Die (Neu-)Erfindung des Automobils, Mercedes F015
Mercedes F015
Wer, wenn nicht Mercedes-Benz? Der Erfinder des Automobils interpretiert es auf der CES in Las Vegas völlig neu. Und dieses Mal bewegt das Mobil sogar selbst von selbst.
Eine Mobilitätsrevolution soll es sein. Die Antwort auf Fragen, die die Zukunft an uns stellen wird. Nur wirft das, was die Lösung sein soll scheinbar mehr Fragen auf, als es beantwortet. Zumindest wenn man an altbekannten Werten festhält.
Da wäre zum Einen die Grösse. 5.22 Meter in der Länge und 2.02 Meter in der Breite. Das ist auf dem Niveau der S-Klasse. Dem 3.61 Meter messenden Radstand der Studie muss sich selbst der neue Maybach geschlagen geben. Für die Passagiere bedeutet das vor allem: Raum. Verteilt auf vier Lounge-Chairs, die sich elektrisch in Konferenzstellung drehen lassen, zum leichteren Ausstieg nach aussen schwenken und selbstredend auch herkömmlich hintereinander positioniert werden können. Dazu gibt es Displays. Einen grossen, der gleichzeitig als Armaturenbrett dient, vier weitere in den Türen und eine Hand voll in den Seitenwänden und der Rückwand.
Das alles braucht es, um aus dem Interieur einen digitalen Erlebnisraum zu machen. Zu steuern ist das Aufgebot nicht durch Knöpfe oder Taster, nein, diese fehlen im F 015 völlig: alles wird durch Gesten, Augenbewegungserkennung, Annäherung der Finger oder den in diesem Umfeld beinahe altertümlich wirkenden Fingerdruck bedient. Doch die Kommunikation bleibt nicht auf den Innenraum beschränkt. Das futuristische Äussere der Studie spricht ebenfalls. Mit Fussgängern zum Beispiel, denen Leuchtsignale des LED-Kühlergrills signalisieren, dass sie von der Fahrzeugumfeldbeobachtung des F 015 gesehen wurden. Ein höflich auf die Strasse projizierter Laser-Zebrastreifen sorgt für den Leiter der Konzerforschung, Prof. Dr. Herbert Kohler, für «Vertrauen zwischen Mensch und Maschine». Weil es Signale dieser Art sind, die den klassischen Augenkontakt zum Fahrer ersetzen und für Sicherheit sorgen.
Technische Spielereien wie diese, aber auch ein Augmented Reality Head-up-Display begeistern die Technikjournalisten am Vorabend der grössten Unterhaltungselektronikmesse der Welt. Da fällt es gar nicht weiter auf, dass die Fähigkeit dank der bekannten «Extended Sense» genannten Sensorik-Vernetzung zum autonomen Fahren in der Hintergrund gedrängt wird. Über den Antrieb des F 015 Luxury in Motion schweigt sich Dr. Zetsche im Rahmen der Weltpremiere gar völlig aus.
Erst auf der letzten Seite der Pressemitteilung findet sich der Hinweis auf die F-Cell Plug-In Hybrid genannte Antriebstechnik. 272 PS leisten die beiden Elektromotoren an der Hinterachse in der Spitze. Auf Dauer stehen 163 PS zur Verfügung, da die Brennstoffzelle eben jene Leistung bereitstellen kann, in Beschleunigungsphasen aber vom 29 kWh grossen Akkuspeicher unterstützt wird. Bei einem Wasserstoffverbrauch von 0,6 kg/100km und einem Gesamtfassungsvermögen der beiden kohlefaserverstärkten Wasserstoff-Druckspeicher von 5,4 kg erreicht der F 015 eine Reichweite von 900 km, die bei voller Ladung des Akkus um weitere 200 km auf 1100 km gesteigert werden kann. Dass bei den Werten für Beschleunigung (6,7 Sekunden auf 100km/h) und Höchstgeschwindigkeit (200km/h) von Zielwerten gesprochen wird, zeugt zusätzlich vom wachsenden Bedeutungsverlust dieser einst so wichtigen Werte.
Doch der Mercedes-Benz F 015 Luxury in Motion ist eine Studie für das Jahr 2030+. Bis dahin werden sich Zeitgeist und Werte stetig wandeln. Vielleicht verstehen ihn dann auch die «petrolheads», die er heute noch ziemlich ratlos zurücklässt.
Herzlichen Dank an Fabian Mechtel. Mehrcedes gibt es in unserem Archiv.
Original: radical