Member of the Jury
Concours d’Excellence Luzern
Es war alles ein bisschen anders am Concours d’Excellence in Luzern. Nur schon die Bezeichnung: Nicht Concours d’Elégance, sondern eben – Concours d’Excellence. Auch für die Jury bedeutete das ein Umdenken: Kurator Urs Paul Ramseier wollte, dass sich die Juroren in die Zeit versetzten. Also den wunderbaren Bentley 3 1/2 Litre mit seinem Park-Ward-Aufbau so beurteilten, wie er – wahrscheinlich – in seinem Baujahr 1934 beurteilt worden wäre. Als würde der Alfa Romeo 6C 1750 GS zum allerersten Mal auf dem Luzerner Nationalquai vor dem Hotel «Palace» stehen, in einem Umfeld mit anderen zeitgenössischen Fahrzeugen. «radical» als Member of the Jury – ein paar Gedankengänge.
Alfa Romeo 6C 1750 GS, 1929
Sonst ist ja anders bei heutigen automobilen Schönheitskonkurrenzen, eben jenen . Gut, zumeist gibt es da noch «politische» Feinheiten, aber es spielen mehr der Geld-Wert, die Seltenheit, die (Lückenlosigkeit der) Geschichte eine Rolle bei der Beurteilung. Und sicher die Originalität, die Klasse der Restauration, die Feinheiten der Details. Es muss alles passen, zum Jahrgang, zum Modell, zur Ausstattung. Die korrekte Beurteilung ist schwierig, verlangt sehr viel Fachwissen – und sollte im Idealfall ausgewiesenen Marken-Spezialisten überlassen werden. Was aber höchst selten der Fall ist, nicht einmal bei den berühmtesten Veranstaltungen in Pebble Beach oder in Villa d’Este.
Alfa Romeo 6C 2500, 1953
Am Concours d’Excellence war es etwas einfacher: es zählte in erster Linie die Schönheit der Fahrzeug. Dies allerdings, erschwerend, in einem Zusammenhang gestellt mit der Zeit, in der das Fahrzeug gebaut wurde. Man musste sich als Juror auch noch die Damen in ihren Kleidern aus den 30er oder 50er Jahren hinzuphantasieren, vielleicht noch edle Hunde und Herren mit dicken Zigarren.
Alvis TC 108 G, 1957
Also, die Kriterien am Concours d’Excellence in Luzern:
- a) Eleganz der äusseren Erscheinung
- b) Eleganz der inneren Ausführung
- c) Harmonie der Farben, äusserer Lackierung und Lackierung im Innenraum
- d) Durchbildung der Details aussen und innen
Alvis TD 21 Special, 1961
Es war, zum Glück, nur ein kleines Starterfeld. 25 Fahrzeuge, die wir hier, Sie haben es sicher schon bemerkt, in alphabethischer Reihenfolge zeigen wollen. Aufgeteilt wurden sie in sechs Kategorien, offene Wagen vor dem Krieg, geschlossene Wagen vor dem Krieg, offene Wagen nach dem Krieg, geschlossene Wagen nach dem Krieg, Spezial-Karosserien offen und geschlossen. Für jede Kategorie gab es jeweils einen Preis, wobei es für den Aston Martin International Saloon von 1932, den wir gleich unten zeigen, am einfachsten war, denn er trat solo an in seinem Segment.
Aston Martin International Saloon, 1932
Schönheit, man weiss es, liegt immer im Auge des Betrachters. Was ist denn nun schön, was ist elegant? Geht um die Harmonie der Formen, passt das Heck zur Front, sind die Lampen viel zu gross im Vergleich zum Kühlergrill, ist die Farbe grässlich oder eine Zeiterscheinung oder geht das überhaupt, so ein Interieur? Noch etwas wissen wir ja auch: de gustibus et coloribus non est disputandum. Doch die Jury musste ja trotzdem.
Bentley 3 1/2 Litre Drop Head Coupé, 1934
Gerade um diesen Bentley, den wir oben zeigen, gab es längere Diskussionen. Für die Mehrheit der Jury-Mitglieder war er einfach nur wunderschön, sehr elegant, schwarz mit diesem dunkelgrünen Streifen, auch innen: eine Pracht. Andere fanden ihn einfach: nur langweilig. Wie sah es wohl damals aus, 1934?
Bentley R-Type Coupé, 1953
Ein anderer Bentley in einer anderen Kategorie. Auch da die Diskussionen. Ja, er ist sicher elegant in seiner Gesamterscheinung, aber trotzdem: der hohe Kühler passt doch nicht so recht zum sehr schlanken Heck. Passt die Farbe, dieses Schwarz? Oder ist Schwarz einfach nur die sichere Lösung? Er konnte dann in seiner Kategorie, die ausschliesslich aus Fahrzeugen mit Graber-Karosserie bestand, nicht gewinnen, die beiden (schon gezeigten) Alvis standen ihm vor der Sonne.
Bristol 401, 1953
In der Kategorie der geschlossenen Nachkriegswagen gab es sieben Konkurrenten. So unterschiedliche Fahrzeuge wie der Tatraplan 600 von 1949 bis hin zum Monteverdi von 1970. Wie kann man sie vergleichen – oder muss man sie eben einzeln betrachten? Der Bristol ist sehr ungewöhnlich, unvergleichlich auch in seiner Geschichte, das Interieur etwas von Schönsten, was es in Luzern zu sehen gab – wahrscheinlich. Doch auch da, man mag ihn. Oder dann halt eben nicht so sehr.
Cadillac Series 75 Cabriolet, 1938
Bei nur wenigen Wagen war sich die Jury so einig wie beim Cadillac: zu gross, zu schwer, zu wenig elegant. Obwohl, auch an diesem Fahrzeug gibt es wunderbare Details. Doch das Kriterium d) Durchbildung der Details aussen und innen, ergab höchstens 10 Punkte, während a) Eleganz der äusseren Erscheinung auf maximal 50 Punkte bewertet werden konnte. Und da hatte es der Cadillac dann halt schwer.
Enzmann 506, 1957
Wie wäre das gewesen, 1957, als dieser Enzmann vorfuhr? Ja, technisch ein sehr interessantes Fahrzeug, auch von seiner Vorgeschichte her einer vertiefteren Betrachtung wert, aber – elegant? Harmonisch in der Farbgebung? Noch ein Fahrzeug, das innerhalb seiner Kategorie für viele Diskussionen sorgte. Und am Ende den Klassensieg holen konnte. Und das gegen einen Ferrari der Extra-Klasse.
Ferrari 250 GT/E, 1963
Es begann bestens in Luzern. Als sich ab 10.30 Uhr die Teilnehmer beim Verkehrshaus Luzern vor der ständigen Automobil-Ausstellung formierten, schien noch die Sonne. Und es war eine gute Zeit, sich die Fahrzeuge genauer anzuschauen. Denn auch als vermeintlicher Kenner lernt man bei solchen Gelegenheiten immer wieder Dinge, die man vorher nicht wusste. Und kann auch die Besitzer der Klassiker kennenlernen, die alle interessante Geschichten zu ihren Fahrzeugen zu erzählen haben. Gut, und dann kommt da noch so ein Ferrari 340 America als Barchetta, und dann ist man schon ein wenig sprachlos. Nein, wir wollen nicht darüber spekulieren, welchen Wert dieses Fahrzeug darstellt. Und ja, dieser Ferrari ist ohne jeden Zweifel echt – und wahrscheinlich der einzige Überlebende seiner Art.
Ferrari 340 America Barchetta, 1950
Ab 12.30 Uhr fuhren die Teilnehmer dann gestaffelt zum Nationalquai vor dem Hotel «Palace» in Luzern. Wurden dort in ihren Kategorien formiert – was auch der Jury den Überblick erleichterte. Doch leider setzte dann kurz nach 14 Uhr der Regen ein. Was den Publikumsaufmarsch wohl deutlich schmälerte. Leider. Das kleine, aber sehr feine Feld am Concours d’Excellence in Luzern hätte sicher mehr Zuschauer verdient gehabt.
Ford Thunderbird, 1955
Wir schreiben hier ja ganz bewusst nichts von den einzelnen Karrossiers, welche die Wagen eingekleidet haben. Gut, da war die Gruppe mit den Graber-Fahrzeugen, aber es hätte noch andere bekannte Namen, Pininfarina etwa (beim Ferrari 250 GT/E), Touring (beim Alfa 6C 2500 und beim Ferrari 340 America), Park Ward (beim Bentley 3 1/2 Litre), Reinbolt & Christé (beim Cadillac). Eigentlich sollte man sich ja nicht blenden lassen von den grossen Namen. Andererseits: es waren ja damals, als die Concours d’Elégance ihre Hochzeit hatten, in erster Linie diese Meister-Schneider, die ihre Fahrzeuge ausstellten.
Jaguar SS 2,5 Litre Cabriolet, 1937
Wie es sich auch gehört, schaffte jedes teilnehmende Fahrzeug die Anfahrt, zumindest jene vom Verkehrshaus über die Rampe am Nationalquai, aus eigener Kraft. Das sieht man auch nicht überall, oft werden die Preziosen jeden Meter, den sie unbedingt fahren müssen, fremdtransportiert. Was ja nicht der Sinn der Sache sein kann bei einem Automobil.
Jaguar XK140, 1954
Kommen wir zu einem Fahrzeug, das wohl am schwierigsten zu beurteilen war in Luzern: ein Jaguar E-Type. Wäre es ein ganz normaler E-Type gewesen, dann hätte er wohl keinen Blumentopf gewinnen können. Doch das ausgestellte Exemplar war ein ganz besonderes Automobil, jener Prototyp, der 1961 auf dem Genfer Salon ausgestellt war. Gefertigt in Handarbeit. Wäre er zum ersten Mal 1961 in Luzern aufgetaucht, dann hätte er wohl mehr Aufmerksamkeit erregt als die Beatles. Und ja, Farben, Harmonie, Eleganz, alles grossartig. Ein möglicher Gewinner?
Jaguar E-Type, 1961
Auch ein Gefährt, das für interessante Diskussionen sorgte, war der grosse Mercedes. Die einen liebten ih, andere wollten gar nicht recht hinschauen. Was aber weder etwas mit der Marke noch mit eher speziellen Farbgebung des Wagens zu tun hatte. In die Haare geriet man sich nicht, aber trotzdem: es ist schon erstaunlich, immer wieder, was als elegant und harmonisch bezeichnet wird.
Mercedes 290 Cabriolet A, 1935
Könnten denn auch Fahrzeuge in Luzern gewinnen, von denen es Tausende von Exemplaren gibt, die so gar nichts Besonderes sind? Theoretisch schon. Aber sie haben es halt trotzdem etwas schwerer. Weil man sie auch 1955 (etwa den Thunderbird) oder 1957 (etwa den Mercedes 190 SL) schon öfter auf der Strasse gesehen hätte. Reicht eine gelungene Farbkombination zum Sieg? Beim Mercedes dann auch nicht.
Mercedes 190 SL, 1957
Sportwagen haben es schwerer. Sie sollen ja schnell sein, nicht schön – form follows function. Der Ferrari 340 America etwa verdiente sich auch deshalb weniger Punkte, weil sein Interieur ja ganz bewusst sehr schlicht gehalten ist – dies im Gegensatz etwa zum Aston Martin, der mit wunderbaren Details gefallen konnte. Der Monteverdi, eigentlich ein Gran Turismo für das bequeme, schnelle Reisen, war innen enttäuschend, 70er Jahre, da war die Eleganz auch nicht dringend ein wichtiges Motiv bei der Gestaltung.
Monteverdi 375 L 2+2, 1970
Und dann sieht man zum ersten Mal in seinem Leben einen OSI. Gehört hat man schon davon, gelesen auch, aber gesehen: noch nie. Da bleibt der Liebhaber dann schon auch etwas länger stehen. Und schaut genauer hin. Wäre es um die am meisten unterschätzten Fahrzeuge gegangen, jene von der Geschichte vergessenen, dann hätte dieses Fahrzeug vielleicht gewinnen können.
OSI 20m TS, 1966
Natürlich haben es Luxus-Hersteller einfacher als Massen-Produzenten, mit wunderbaren Feinheiten zu glänzen. Ein Rolls-Royce ist innen wie aussen deutlich aufwendiger gestaltet als ein Plymouth aus dem gleichen Jahren. Und doch, wenn man genau hinschaut, dann entdeckt man gerade bei diesen Fahrzeugen aus den 30er Jahren so viel Liebe zum Detail, wie man sie heute, bei aktuellen Fahrzeugen, gar nicht mehr bezahlen könnte. Und allein schon das Leder, wenn es denn nicht ganz neu ist, könnte Geschichten erzählen, da würde ein neuer Audi blass vor Neid. Es waren gute Zeiten – und es ist gut, dass es solche Veranstaltungen wie den Concours d’Excellence in Luzern gibt. Damit das Automobil als wichtiger Teil der modernen Kulturgeschichte seinen Platz auch beanspruchen kann.
Plymouth PE Cabriolet, 1934
Ach, die Besitzer. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Menschen, die sich für alte, manchmal sehr wertvolle Fahrzeuge interessieren, sie auch fahren, pflegen, hätscheln, gerne ihren Reichtum zur Schau stellen, nur auf einen schnellen Gewinn spekulieren oder an Arroganz kaum zu übertreffen sind, waren die Teilnehmer zu Luzern von ausnehmender Freundlichkeit, herzlich, auskunftsfreudig. Gut, als Juror hat man es sicher etwas einfacher denn als Zuschauer. Aber es einte die Anwesenden ein grosses, schönes Thema: die Liebe zum Automobil. Was das Ambiente sehr angenehm machte.
Riley 2,5 L RHD, 1950
Um 16 Uhr zieht sich die Jury dann zurück. Beginnt die einzelnen Beurteilungen abzugleichen. Es gibt die eine oder andere Überraschung, etwa den Mercedes 190 SL, der von einem Jury-Mitglied mit satten 100 Punkten bewertet wird. Und dann haben zwei Juror/Innen je ein Automobil vergessen. Oder übersehen. Was aber entscheidend ist, denn beide könnten bei entsprechender Bewertung ihre Kategorie gewinnen. Oder halt nicht. Also müssen die Damen und Herren nochmals raus. Und ja, es war entscheidend, sowohl für die Kategorien. Wie auch für den Hauptpreis.
Rolls-Royce Silver Ghost, 1932
Hätte es einen Sonderpreis gegeben nur für die farbliche Gestaltung, der Studebaker hätte ihn unbedingt gewinnen müssen. Ja, die Kombination stammt aus der Zeit, auch das Interieur war so, damals. Und wäre auch damals aus der Masse herausgestochen. Andererseits waren die Studebaker selten wirklich elegant. Oder?
Studebaker President Speedster, 1955
Selbstverständlich hat ein jeder Mensch seine Vorlieben. Und es ist wohl irgendwie auch verständlich, wenn jene Marken, die von der Geschichte ganz sicher nicht übervorteilt wurden, etwas mehr Sympathie geniessen – auch wenn das ja nicht zu den Beurteilungskriterien gehört. Aber, bitte, so ein Tatra, dessen ursprüngliche Konstruktion viel mehr als nur das Vorbild des VW Käfer war, den muss man einfach lieben, David gegen Goliath, Genie gegen Kopie, die ungewöhnliche Form, die ungewöhnliche Farbe, überhaupt: das Leben. Es reichte dann zwar trotzdem nicht einmal zum Klassensieg, aber so ein bisschen der König der Herzen war er schon.
Tatraplan 600 Aerodynamic, 1949
Und wie hätten Sie nun gewählt? Gut, das Resultat ist schon bekannt, aber vielleicht wollen Sie es ja trotzdem wagen. Und auch begründen. Uns würde es freuen. Wir entschuldigen uns auch für die Bildqualität, es blieb keine Zeit für: Kunst. Mehr schöne Klassiker haben wir in unserem Archiv.
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