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15 Jahre 911-Entwicklung 2183

Published in radical-mag.com

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180’000 Deutsche Mark – das war 1999 genug Geld um einen neuen Porsche 911 GT3 sein Eigen nennen zu dürfen. Heute, 15 Jahre später, gibt es für 90’417 Euro auch wieder einen Porsche 911. Nur müssen sie das GT3 streichen. Dabei klingt es schlimmer, als es ist. Denn war der GT3 damals die Speerspitze des Modellprogramms, der Reinrassige, der Pure, der Echte, so ist es der 911 heute immer noch. Und bei einem Porsche von Basis zu sprechen, ist diesseits von München und Hamburg immer etwas vermessen. Schliesslich liegen die beiden Modelle nicht nur im Preis kaum auseinander – inflationsbereinigt lägen 180'000 Kaufkraft-DM von 1999 heute übrigens bei etwa 117'000 Euro, der Vergleich ist also mehr der ideelle, nicht der reelle – auch in den technischen Details finden sich mehr Parallelen, als von zu Anfang vermuten mag.

Die Motorleistung etwa: 360 PS gegen 350 PS zu Gunsten des Alten. Das holt der 991 allerdings mit 390 Nm wieder auf, wo der GT3 deren 370 auskommen muss. Beim Beschleunigungssprint gibt es sogar einen Patt, beide notieren mit 4.8 Sekunden auf 100km/h. Handgeschaltet, versteht sich. Weiter geht es mit den Bremsen: 330 mm Scheiben mit Vierkolben-Brembo. Reifenbreite: 285mm an der Hinterachse. Hier allerdings in 10x18 Zoll am GT3 und 11x19 Zoll am Carrera. Auch in der gesamten Grösse hat sich wenig geändert. Sechs Zentimeter ist er in der Länge gewachsen, vier in der Breite und um drei baut er höher als der 996. Schon eher spürbar: die 100 Kilogramm Mehrgewicht, die der Carrera auf die Waage bringt. Das aber nicht im Unangenehmen. Steigen wir ein. Schon beim Griff an die Tür ist klar: In fünfzehn Jahren hat sich viel getan. War der GT3 ein Juwel, gefangen im auf Kosteneffizienz getrimmten Wiedeking-Körper, so schöpft der 991-Carrera aus dem Vollen.

Porsche 911 GT3 1999
Sie konnten die Baukastenübung über die Jahre ebenso perfektionieren, wie die Verarbeitung. Ein Ledernahtbild etwa, das so exakt und fehlerlos ausgeführt ist, dass man beinahe nicht daran glauben mag, dass es tatsächlich von Hand gesattelt wird. Dazu die makellose Aneinanderreihung aller Schalter. Jeder einzelne mit exakt definiertem Druckpunkt, leise sattem Klick und unerschütterlicher NVH-Solidität. Überhaupt, das Angebot an Information und Wahlmöglichkeit scheint grenzenlos. Fehlt im GT3 selbst ein Bordcomputer, geschweige denn ein elektronischer Wegweiser, kann man sich im Carrera in allen Dimensionen bespielen lassen. Tatsächlich konnte gerade im Innenraum der Unterschied nicht grösser sein. Ausser der Anordnung des Zündschlosses in Anlehnung an den schnellen LeMans-Start links des Lenkrades und die Ineinanderschachtelung der Instrumente gibt es nichts, dass die beiden Elfer gemein haben. Was nicht unbedingt schlecht ist, denn es gibt wenig, was man sich vom 996 in die Nachfolger vererbt wünschte.




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Gut, den Motor. Selten wurde ein Auto derart über das Wesen des Triebwerks charakterisiert wie der 996 GT3. Der Mezger-Motor, wie ihn seine Anhänger in Anlehnung an seinen Konstrukteur Hans Mezger liebevoll nennen, ist nicht weniger als ein Jahrhundertmotor. Eh klar, schliesslich war Hans Mezger so etwas wie die rechte Hand Piëchs, während dessen Hochphase bei Porsche. Den ersten Elfermotor – ein Mezger. Der Zwölfzylinder des 917 – ein Mezger. Die Monsterboxer der 935 – Mezger. Wie auch die Formel 1-Motoren der TAG-Porsche für McLaren, die drei Weltmeisterschaften errangen. Nicht zu vergessen: 956, 962 und 911 GT1.

Weil sie in Zuffenhausen wussten, dass der Umstieg auf die Wasserkühlung ein Vorwagen in bisher ungekanntes Boxer-Terrain war und sie durch die erwartet zurückhaltende Kundenreaktion beim Sportmodell kein Risiko eingehen durften, schenkte Hans Mezger der GT-Familie noch einmal einen grossen Wurf. Auf Basis des GT1-Triebwerks mit seinem zweigeteilten Kurbelgehäuse, dessen Design wiederum bis zum 964er-Motor zurückreicht, wurde mit zusammengeschraubten Zylinderbänken bestehend aus wassergekühlten Laufbuchsen, neuen Vierventilzylinderköpfen und Nockenwellenkästen ein leistungsfähiges, vor allem aber stabiles Triebwerk konstruiert. Vor allem aber eines, das du lieben wirst. Wenn es das erste Mal mit Macht gegen den Begrenzer gerasselt ist. Dort oben, hoch in den Siebentausendern, wenn die Elektronik zart eingreift, um die Mechanik vor sich selbst zu schützen. Der Ton, den es dabei anschlägt, er könnte schöner nicht sein: Dieses im letzten Drittel des Drehzahlspektrums nach oben ausreissende Brüllen. Fordernd, selbstbewusst. Es nimmt dich mit, versprochen. In jedem Gang aufs Neue.

Dazu kommt die Bedienung. Alles geht angenehm schwer, liegt gut in der Hand – mechanisch, haptisch bliebe wie gesagt Verbesserungspotenzial – und schafft Vertrauen. Das braucht es auch, denn der GT3 ist kein Spielzeug. Er ist ein präzises Gerät für jene, die wissen was sie tun. So stapelt er zu Anfang auch sanft untersteuernd tief.
Sein Aufleben kommt, wenn es schnell wird. Wenn der Griff an der Vorderachse passt, ihn die Ganganschlüsse wie selbstverständlich im besten Drehzahlfenster halten und die Bremse auf Temperatur ihn jederzeit hart zusammenzustauchen. Bloss: Du brauchst eine stramme Hand. Der GT3 fährt nicht am lockeren Zügel Bestzeit auf der Ideallinie. Du musst ihn führen, hellwach sein. Wenn sein tiefes, nicht adaptives Schraubfahrwerk plötzlich über die Bodenwellen springt, giert. Wenn die Vorderachse so scharf in die Kurve biegt, dass das Heck trotz gutem Gummis ansatzlos auskeilt. Er ist ein giftiges Ding, im Grenzbereich zwar herzergreifend schnell, aber eben auch herzstoppend schnell dort.  Wenn Du genau das willst: keine aktiven Dämpfer, keine verstellbaren Differenziale, keine Stabilitätskontrollen und nicht mal eine Traktionshilfe. Nur Du, das Lenkrad und drei Pedale, dann ist der GT3 dein Auto. Oder?

Es ist immer ein besonderer Reiz, einen Sechszylinder-Boxer im Rücken zu haben. Das grollende, grummelnde, beim Zurückschalten kehlig blaffende Triebwerk wird im neuen Carrera besonders durch zwei Dinge fein unterstützt: die Sportabgasanlage, die das Auspufftürchen bei Bedarf einen Spalt weiter öffnet und die Resonanzmembran, die von der Ansauganlage direkt unter die Hutablage geht. Es fällt schwer, diese perfekt komponierte Intonierung nicht zu mögen. Im Vergleich wirkt der GT3 im Leerlauf beinahe zurückhaltend. Aber sie haben gelernt in fünfzehn Jahren. Nicht nur das feine, wie diskrete an-die-Oberfläche-arbeiten des richtigen Geräusches, sondern überhaupt. Im Carrera hast du nie das Gefühl, dass du in einem Auto fährst. Du fährst mit ihm. Du lehnst dich an und wirst Teil der Bewegung. Der Elfer schmiegt sich ins Geläuf, satt, ruhig und doch mit einer feinsinnigen Lebendigkeit. Hinterhältig oder gar böse? Selbst grobes Vertun pariert er. Diese Mühelosigkeit ist vielleicht der grösste Fortschritt. In ihr wirkt die Kultur der Abstammung, der Porsche-eigene Perfektionismus: die Ausbalanciertheit des Fahrwerks, die feine Kommunikation der Regelsysteme und Fahrmodi, das Ansprechverhalten des Motors – man könnte beliebig viel anfügen.

Bleibt das Eichmass für die Leistungsfähigkeit jedes Porsche: seine Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife. Und hier siegt Alter vor Perfektion. Der 996 GT3 notiert offiziell mit 7.56 Minuten, gefahren von Walter Röhrl. Aus Gründen der Vergleichbarkeit nehmen wir aber die von Horst von Saurma 8.03 Minuten – denn nur er ist auch den 991 Carrera gezeitet gefahren. Mit 8.17 Minuten. Natürlich zeigen diese Zeiten gar nichts, ausser für den, der sich etwas darauf einbilden mag. Vielmehr zeige sie die sagenhaften Talente des modernen Elfers. Seine Bandbreite an Talenten und seine Perfektion in jedem Detail: Nie war ein 911 vollkommener, als in der Baureihe 991. Man mag das anders sehen, wertet dann aber nur eine Momentaufnahme oder einen Teil des Ganzen.

Der 996 GT3 war ein grosser Wurf. Er hat die Ewiggestrigen auf die Zukunft eingeschwört. Hat den ungeliebten Baureihen Leben eingehaucht. Er begeistert in seiner rohen und ungefilterten Art, die den Geist der Carrera RS-Modelle konsequent weiterlebt, dass es auch heute noch begeistert. Er hat nicht alle Talente, dafür grosse. Die Gelegenheit ist günstig. Denn aus den 180'000 Mark von damals sind keine 60'000 Euro mehr geblieben, für die gute Exemplare des Bumerangs heute notieren. Doch auch der 991 Carrera steht unter einem besonderen Vorzeichen: der Turboaufladung. Sie kommt unaufhaltsam näher. Natürlich wird der nicht mehr freisaugende 911 wieder ein besseres Auto werden, jede Evolution war bislang besser als der Vorgänger, doch der Charakter wird sich ändern. Und am Charakter des 991 sollte man eigentlich nichts ändern.

Mehr Porsche gibts im Archiv.


Original: radical

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