Du wolle verkaufe die Auto?
Daß man mit einem betagteren Fahrzeug auch vermehrt Visitenkarten vom Fähnchenhändler in der Fahrertür stecken hat, ist normal, wenn auch doppelt ärgerlich: erstens vernarbt es auf Dauer die Fensterschachtleiste, zweitens beleidigt es all jene, die ihr geliebtes Traumauto auf gar keinen Fall als handelbaren Gebrauchsgegenstand sehen möchten.
Doch höchstpersönlich im zähfließenden Feierabendverkehr zum orientalischen Verkaufsgespräch eingeladen zu werden, ist da nochmal was ganz anderes. So ist es mir gestern passiert. Rechts neben mir fließt gerade die Blechlawine auf der Abbiegespur ab, da sehe ich aus dem Augenwinkel, wie ein Golf längsseits kommt, anhält und hupt. Hinter ihm beginnen die Leute unvermittelt ebenfalls zu hupen, weil die sicher gerne noch die Grünphase genutzt hätten.
Ein etwa vierzigjähriger Südländer mit Bluthochdruck beugt sich heraus. Ich betätige ahnungsvoll den Fensterheber der Beifahrerseite. Das laute Hupen der anderen Rechtsabbieger dringt unangenehm laut in den Salon. Der Nebenmann schreit herüber: “Chef, Du wolle verkaufe die Auto?” Ich bin perplex, schüttele mit offenem Mund den Kopf und fahre die Scheibe wieder hoch. Es wird wieder ruhiger im mobilen Wohnzimmer. Der Typ draußen wirkt, als hätte ich gerade einen unterschriebenen Kaufvertrag über “1000 Euro letzte Preis” vor seinen Augen zerissen, entscheidet sich nach gefühlten zwanzig Sekunden dann aber endlich, die Blockade der Abbiegespur aufzugeben und huscht schließlich als letzter noch bei dunkelgelb über die Ampel, sehr zur “Freude” der Nachfolgenden, die nun entnervt vor der roten Ampel aufrücken.
In meinem Rückspiegel funkelt die tiefstehende Sonne durch das elektrische Heckrollo, die Klima-Automatik rauscht leise vor sich hin, im Radio spielen sie Fingerschnipsmusik und ich puste einen Staubfussel von der Edelholzplatte der Mittelkonsole, während ich die Blicke der Autofahrer neben mir spüre. Meine Ampel wird grün. Ich lasse die Bremse los, gebe dem kaum hörbar grollenden V8 sanft die Sporen und denke mir, daß es manchmal ganz schön anstrengend ist, das begehrenswerteste Auto der Welt zu fahren.
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