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Die Genossin Minister und das Sternenschiff

Published in fünfkommasechs.de
Daß ihr der Dienstwagen entwendet wurde (und inzwischen ja wieder aufgetaucht ist), daran trägt die Bundesministerin Schmidt nur mittelbar Schuld. In erster Linie liegt es natürlich in der Verantwortung des Chauffeurs, den Zugangsschlüssel eines “S-Guard” nicht achtlos im Hotelzimmer liegen zu lassen. Ganz nebenbei: die Limousine kostet entgegen oberflächlicher Recherchen von Spiegel Online auch nicht bloß “100.000 Euro”, sondern allein der Gebrauchtwagenwert dürfte sich...

Daß ihr der Dienstwagen entwendet wurde (und inzwischen ja wieder aufgetaucht ist), daran trägt die Bundesministerin Schmidt nur mittelbar Schuld. In erster Linie liegt es natürlich in der Verantwortung des Chauffeurs, den Zugangsschlüssel eines “S-Guard” nicht achtlos im Hotelzimmer liegen zu lassen. Ganz nebenbei: die Limousine kostet entgegen oberflächlicher Recherchen von Spiegel Online auch nicht bloß “100.000 Euro”, sondern allein der Gebrauchtwagenwert dürfte sich dank des kleinen Ausstattungs-Extras “Werkspanzerung der Widerstandsklasse B6/B7″ eher auf das Doppelte summieren - aber das nur nebenbei.

Die eigentliche Pointe im großen Sommertheaterstück um die Genossin Minister, die sich unbedingt eine knapp drei Tonnen schwere gepanzerte Luxuslimousine in den Urlaub hinterherschicken lassen mußte, findet sich im Kontext zur bisherigen Vita der Sechzigjährigen:

Aus Wikipedia: “Da sie sich als Angehörige der Studentenorganisation des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) weigerte, eine Verpflichtungserklärung auf das Grundgesetz zu unterschreiben, fiel sie unter den Radikalenerlass und wurde nicht in den Schuldienst übernommen. Sie arbeitete dann als Assistentin der Geschäftsführung im Aachener Kaufhaus Woolworth.”

Als ob in diesen zwei aufeinanderfolgenden Sätzen nicht alleine schon das ganze Pharisäertum und die Schizophrenie der Generation ‘68 offenbar würde, stößt das Augenmerk in diesen Tagen insbesondere auf jenes kleine biographische Detail, das sich bei Ulla Radermacher (später Schmidt) gleich zu Anfang ihres langen Marsches durch die Institutionen findet. Nämlich daß sich die frisch gebackene Pädagogin nicht im Stande sah, eine simple “Verpflichtungserklärung auf das Grundgesetz” zu leisten (welches ihr als Kommunistin damals offenbar so zuwider war, daß sie spontan lieber der Geschäftsführung eines urkapitalistischen, amerikanischen Kaufhauskette assistierte), um dann Jahrzehnte später kein Problem damit zu haben, gleich dreimal hintereinander den Eid auf die deutsche Verfassung zu leisten und so als eines von vielen  linken Regierungsmitgliedern mit “systemkritischen” Wurzeln unter anderem in den kostenfreien Genuß einer luxuriösen Sternensänfte zu kommen.

Dieses Beispiel spricht sicher nicht für die Charakterstärke unserer ach-so-glorreichen Reformer der Sechziger Jahre, eindeutig aber für die Qualitäten der automobilen Sonderklasse, die früher oder später jeden Menschen restlos zu begeistern weiß. Sogar so sehr, daß man dann doch lieber mit dem System paktiert, gegen das man dereinst so vehement kämpfte. Frei nach dem Kabarettisten Vince Ebert: “Kapitalismus ist so ähnlich wie Sex. Selbst wenn er schlecht ist, ist er immer noch besser als überhaupt keinen zu haben”. Insofern ist Ulla Schmidt aufgrund ihrer freimütigen Wandlung von der Fünften Kolonne zur Fünften S-Klasse-Generation nur zu beglückwünschen!
Und bei allem Skandal um die Spanien-Odyssee des großen Mercedes (der ihr theoretisch durchaus auch im Urlaub zusteht) soll doch ein rührender Beweis von sozialistischer Herzenswärme in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: auf ausdrückliche Erlaubnis der Genossin Minister durfte der Filius des Chauffeurs im großen S-Guard gleich mit in den Süden reisen!

Leser von fuenfkommasechs.de wissen, wie prägend solche Erfahrungen in der Kindheit und Jugend sein können. Gerade eine so lange Strecke im beeindruckendsten und feinsten, was Stuttgart in Sachen Mobilität zu bieten hat, dürften für unauslöschliche Erinnerungen bei jenem glücklichen Teenager sorgen - insbesondere nach einem so breiten wie unvergesslichen Medienecho. Wir können also davon ausgehen, daß durch Ulla Schmidts großzügigen Umgang mit Chauffeur und dessen Familienangehörigen mindestens ein neuer zukünftiger S-Klasse-Fahrer zum Fan der Marke und des Modells erzogen wurde. Wenn der W221 dereinst dem H-Kennzeichen entgegenschaut, wird dieser dann nicht mehr ganz so junge Mann längst einen davon als Liebhaberstück in seiner Garage horten und seinen eigenen Kindern phantastisches aus der goldenen Zeit der großen Regierungslimousinen zu erzählen wissen.

Danke, Ulla!


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