den Handel kommt, hat er mit dem Vorgänger auf den ersten Blick nicht viel mehr als den Namen gemein: Rund gelutscht und aus dem Leim gegangen, wird er zu einem unter vielen im weiten Feld der Family-SUV, der selbst Eigenheiten wie die geteilte Heckklappe einbüßt und statt der charakteristische Stufe im Dach nur noch eine kaum sichtbare Bügelfalte trägt. Doch bevor die Traditionalisten jetzt auf die Barrikaden gehen, gibt es nach der ersten Testfahrt Entwarnung: Die klassischen Kanten mögen zwar modischen Kurven gewichen sein, doch der Charakter ist noch immer derselbe.

Man sitzt viel aufrechter als in den meisten anderen Geländewagen und fühlt sich hinter dem riesig großen aber ungewöhnlich dünnen Lenkrad tatsächlich wie ein Entdecker auf dem Weg in neue Welten – selbst wenn man nur zwischen Wohnung und Büro pendelt. Wozu gibt es schließlich eine weiter verbesserte Terrain-Response, ein Menü im Bordcomputer, das einem Fahrzeugneigung oder Lenkeinschlag zeugt und natürlich den obligatorischen Allradantrieb, der CO2-Ausstoß hin und Flottenverbrauch her –anders als bei Evoque und Discovery Sport selbst für das Einstiegsmodell nicht zur Diskussion gestanden hat?

Das Fahrgefühl da oben auf dem Hochsitz ist irgendwie vertraut, weil dem Discovery nicht nur im Gelände kein Pfad zu schmal und keine Piste zu steinig ist . Sondern weil ihm auf der Straße jede Eile fremd ist, weil man den Bogen lieber etwas weiter zieht und weil man dieses Auto mit Weitblick bewegt. Und es ist trotzdem ganz neu, weil die kurvige Karosse viel leiser durch den Wind schneidet, die optionaleLuftfeder auch die gröbste Buckelpiste bügelt und weil der deutlich leichtere und flachere Discovery sich auch mit Kurven nun viel leichter tut.

Während er Forscher wie eh und je mit seinem Abenteuer- und Entdeckergeist ködert, hat er für den Kampf an der Familienfront vor allem das Format geändert: Er wird flacher und schmaler, geht dafür aber deutlich in die Länge: Der Radstand wächst um vier Zentimeter auf 2,92 Meter und statt 4,83 misst er nun 4,97 Meter. Das schafft innen noch mehr Platz nicht nur für Kind und Kegel. Sondern in der dritten Sitzreihe können dank der um 16 Zentimeter verschiebbaren Mittelbank jetzt auch Erwachsene halbwegs bequem auf Reisen gehen, und wem die 258 Liter Kofferraum hinter der dritten oder die 1231 Liter hinter der zweiten Reihe nicht reichen, der kann den Kofferraum auf nahezu konkurrenzlose 2 500 Liter erweitern. Und dazu gibt es so viele Ablagen und Staufächer hinter allen erdenklichen Konsolen bis hin zum Wandschrank hinter der Klimazentrale, dass man sich im Discovery nach ein paar Kilometern wohnlicher eingerichtet hat als in einem Ein-Zimmer-Appartement.

Aber nicht nur die Form hat sich beim Generationswechsel radikal verändert. Auch bei der Technik machen die Briten einen riesigen Sprung: Genau wie zuletzt der Range Rover zieht der Discovery um auf eine neue Aluminium-Plattform und bekommt eine Leichtbau-Karosserie, mit der das Gewicht im besten Fall um knapp zehn Zentner sinkt. Das erhöht Fahrspaß und Agilität und senkt zugleich den Verbrauch. Der geht für die Basismotorisierung auf 6,0 Liter zurück und liegt damit auf einem vom Discovery noch nie erreichten Niveau,

In Fahrt bringen den Geländegänger dabei die bekannten Ingenium-Motoren. Los geht es mit einem Zweiliter-Diesel, den es mit vermutlich eher freudlosen 180 PS und völlig ausreichenden 240 PS gibt. Zumindest, solange man gemütlich im Verkehr mitschwimmt, ist der Motor mit seinen imposanten 500 Nm und einem Normverbrauch von 6,3 Litern ein ebenso leiser wie sparsamer Dauerläufer, mit dem man von Augsburg bis nach Afrika durchfahren könnte. Nur beim Überholen braucht man ein bisschen mehr Atem und bei 207 km/h ist schon wieder Schluss. Aber für engagiertere Entdecker gibt es ja auch noch den V6-Diesel mit 258 PS und 600 Nm, und für die Benzin-Fraktion haben die Briten einen drei Liter großen V6-Motor mit 340 PS und 450 Nm in Petto, mit dem das Spitzentempo auf 215 km/h steigt. Nur über alternative Antriebe verliert Land Rover noch kein Wort.

Neue Zeiten brechen auch im Innenraum an: Vom „digitalen Discovery“ ist die Rede, wenn die Entwickler über den großen, frei konfigurierbaren Touchscreen mit Online-Navigation und App-Store sprechen oder vom Activity Key, mit dem man die Schüsselgewalt auf ein wasserdichtes Armband übertragen kann, wenn sie vom WLAN-Hotspot für bis zu acht Endgeräte schwärmen oder die Zahl der Steckdosen aufzählen wie früher die Ablagen. Nicht umsonst haben sie neun USB-Buchsen und sechs 12-Volt-Anschlüsse im Innenraum verteilt. Dazu gibt es Sitzheizung auf allen Plätzen und als Geheimwaffe im Kampf um die Generation iPhone eine App, mit der man die Sitze im Auto sogar vom Bildschirm des Handys aus umlegen kann. Klingt albern, ist aber gar nicht so unpraktisch, wenn man im Laden an der Kasse steht, mal wieder ein bisschen mehr eingekauft hat und auf dem Parkplatz nicht lange sein Auto umbauen möchte.

Obwohl der Discovery sich mit dem Generationswechsel mehr denn je auf den Alltag der Digital Natives einlässt und sich mit seiner Rolle als Familienkutsche für die Großstadt anfreundet, behält er seine Abenteurer-Allüren. So macht die Luftfederung mit einer automatischen Absenkung um vier Zentimeter nicht nur den Einstieg leicht, sondern kann den Wagen zum Kraxeln auch um bis zu acht Zentimeter anheben. Wattiefe und Böschungswinkel sind so konkurrenzlos wie die Anhängelast. Und wenn die All Terrain Progress Control wie ein Offroad-Tempomat alle Abenteuer-Assistenten auf Ankommen programmiert, kennt der Disco kein Halten mehr und die Party in der Pampa kann steigen. Kein aktueller Geländewagen diesseits von G-Modell, Wrangler oder Land Cruiser dürfte weiterkommen, zumal der Defender als einzig legitime Referenz ja seit dem letzten Jahr nicht mehr produziert wird.