Roadtrain aus Robo-Trucks: So macht Mercedes Schluss mit dem Stau
Bislang kennt man die Roadtrains vor allem von Abenteuerreportagen aus Australien. Doch wenn es nach den Managern bei Mercedes geht, wird es diese endlos langen Lastwagen bald auch bei uns geben. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Während Down Under einfach immer mehr Anhänger hintereinander gekoppelt werden, wollen die Schwaben komplette Trucks wie an der Perlenschnur aufreihen. Statt einer mechanischen Deichsel setzen sie auf eine elektronische Verbindung zwischen den Fahrzeugen. Und wo in Australien bislang noch immer ein Trucker am Steuer sitzt, hat bei Actros & Co künftig der Computer das Sagen. Das zumindest ist die Vision, mit der Truck-Vorstand Wolfgang Bernhard jetzt in Düsseldorf auf der A 52 zum ersten Mal ein so genanntes Truck-Platoon aus drei Sattelzügen mit Straßenzulassung auf Testfahrt geschickt hat. Damit versprechen sich die Entwickler vor allem weniger Verbrauch, eine effizientere Nutzung der Verkehrsfläche und mehr Sicherheit.
Neu ist die Idee von der elektronischen Deichsel zwar nicht. Doch wenn man Mercedes glauben schenken möchte, wird sie jetzt zum ersten Mal wirklich greifbar. Möglich macht das der so genannte Highway Pilot, mit dem die Schwaben seit dem letzten Herbst auf öffentlichen Straßen den autonomen Lkw-Verkehr erproben. Auf Autobahnen und anderen gut ausgebauten Strecken übernimmt er mit seinen Kamera- und Radarsensoren die Lenkung, regelt Abstand und Tempo und ermöglicht dem Fahrer längere Ruhephasen, in denen er entspannen, Planungs- oder Verwaltungsaufgaben erledigen kann. Für die autonomen Platoons rüstet Mercedes den Assistenten mit einem WLAN-Modul zum „Highway Pilot Connect“ auf, der sich über eine gesicherte Datenverbindung mit anderen Fahrzeugen austauscht und so die Roadtrains der Robo-Trucks ermöglicht.
Mit diesem „Highway Pilot Connect“ rücken die Laster deutlich näher zusammen und fahren künftig mit 15 statt 50 Metern Abstand. Das hat vor allem zwei Vorteile, sagen die Entwickler: Die Länge des Zuges schrumpft von 150 auf 80 Meter, so dass die Kapazität der Autobahn wächst. Zugleich geht ähnlich wie beim Windschattenfahren auf dem Fahrrad der Luftwiderstand zurück und senkt den Verbrauch um sieben Prozent. Damit würden Verbrauchswerte von 25 Litern für einen beladenen 40 Tonnen greifbar, sagt Bernhard und rechnet das auf 0,66 Liter oder einen CO2-Ausstoß von 13,3 g/km pro Tonne herunter – ein Wert, von dem Pkw-Entwickler nur Träumen könnten. Ein größeres Unfallrisiko sei mit den kürzeren Abständen nicht verbunden. Im Gegenteil, beruhigen die Entwickler. Während der Fahrer eine Reaktionszeit von 1,4 Sekunden habe, könne der Highway Pilot Gefahrensituationen binnen 0,1 Sekunden erkennen und an das folgefahrzeug melden. So gehe das Risiko von gefährlichen und stauträchtigen Auffahrunfällen deutlich zurück, argumentieren die Entwickler.
„Durch die vernetzte Kommunikation des Lkw mit anderen Fahrzeugen und seiner Umwelt verbessern wir den Verkehrsfluss und reduzieren Kraftstoffverbrauch und Emissionen“, sagt Entwicklungschef Sven Ennerst:„ Gleichzeitig tragen intelligente Lkw dazu bei, die Zahl der Verkehrsunfälle zu senken. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt auf unserem Weg zum unfallfreien Fahren.“
Bis die computergesteuerten Koppelverbände über die Autobahn rollen, wird es allerdings noch ein wenig dauern, bremst Daimler voreilige Erwartungen. Zwar hat Bernhard gerade eine 500 Millionen Euro schwere Investitionsinitiative angekündigt, mit der Mercedes den Truck ins Internet bringen und mit der vollständigen Vernetzung die digitale Revolution des Nutfahrzeugs vorantreiben will. Und wohl noch vor dem Ende des Jahrzehnts geht zumindest der Highway Pilot im einzelnen Fahrzeug in Serie. Doch bis wann die Technik für die Patoons steht und auch der juristische Rahmen definiert ist, da will sich in Stuttgart lieber noch niemand festlegen.