Das Beste aus zwei Welten: der neue Mercedes-AMG C63 S (W205)
Da steht es vor dir, das neue Biest aus Affalterbach, man händigt dir den Schlüssel aus (den braucht man auch, da der Testwagen nicht über das KEYLESS-GO Paket verfügt), du öffnest die leichte Fahrertüre und nimmst erst einmal auf den neuen AMG Performance-Sitzen Platz. Anschließend steckst den Zündschlüssel ein und drehst soweit bis alle Kontrolleuchten aufglimmen und die Zeiger über die formschönen AMG-eigenen Skalen im Carbonlook sausen. Nun legst den AMG-typischen roten designo Sicherheitsgurt an und atmest erst einmal tief durch, denn das wäre geschafft.
510 PS und 700 Nm nötigen einem Respekt ab
Die Leistungswerte des neuen C63 S von Mercedes-AMG sprechen bereits als nackte und nüchterne Zahlen Bände: in nur 4 sec auf 100 Km/h ist bereits eine klare Ansage und auch die Zahl 510, die für ein schieres Rudel an Wildpferden steht, deren Gehege sich unter der langen Aluminium-Motorhaube mit den beiden Zornesfalten befindet.
Beides nötigt dem Fahrer einen Moment der Ruhe & Besinnung ab, bevor man den Zündschlüssel auf ganz klassische Art und Weise dreht und somit den neuen M177 genannten 4,0-Liter Biturbo V8 erweckt (M177.980) . Der Motor indes ist ein enger Verwandter des M178, dem Motor aus dem neuen AMG GT (BR 190), verfügt jedoch nicht über die im GT unerlässliche Trockensumpfschmierung. Wo beim GT in der Länge mehr als genug Platz im Motorraum vorhanden ist und es an mehr an Höhe mangelt, da ist im C63 genug Platz und es stellt mehr die Vorbaulänge ein Problem dar. Und das obwohl bereits bei den Grundtypen der BR 205 ganze vier Zentimeter mehr Vorbaulänge geschaffen wurde, Dank der neuen 4-Lenker Vorderachse.
Der Vorbau es C63 wurde um fünf Zentimeter verlängert und stellt so genug Raum für den V8-Motor und dessen Kühlpaket zur Verfügung. Es gibt einen autark arbeiteten Niedertemperatur-Kühlkreislauf für die beiden Ladeluftkühler und die Getriebe Kühlung. Sie verfügt über einen regulären Kühler, zentral in Fahrzeugmitte angeordnet und einen kleineren Radlaufkühler auf der Fahrerseite. Der Motor-Kühlkreislauf wird ebenfalls von einem kleineren Radlaufkühler auf der Beifahrerseite unterstützt und bietet so ausreichend Reserven auch für den Rennstreckenbetrieb. Apropos, unterhalb des Frontstoßfängers quer liegend verbaut befindet sich noch ein Luft-Luft-Kühler für den kostbaren Schmierstoff des Motors.
- Mercedes-AMG C63 Limousine -> Baumuster 205.086
- Mercedes-AMG C63 S Limousine -> Baumuster 205.087
- Mercedes-AMG C63 T-Modell -> Baumuster 205.286
- Mercedes-AMG C63 S T-Modell -> Baumuster 205.287
Der Auftritt des C63 – eine Erscheinung
Bevor man in einen Wagen einsteigt, wird man zunächst von seinen äußeren Reizen beeindruckt oder nicht. Im Falle des neuen C63 S ist ersteres der Fall! Er beeindruckt und zwar auf ganzer Linie – war mir bei Einführung des neuen E63 AMG (W212 MOPF) der vordere Stoßfänger anfänglich noch zuviel, so habe ich es mittlerweile verstanden warum es so ausschaut und nicht anders. Das so genannte A-Wing ist ein mittlerweile schon als klassisch zu bezeichnendes Designmerkmal und greift tatsächlich den Buchstaben A aus AMG als Anlehnung auf. Links und rechts sitzen hier so große Kühlluftschlote weil sich dahinter wie bereits angesprochen auch wirklich Zusatzkühler befinden und auch die bumerangartigen Spoiler “Flics” haben ihre Aufgabe – sie pressen mehr Luft in diese Schlote und verbessern so die Kühlung.
Beim neuen ist die Nase deutlich länger als beim Ausgangsmodell, der zivilen C-Klasse. Der Doppel-Blade Kühlergrill mit Zentralstern ist tiefer angeordnet und insgesamt ist er aggressiver gezeichnet. Der “Achtung! Hier bin ich.“-Effekt ist durchaus gewünscht, man möchte zeigen welcher Wagen hier gerade zu Werke schreitet. Für meinen Teil, so muss ich an dieser Stelle zugeben, geht das auf. Ich finde der neue C63 sieht vornehm aggressiv aus, besonderes Highlight sind jedoch die beiden Zornesfalten auf der langen Motorhaube – ganz klar eine Reminiszenz an die legendären Silberpfeile und den Typ 300SL aus den 1950er Jahren.
Bei weiterer Betrachtung fällt auf, dass die vorderen Kotflügel nicht nur verlängert wurden, sondern auch jeweils um 17 Millimeter in die Breite gezogen wurden. Zudem gibt es eine schöne Vertiefung in Richtung A-Säule in der die Motortechnik-Bezeichnung “V8 BITURBO” ihren Platz findet.
Der Seitenschweller entspricht der AMG Line Ausführung und wird lediglich durch ein Zierteil (falls geordert) aufgehübscht, das geht auch völlig in Ordnung so, denn die Schwellerverkleidung ist schon schön genug gezeichnet.
Am Wagenheck findet man ebenfalls den Stoßfänger der AMG Line mit der angedeuteten Radhausentlüftung in Schlitzform links und rechts. Diese ist zum einen ganz klar Effekthascherei allererster Güte, jedoch bei technischer Betrachtung verbirgt sich in diesem Detail vielmehr eine genau definierte Abrisskante zur Unterstützung der Aerodynamik.
Auf dem Heckdeckel der Limousine wurde eine so genannte Abrisskante montiert (man könnte es auch Spoiler nennen). Ursprünglich war es eine Art “Bürzel”, doch aus Gründen der Sicherheit um eine maximale Sichtbarkeit der dritten Bremsleuchte unten in der Heckscheibe zu gewährleisten wurde daraus neben einem Funktionsbauteils auch ein echtes Stylingmerkmal. Die Abrisskante mit den beiden Teufelshörnern war geboren.
Form follows Function, ein altes Mercedes-Stilisten Kredo!
Und wie sieht es im Innenraum aus?
Der Innenraum des C63 glänzt durch ein spezifisches Design in vielen Bereichen – das Designteam von AMG hat hier ganze Arbeit geleistet.
Zuerst fällt das modifizierte Lenkrad auf, gerade in der Ausführung als AMG Performance-Lenkrad gibt es derzeit fast kein Schöneres. Eine 12 Uhr-Markierung in Leder Nappa in der jeweiligen Ausstattungsfarbe zeigt immer sofort die Richtung an.
Als SA gibt es eine große Sichtkarbonverkleidung für die Mittelkonsole anstatt herkömmlicher Zierteile aus Plastik oder Holz – bei einem Sonderzierteil ist immer eine wunderschön filigran gearbeitete IWC-Analoguhr in der Mittelkonsole verbaut. Das Kombiinstrument verfügt über AMG-spezifische Skalen und Ziffern, im Hintergrund der beiden Rundinstrumente ist ein Carbonlook dargestellt.
Gegen Aufpreis gibt es AMG Performance Schalensitze die man bereits aus dem neuen GT kennt – sie sehen nicht nur sehr gut aus und bieten einen guten Seitenhalt, nein sie sind sogar Langstreckentauglich. Eben wie man es von einem Mercedes erwartet, auch wenn er von der neuen sub-brand Mercedes-AMG abstammt!
Doch auch die normale Standard-Sitzanlage lockt bereits mit ihren Reizen – sie baut auf der Sitzanlage der AMG Line auf, jedoch mit völlig anderer Sitzgrafik. Deutlich expressiver und noch sportlicher, zudem im zwei-farb Look erhältlich.
Überhaupt trägt der neue C63 im Innenraum sein wahres Können vor, zeigt warum er eigentlich zwei Seelen besitzt. Denn er verfügt über alle Tugenden die einen Mercedes gemeinhin so ausmachen. Langstreckenkomfort und viel entspannender Luxus sind an Bord.
Im Kofferraum fehlen gut 45 Liter im Vergleich zur normalen Limousine W205 – da sich diese jedoch unter dem Kofferraumboden befinden fällt es zunächst gar nicht wirklich auf.
Beim C63 und C63 S sitzt hier die serienmässige Li-Ion Batterie die etwas mehr Platz (aus Sicherheitsgründen) benötigt als eine herkömmliche Nassfliess-Batterie. Dennoch wiegt die moderne Autobatterie gut 15 Kilogramm weniger.
Die Technik der neuen Sportlimousine
Unter dem Blech gibt es Technik vom Feinsten – hier kommt der Ausdruck der Überschrift vollends zur Geltung. Das Beste aus zwei Welten!
Serienmässig gibt es sowohl ein spezifisches AMG RIDE CONTROL Fahrwerk (Code 488) als auch eine modifizierte AMG Lenkung mit direkterer Übersetzung von 14,1:1.
Das Fahrwerk setzt sich hierbei aus Stoßdämpfern mit Stahlfedern zusammen, an den Dämpfern sind Ventileinheiten verbaut und bilden so das Adaptive Dämpfungssystem. Die Dämpferhärte (sowohl Zug- und Druckstufe) kann auf Knopfdruck verstellt werden. Es stehen “Comfort”, “Sport” oder “Sport+” zur Verfügung, wobei je nach Fahrbahnbeschaffenheit Comfort oder Sport völlig ausreichend ist um eine sportliche Hatz über Landstraßen. Nach dem Einschalten der Zündung ist die zuletzt eingestellte Dämpfstufe wieder aktiv.
An der Vorderachse fand eine Anpassung der Achskinematik statt, eine Sturzerhöhung konnte durch einen AMG-spezifischen Achsschenkel erreicht werden. Zudem gibt es einen AMG-spezifischen Drehstab der die Sportlichkeit bei Lastwechseln unterstützt.
Zudem gibt es für das S-Modell serienmässig dynamische Motorlager, diese können im Leerlauf z.B. sehr weich ausgelegt werden und im Bedarfsfalls auch sehr hart geschaltet werden, um z.B. bei dynamischer Fahrt die Direktheit der Lenkung positiv zu beeinflussen. In den Lagern befindet sich metallisierte Flüssigkeit deren Viskosität durch eine elektrische Spule verändert werden kann.
An der Hinterachse gibt es ebenfalls eine AMG-spezifische Kinematik die durch die Verwendung von neuen Radträgern erreicht worden ist. Zudem einen speziellen Drehstab, verstärkte Antriebswellen mit 4-Arm-Flansch und verstärkte Antriebswellen zur Steigerung der Standfestigkeit.
Außerdem verfügt bereits der normale C63 über ein mechanisches Sperrdifferential an der Hinterachse und das S-Modell setzt sogar noch einen oben drauf und verfügt serienmässig über ein elektrisch geregeltes Hinterachs-Sperrdifferential. Hierbei dient eine elektrisch gesteuerte Lamellensperre zur Reduzierung der Drehzahlunterschiede bzw. Radschlupfe links und rechts. Es verbessert die Traktion und darüber hinaus die Fahrstabilität bei Kurvenfahrten oder bei einem Spurwechsel mit hoher Geschwindigkeit.
Die Bremsanlage gibt sich ausgesprochen großzügig dimensioniert – beim C63 sind es vorne wie hinten 360mm einteilige, herkömmliche gelochte Bremsscheiben. Vorne mit 6-Kolben Festsattel und hinten mit 1-Kolben Faustsattel und integrierter elektrischer Feststellbremse. Die Bremssättel sind grau lackiert.
Das S-Modell besitzt vorne 390mm Verbundbremsscheiben die gelocht und perforiert sind rund 50% weniger Gewicht auf die Waage bringen als herkömmliche Bremsscheiben. Es wird ebenfalls ein 6-Kolben Festsattel verbaut. Die Bremse der Hinterachse wird vom C63 Grundmodell übernommen. Die Bremssättel sind rot lackiert.
Als SA gibt es darüber hinaus noch die AMG Keramik Hochleistungs-Verbundbremsanlage für die Vorderachse des S-Modells. Hierbei handelt es sich um 402mm große Verbundbremsscheiben die noch einmal 50% weniger Gewicht auf die Waage bringen. Die Bremssättel sind goldfarben lackiert.
Und was macht der Ton? Der Serienauspuff versorgt seinen Fahrer bereits mit einem sehr sportlichen Klang, doch dieser ist nicht weiter beeinflussbar. Hier schafft die AMG Performance Sport-Abgasanlage Abhilfe. Mittels dreier Abgasklappen kann die Anlage zwischen komfortabel “leise” bis kernig laut auf Knopfdruck verstellt werden.
Der Klang ist über jeden Zweifel erhaben und lässt Kritiker der Hubraumschrumpfung im Vergleich zum Vorgängermodell gleich besonnen zurück. In meinen Augen ist diese SA ein so genanntes “must-have”.
Der Fahreindruck
Wohl die wichtigste aller Fragen – wie fährt er sich denn nun?
Ein Glück das solche Fahrveranstaltungen sich zumeist in Ländern abspielen in denen man auch einmal ein wenig das Fahrpedal lupfen kann ohne gleich Angst zu haben es passiere etwas schlimmes. Sei es nun aufgrund von wenig Verkehr auf den idyllischen Landstraßen oder aufgrund von weniger Geschwindigkeitskontrollen.
In Portugal jedenfalls kann man mit dem C63 S richtig viel Spaß haben – die Landstraßen sind malerisch und geradezu gemacht für so ein wieselflinkes Automobil. Selbstverständlich haben wir das Tempolimit immer eingehalten, großes Indianerehrenwort! :)
Bereits mit Anlassen des neuen Motors – welches mit einem Donnergrollen einhergeht – weiß man welch Power hier auf Abruf bereitsteht.
Man legt die Fahrstufe D ein (die jetzt ebenfalls über einen Wählhebel rechts am Lenkrad betätigt wird) und löst den Fuß von der Bremse. Die schiere Kraft spürt man auch schon im Kriechgang, besonders wenn man den DYNAMIC SELECT Modus “Sport+” oder “RACE” (nur beim S-Modell vorhanden) gewählt hat, denn dann liegt die Leerlaufdrehzahl bei gut 800 U/min im Gegensatz zu üblichen 600. Dies verhilft zur mehr Performance beim Start weg, wenn es denn wirklich einmal sehr heiß und hoch hergehen soll.
Der neue C63 S kann sowohl souverän über die Autobahn oder Landstraße cruisen oder aber auch als Wolf im Schafspelz um sich brüllen und selbst viele größere Wagen in Angst und Schrecken versetzen. Mit seinen Beschleunigungswerten gehört er ganz oben an die Spitze des Wettbewerbsfeld in dieser Klasse.
Das Fahrwerk, die Lenkung, das alles vermittelt einen sehr harmonischen und sehr gut abgestimmten Eindruck. Ich glaube ich bin noch nie ein agileres Fahrzeug während meiner Autofahrer-Karriere gefahren. Auch unser Testwagen verfügte über das normale Aluminium-Volldach, genau wie mein Privatwagen und besaß dadurch ebenfalls einen sehr niedrigen Schwerpunkt, was sich sicherlich auch auf den gewundenen portugiesischen Landstraßen des Hinterlands angenehm bemerkbar gemacht hat.
Leistung ist immer vorhanden, mehr als genug. Dank der Performance-Abgasanlage steht einem jederzeit ein weites Grinsen im Gesicht, es macht einfach Spaß. Auch dieser Motorsound trägt ein großes stückweit zum positiven Fahrerlebnis eines AMG bei und das wussten auch seine Erschaffer als sie ihn konstruiert haben.
Gerade mit der optionalen Keramik Hochleistungsbremsanlage an der Vorderachse wird aus einem C63 S ein echter Racer. Man kann problemlos mit ihm von Montag bis Freitag gemütlich ins Büro fahren und besitzt dennoch am Samstag einen Rennwagen der es mit der Nordschleife oder anderen berühmten Rennstrecken dieser Welt aufnehmen kann.
Eine weitere sinnvolle SA in diesem Zusammenhang sind die Performance-Sportreifen von Michelin die eine deutliche Haftungssteigerung bedeuten, aber Abstriche bei Nässe mit sich bringen.
Und das Beste hierbei: ESP kann eingeschaltet bleiben! Selbst im Sport-Handling Mode greift das ESP so gut wie nie störend ein, auch nicht auf der Rennstrecke. Bei ESP Off ist wirklich alles deaktiviert und diese Funktion sollte nur von Profi-Fahrern genutzt werden. Für diese Funktionen gibt es einen klassischen ESP-Taster links neben dem Touchpad.
Als Fahrer eines “herkömmlichen” W205 muss ich sagen und wohlwollend anerkennen, dass der neue C63 in nahezu allen Punkten noch einen oder manchmal sogar zwei oben drauf setzt. Es ist der ultimative Traumwagen und er verfügt über ein atemberaubendes Äußeres gepaart von einem tollen Inneren und garniert von schöner Technik die es sonst wo nicht einmal für gutes Geld zu kaufen gibt. Chapeau nach Affalterbach!
Das Fazit
Wie gerne ich auch meinen blackbird habe, jenen C250 mit AMG Line, doch würde ich liebend gerne einen C63 besitzen. Ein S-Modell müsste es nicht unbedingt sein, aber doch bräuchte er zumindest die Ausstattung die ich in meinem blackbird lieben und schätzen gelernt habe zuzüglich der schaltbaren Performance-Abgasanlage. Immerhin 97.062,35 EURO würde er so dann kosten, der Traum C63 als Limousine, das habe ich bereits im Konfigurator ausgerechnet.
Träumen ist erlaubt!
In den kommenden Wochen wird es weiterhin immer wieder Material auf meinem Instagram-Kanal geben und als Highlight darf man sich auf ein Interview mit dem fünffachen DTM-Meister Bernd Schneider während der Fahrt auf der Rennstrecke autódromo internacional algarve freuen. Als Abschluss folgt noch mehr Bewegtmaterial zum neuen Biest aus Affalerbach!
Die Edition1 trägt wieder einmal hier und dort ein wenig zuviel Make-Up, sieht aber im Großen und Ganzen dennoch hinreisend aus. Mehr hierzu bei den Kollegen vom Passion-Blog.
Original: fünfkommasechs.de