Turbo ohne Lader, Fahrbericht Porsche Cayman GT4
Fahrbericht Porsche
Cayman GT4
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Ja, wir haben schon öfters geschrieben, dass der Cayman von Porsche eigentlich der bessere Porsche ist. Aus einem einzigen Grund: der Cayman kommt in Sachen Gewicht und Abmessungen ganz nah an die von uns so heissgeliebten Elfer mit Luftkühlung heran. Und nun, nun schickt man den GT4 ins Rennen, den bisher schärfsten Cayman mit einem Technik-Mix aus dem aktuellen 911S und GT3. Wir nennen das jetzt einfach mal MFB statt MQB, also Modularer-Fahrspass-Baukasten. Bevor wir uns mit dem Ding auf die Strasse und auf die Rennstrecke von Portimao wagen einige Worte zur Technik und wieso der Cayman an den alten Elfern so nahe dran ist. Wir machen mal einen Vergleich zum 911 turbo von 1988. Das Leergewicht ist so ein Punkt. Nach DIN-Messung ist der neue Cayman GT4 trotz Wasserkühlung, riesigen Bremsen und Rädern mit 1340 kg nur 5 kg schwerer als der Luftgekühlte Sechsender von damals. Auch bei der Breite herrscht fast Gleichstand. Der Cayman misst 181 cm, der Turbo von damals 177 cm. Nur bei Länge und Leistung ist der aufgeladene Elfer deutlich im Hintertreffen. Damals waren seine 300 PS eine unglaubliche Herausforderung für Ross und Reiter, heute schüttelt so ein Cayman locker mal 385 PS aus dem Ärmel. Und dies völlig ohne Hinterlist – einfach so. Und 14 cm länger ist er auch noch, der GT4. Aber so über alles gesehen ist der Cayman eigentlich der legitime Nachfolger der alten Elfer. Und natürlich ist die Idee nicht ganz neu, das Herz des Elfers in einen Cayman zu verpflanzen. Vor Jahren hat dies bereits der von uns sehr geschätzte Tuningbetrieb Sportec aus Höri bei Zürich bereits gemacht. Allerdings damals mit einem enormen technischen Aufwand. Und einem entsprechend hohen Preis fürs Fahrzeug. Was uns schon damals begeisterte war das deutlich Plus an Drehmoment, welche der Motor (damals aus dem 997) lieferte. Mit dem leichten Auto hat der Sechszylinder leichtes Spiel. Im Cayman GT4 wird der 3,8 Liter Motor aus dem aktuellen 991-S (400 PS) verbaut. Leicht in der Leistung reduziert halt, so offensiv wollte man den Elfer dann doch nicht angreifen. 385 PS sind es, wie bereits gesagt. Und 420 Nm. Eine Wucht. Und im Gegensatz zu den Tunern von Sportec war der Aufwand, den grossen Motor in den Mittelmotorsportler zu hieven, gar nicht so gross.
Er wurde im Gegensatz zum 911 um 180° gedreht (Getriebe nun hinten) und an die entsprechenden Punkte ins Chassis gezimmert. Möglich ist dies auch, weil man schon beim Entwickeln des Triebwerks darauf geachtet hat, dass man den Sechszylinder auch in den Cayman montieren kann. Die Idee des Über-Cayman trägt man bei Porsche also schon länger mit sich rum.
Natürlich wurde auch am Fahrwerk geschraubt. Besser gesagt, es wurde viel gemacht. Da ist die Vorderachse, die eigentlich aus dem GT3 stammt, inklusive Upside-down-Dämpfer, Zusatzfedern und natürlich der Möglichkeit, sie elektronisch zu verstellen. Einzig die Radnaben sind deutlich anders. Die wunderschönen Räder mit Zentralverschluss gibt’s es nicht für den Cayman. Wir sagen, es ist eine Frage der Zeit bis Porsche die Dinger gegen einen saftigen Aufpreis auch für den GT4 anbietet. Natürlich wurde die Bodenfreiheit reduziert (gegenüber dem Standard-Cayman um satte 30 mm) und natürlich braucht der Porsche bei so viel Leistung etwas fettere Dimensionen bei der Kraftübertragung vom Getriebe auf die Räder.
Und natürlich weiss man bei Porsche, dass der scharfe Cayman sicher oft auf der Rennstrecke eingesetzt wird. Darum bekam er einen - mittels Shims – an der Vorderachse einstellbaren Radsturz, 13 mm mehr Spurweite und an den wichtigsten Stellen Fahrwerkslager als Kugelgelenke. Dazu gibt’s echte Supersportreifen von Michelin (Cup2, vorne 245/35, hinten 295/30) für die 20-Zoll-Felgen. Und, eine Bremsanlage die ebenfalls aus dem GT3 stammt, die Scheiben haben an Vorder- und Hinterachse einen Durchmesser von 38 cm. Wers ganz böse mag, kann die 41 cm grossen Keramik-Komposit-Bremsscheiben dazubestellen. Aber, wer will schon ständig Bremsen um die Mehrinvestition zu amortisieren...? Es gibt nochzahlreiche andere Anpassungen, die aus dem Cayman einen echten 911-Gegner machen sollen. Das verstärkte Sechsganggetriebe mit aktiven Stützlagern zum Beispiel, oder die automatische Zwischengaskontrolle. Ja, richtig gelesen. Porsche ist dem allgemeinen PDK-Wahn beim GT4 nicht erlegen. Aus Gewichtsgründen gibt es dem GT4 nur mit manueller Schaltbox. Was zwischen den Zeilen erkennen lässt, dass unsere Kritik, dass der Elfer und der GT3 – den es nur mit PDK gibt – einfach zu fett werden. Aber eben, das PDK verzeichnet eine Einbaurate von 85% - und dies obwohl Porsche es sich auch teuer bezahlen lässt. Und wenn jemand weiss wie man zusätzliche Umsätze generiert, dann Porsche. Natürlich mit Sperre an der Hinterachse. 22% ist die Sperrwirkung auf Zug, 27% im Schubbetrieb. Das Ganze wird mit dem Torque-Vectoring-System von Porsche kombiniert. Keine Angst, von dem Elektronikkasten merkt man – selbst auf der Rennstrecke – nicht viel.
Womit wir beim Fahren wären. Und da können wir – sorry – nur schwärmen. Wenn der Sechszylinder direkt hinter den beiden Sitzen erwacht wird’s jedem Rennsport-Affinen einfach nur warm ums Herz. Natürlich klingt ein luftgekühlter Porsche noch besser, keine Frage. Aber, was das durch die Ansaug- und Abgasanlage an Sound moduliert wird ist schon allerfeinst. Und dann das Getriebe. Ultrakurzer Schalthebel, supergenau geführt, dazu recht kurze Schaltwege – man mag gar nicht zu lange in einem Gang verweilen. Hoch und runter wird geschalten, auch ohne Not, einfach weils Spass macht.
Porsche hat nicht verlernt, was einen richtig guten Sportwagen ausmacht. Die möglichst direkte Verbindung von Fahrer und Fahrzeug nämlich. Dazu gibt’s Sitze und auf Wunsch auch Schraubstöcke, die allerdings immer noch bequemer sind also so mancher Autositz eines aktuellen Kleinwagen. Und, man kann auch im GT4 den «Affengriff» anwenden. Mit drei Fingern die Taste für die Aufpuffklappe, für die Sporttaste (das aktiviert die automatische Zwischengasfunktion) sowie ESP auf Sport – schon ist man bereit. Die Dämpfer auf «hart» zu stellen bräuchte einen vierten Finger und bringt auf öffentlichen Strassen eigentlich nichts. Da wird der GT4 schlicht zu hart. Ganz besonders auf den Strassen rund um die Renntrecke an der Algarve. Die Wege dort sind teilweise in einem erbärmlichen Zustand. Immerhin haben wir gelernt, dass trotz der massiven Absenkung der Karosserie die Bodenfreiheit bei vorausschauender Fahrweise noch genügend ist.
Also ab auf die Rennstrecke, keine einfache Piste dieses Portimao, rauf und runter, viele «blinde» Ecken. Völlig egal im Cayman GT4, das Fahrwerk verzeiht auch mal einen gröberen Schnitzer des Piloten. Es ist schon beeindruckend, wie neutral sich das Auto auch im Grenzbereich verhält, wir sind von Mittelmotor-Autos eigentlich anderes gewohnt. Die Nadel des Drehzahlmessers steigt und steigt, erst bei rund 8000 Umdrehungen ist Schluss, der GT4 schnupft die über vier Kilometer lange Piste regelrecht in sich auf. Hart anbremsen, Ruder rumreissen, etwas Schleppgas und bereits kurz vor dem Scheitelpunkt wieder hart aufs Gas. Der Cayman quittiert das mit einem kleinen Arschwackler, das Torque-Vectoring hat aber die ideale Lösung bereits errechnet und schon zieht der Porsche wie an der Schnur gezogen seine Bahn. Walter Röhrl war kurz vor uns auch in Portimao und hat auf seiner schnellen Runde einen Querbeschleunigungswert von 1,7 g erreicht. Der Walter, ein Spinner wie eh und je. Wir haben es nicht über 1,4 g gebracht. Das Auto fühlt sich in jeder Situation sehr leichtfüssig an, zeigt beim harten Einlenken eine ganz leichte Untersteuer-Tendenz. Einfach etwas das Gas lupfen, das gibt Gewicht auf die Vorderachse und schon geht’s völlig neutral ums Ecke. Lastwechsel mögen Mittelmotor-Autos ja eigentlich nicht so. Dem GT4 ist das: egal. Am Kurvenausgang, wenn der 3,8 Liter zügig die Drehzahlleiter erklimmt folgt der Cayman dem eingeschlagenen Kurs schon fast stoisch. Das kann ziemlich schnell ziemlich süchtig machen. Unser Pace-Car, ein 911er mit 400 PS hatte jedenfalls nicht wenig Mühe, die Cayman-Meute hinter sich in Schach zu halten. Allerdings hatte er auch reine Strassenpneus montiert und nicht die scharfen Cup-Reifen von Michelin. Die sind zwar auch für den Einsatz auf der Strasse zugelassen. In einem Wolkenbruch hält man mit den Gummis aber besser mal kurz an. Und dann, immer wieder das Getriebe: Klack, klack, klack – welch Wonne, die Zwischengas-Funktion funktioniert perfekt. Und trägt seinen Teil zum neutralen Fahrverhalten bei, das kaum Schleppmoment anfällt, welches das Fahrwerk in Unruhe versetzen könnte.
Ach, wir wollten gar nicht mehr Aussteigen, man fühlt sich schon nach wenigen Runden mit dem GT4 vergossen. Und, wie nicht anders zu erwarten, fuhren wir mit demselben Auto nach der Rennstreckenhatz locker und einigermassen gemütlich ins Hotel. Um dort die Preisliste zu studieren. 104'700 Franken ist das Mindestgebot für den scharfen Cayman. Das sind 6000 Franken weniger als für einen Basis-Elfer mit 350 PS. Trotz edelster Fahrwerkskomponenten. Wir sind: erstaunt. Und erfreut. Allerdings sollte man sich wohl beeilen mit bestellen. In Deutschland soll der GT4 bereits für dieses Jahr ausverkauft sein. Wir können jeden dieser Kunden bestens verstehen. Und für alle die nun noch ein Statement erwarten, ob der Cayman GT4 der bessere Elfer sei: ist er nicht, weil der 911 ist ein 911. Das Original. Aber, wer einen Elfer aufrüsten will um so viel Spass zu haben wie mit dem GT4 – der muss verdammt tief in die Tasche greifen.
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Original: radical