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loud pipes save lives..., loud pipes save lives-1625

Published in radical-mag.com

... meint Mechthild

Noch nicht erstellt
Damals, als es noch keine Katalysatoren gab, da war die Welt noch in Ordnung. Nicht im Sinne von Umweltbelastung, sondern im Sinne von: Ton. Es kam der Krümmer, danach lange nichts, irgendwann ein kleiner Schalldämpfer und schon war das Abgas draussen. Fein klangen sie, egal ob Vier-, Sechs-, oder Achtzylinder, denn es war das echte Geräusch.

Heute ist das alles massiv anders. Der Kat ist schon lange nicht mehr nur der brave Dreiwege-Konverter, nein, wir fahren meist eine ganze Chemiefabrik spazieren. Hochdruck-Abgasrückführung, motornahe kleine Katalysatoren, etwas weiter entfernte grosse Kats, dazu gerne noch ein NOx-Speicherkat, vielleicht sogar mit AdBlue-Harnstoffeinspritzung und dazwischen noch Vor-, Mittel- und Endschalldämpfer.

Man hört deshalb: nichts.

Dass das nicht sein kann, haben mittlerweile viele Hersteller verstanden. Das Heilmittel nennt sich Klappenauspuff. Auf dem Weg zum Endrohr gibt es ein paar Bypässe, die dem Abgas die Möglichkeit geben bei bestimmten Drehzahlen und Gaspedalstellungen einen direkten Weg, vorbei an den Schalldämpfern, zu wählen.

Garniert wird das Ganze mit „Maskierungen“ – man blendend die Zündung beim Hochschalten kurz aus, spritzt eine winzige Menge Sprit beim Gaswegnehmen ein und das Ergebnis ist ein akustisches Spektakel, wie man es selten erlebt hat. Meister hier ist aktuell Jaguar. Der F-Type V8 S ist ein derartiger Lautsprecher, dass man nach der ersten Freude am zweiten Tag direkt nach dem grossen Korken sucht.

Denn: auch wenn wir uns vorher beschwert haben, viel hilft nicht immer viel. Besser ist Porsche. Sämtliche Boxer aus Stuttgart rotzen und spratzeln aus vollem Hals, wenn man in den Schiebebetrieb wechselt, es ist ein Fest. Dass es den Entwicklern auf dem Weg zum perfekten Klang mehrere hundert Katalysatoren zerbröselt hat, steht auf einem anderen Blatt.


Und zeugt davon, dass es tatsächlich nicht bloss mit ein paar Klappen getan ist, sondern dass da schon ein bisschen mehr Konzentration dazugehört, bis das Ergebnis auch wirklich passt.

Meister in dieser Disziplin ist Ferrari. Wie die Boliden aus Maranello eine technische Abnahme schaffen – unklar. Wenn das bei Volllast die Türchen aufmacht, dann zerreisst es fast das Trommelfell. 104,5dB haben wir mit dem 458 Speciale gemessen. Und dabei war das nicht einmal Vollgas.

Warum wir das schreiben? Weil die Entwicklung wirklich schön war. Brave Turbovierzylinder schnaubten, floppten, brodelten – die 45er AMG Benze als Beispiel. Ein Nissan GT-R mit seinem V6, oder auch der F-Type V6 – rauchiger Sound, wie er früher kaum besser war. Dazu dann die volle V8-Dröhnung in RS-Audis, AMG-Benzen, oder oder oder. Es tönt fröhlich allerorten und das finden wir fein.




Vor allem: auf Knopfdruck geht es jederzeit leise und diskret.

Das Problem an der Sache. Die EU hat mittlerweile festgestellt, dass ihnen die Hersteller mit ihren Klappensystemen auf der Nase herumtanzen. Für moderne Fahrzeuge gilt seit geraumer Zeit ein Lautstärkegrenzwert von 74/75 Dezibel. Die Messprozedur dafür war generalstabsmässig festgeschrieben. Die Hersteller schalteten ihre Klappen innerhalb diese Messzyklen einfach „still“ und ausserhalb der gemessenen Bedingungen wieder auf „laut“.

Nun aber, haben sie die Verordnung (EU) Nr. 540/2014 überarbeitet. Zum 1. Juli 2016 tritt sie in Kraft und wichtig ist vor allem folgender Abschnitt:

5.1.3.2: Auspuff- oder Schalldämpferanlagen mit mehreren manuell anpassbaren Betriebsarten müssen in allen Betriebsarten alle Anforderungen erfüllen. Es sind die Geräuschpegel festzuhalten, die in der Betriebsart mit den höchsten Geräuschpegeln entstehen.

Der kleine aber feine Unterschied zu früher ist: in allen Betriebsarten. Also auch bei Durchzug. Was das für den Ton in Zukunft bedeutet? Dramatisches. Wenn sich heute ein 991 GT3 bei 9000 Touren in den Begrenzer schraubt, dann wehen hinten lockere 100dB+ aus den Doppelrohren. Das Ganze 30dB leiser? Kaum vorstellbar.

Wir brauchen das Geräusch. Laut und deutlich. Irgendwelchen 74dB-Nähmaschinen machen keinen Spass, versprochen. Da können wir dann auch gleich Elektroauto fahren. Gespannt darf man auf die Vollstreckung des Gesetzes sein, vor allem auch in Sachen Nachrüstmarkt. Nur: die Hersteller werden eine Zeit brauchen, bis sie sich auf die neuen Gegebenheiten eingestellt haben.

Die Ausrichtung auf kleinere Hubräume und Turboaufladung macht die Sache mit dem Ton per se schwieriger, nun noch diese drastische Beschneidung beim Geräusch? Wir wollen gar nicht daran denken. Stattdessen: den Jaguar fahren. Auch wenn er manchmal zu laut und vulgär ist – merken was uns fehlt, werden wir erst, wenn es so etwas nicht mehr gibt!

Was meinen Sie? Schreiben Sie uns Ihre Meinung.

Original: radical

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