Carlo 2.0, Fahrbericht Abarth 695 Biposto 2085
Fahrbericht Abarth
695 Biposto
Noch nicht erstellt
Der Name Abarth gehört zu Fiat. Carlo Abarth selig mochte die Autos aus Turin, nur waren sie ihm viel zu langsam. Also optimierte er die kleinen Kisten und machte sie schnell - und zuweilen auch schwer beherrschbar. Aber auch Modelle von Simca und Alfa waren vor Carlo sicher, bis er 1971 die Namensrechte an Fiat verkaufte. Er zog sich zurück und verstarb 1979. So musste er zumindest nicht mit ansehen, was Fiat unter seinem Namen auf die Räder stellte. Viele Fahrzeuge die in den Achtziger- und Neunzigerjahren auf den Markt kamen, hatten mit dem Spirit des Carlo Abarth - gelinde gesagt - wenig zu tun. Noch schlimmer wurde es, als Fiat den Namen als eigene Marke nutzte. Ein klein wenig mehr Dampf im Kessel, viel Blingbling, Aufkleber mit dem Skorpion allenthalben (das Logo entstand, weil Carlo im Sternzeichen des Skorpion geboren wurde), das wars. Lifestyle statt Rennsport hiess die Devise. Bis heute, aber nun scheint man sich in Turin besonnen zu haben. Mit dem Abarth 695 Biposto ist man wieder auf der richtigen Spur. Das Auto verkörpert alles, wofür Abarth mal stand. Kleiner Motor, wenig Gewicht, hochkarätige Komponenten. Leider ist das alles nicht ganz billig, aber davon später mehr.
Kommen wir zur Technik des Biposto. Er basiert natürlich auf dem Fiat Cinquecento, doch mit dieser Basis hat er nicht mehr viel gemein. Optisch ist er zwar noch klar als 500er der Neuzeit erkennbar, aber unter dem Blech - da ist vieles anders, edel, fein und vor allem auch leicht. 997 Kilogramm nennt Abarth als Leergewicht für den 695 Biposto, zumindest wenn man alle Karbon-Optionen ankreuzt. Dazu gibts 190 PS aus dem bekannten 1400er-Vierzylinder mit Turbo-Aufladung und ein maximales Drehmoment von 250 Nm. Derart motorisiert soll der Biposto in 5,9 Sekunden 100 km/h erreichen und maximal 230 km/h schnell sein. Aber das sind nur Zahlen.
Denn auch wenn Abarth den zweisitzigen 695 als kleinstes Supercar der Welt bezeichnet, auf der Autobahn in Deutschland würde man mit dem Kleinen nicht zu den Königen gehören. Auf der kleinen Rennstrecke in Varano nahe Parma hingegen, dort kann der wirklich zeigen, was er kann. Zumindest wenn man alle Optionspakete bestellt hat. Denn serienmässig gibts ein ganz konventionelles Fünfgang-Schaltgetriebe, relativ wenig Carbon und erst recht keine Motorhaube aus Aluminium. Also, noch mal den Ischiasgriff machen, ein paar grosse Scheine zücken. Und das obwohl das Basisauto mit 49'000 Franken ja nicht gerade ein Schnäppchen ist. Jaja, Gutes gibts nicht geschenkt... Ein Muss ist das Klauengetriebe von Bacci Romano. Und nein, es ist kein sequentielles Getriebe sondern hat einfach statt der Synchronringe kleine Klauen, die helfen dass die Zahnräder zusammen finden. Wers wirklich kann, schaltet ohne zu kuppeln, hoch und runter. Wer nicht geübt ist, nimmt die Kupplung zu Hilfe. Auch dann noch geht der Gangwechsel sauschnell. Und, allein die Optik des Schalthebels, die offene Schaltkulisse, ist das Geld wert (im Paket mit einigen anderen Nettigkeiten für 15'000 Franken).
Als Dog-Ring bezeichnet man dieses Getriebe im englischen Sprachraum. Klingt gut, sagt aber nichts darüber aus wie schnell man mit dem Teil die Gänge wechseln kann. Und das Klack-Klack beim Gangwechsel - zum niederknien!!!
Also raus auf die Piste, Reifen warm fahren erübrigt sich denn es regnet leicht und ist nur etwa 8 Grad warm. Grip ist also nicht, auch wenns ein mechanisches Sperrdifferential gibt. Dies hat eine maximale Sperrwirkung von 25% beim Beschleunigen. Beim Anbremsen allerdings ist es wirkungslos. Das finden wir schade, es hätte der Fahrzeugstabilität beim harten Verzögern gut getan. Aber Abarth sagt, man habe aus Komfortgründen darauf verzichtet. Schade. Und auch die 18-Zöller von Goodyear, auf der Strasse sicher eine gute Wahl, sind nicht die perfekten Tools auf einer nassen Rennstrecke. Aber egal, denn etwas ist klar. Unter einer Tonne Leergewicht, das ist wie Go-Kart fahren. Der kleine Abarth lenkt ein wie ein Hase auf der flucht. Zack, recht rum, kurz das Gas lupfen, der Hintern hilft beim Einlenken, links rum, voll aufs Pedal und immer schön die Lenkung öffnen damit der Biposto nicht gnadenlos untersteuert. Nach einigen Runden tanzt man mit dem Abarth über den Asphalt. Scheitelpunkt verpasst? Egal, irgendwie kommt der Abarth um jedes Eck, zur Not kurz an der Handbremse rupfen und schon gehts weiter. Dazu schnell die Gänge wechseln, den kleinen Motor in den roten Bereich zu drehen macht auf nasser Piste keinen Sinn, es fehlt einfach die Traktion. Besser das feine Drehmoment nutzen- Klack, klack, klack, ach wie ist das schön - Carlo hätte seine Freude an dem kleinen Teil. Und wir können gar nicht mehr aufhören. Nicht dass das normale Getriebe schlecht wäre, aber wenn schon, denn schon.
Bremsen geht natürlich auch, Abarth vertraut das auf Teile von Brembo. Sound geht auch, Akrapovic sei Dank. Ach ja, trotzdem ist der Biposto kein Brülleimer. Die gepflegte Konversation mit dem Beifahrer fällt dennoch aus. Entweder er reiert gerade ins nicht vorhandene Handschuhfach oder schweigt und geniesst.
Geniessen kann man, denn die Sportschalensitze sind nicht nur sehr gut geschnitten sondern auch erstaunlich bequem. Und, man kann sich die aktuellen Rundenzeiten auf dem Racing-Kombiinstrument anschauen, hat eine Schaltanzeige mit Leuchtdioden und einiger andere Features. Kostet im Paket mit etwas Innenraum-Karbon und einem Helm sowie Vierpunkt-Gurten mal locker 4900 Franken zusätzlich.
Egal, wer sich so einen 695 Biposto kauft dem dürfte die Kohle egal sein. Der ist es wohl einfach leid, sich mit dem Ferrari durch Mailand zu quälen und hat nun eine valable Alternative. Einzig wenn man die Seitenscheiben aus Polycarbonat (mit Strassenzulassung!) bestellt dürfte es lustige Bilder geben wenn der edel gekleidete Fahrer versucht, aus dem kleinen Schiebefensterchen ein Parkhausticket zu ziehen... Der 695 Biposto hat noch eine ganze Menge anderer hochwertiger Komponenten mit an Bord, an dem Teil haben alle namhaften Zulieferer mitgearbeitet. Luftfilter von BMC, komplett einstellbares Fahrwerk von Extreme Shox oder Titanteile von Poggipolini. Und eben, jede Menge Carbon, Polycarbonat von Isoclima oder die Sitze und Gurte von Sabelt. Aber eben, wer das alles will muss über 77'000 Franken in die Hand nehmen.
Doch, das kann aufgehen. Wer so einen Abarth 695 Biposto unbedingt haben will, ist sicher kein Maurerlehrling sondern hat schon andere hochkarätige Autos in der Garage. Genau auf die Klientel zielt Abarth ab und wir glauben, dass diese Taktik aufgehen kann. Für den Normalverbraucher ist der Biposto ersten kaum bezahlbar und macht zweitens keinen Sinn. Denn das Wort Nutzwert beim Biposto in den Mund zu nehmen wäre - blöd. Wir sind den kleinen Fiat auch kurz auf der Strasse gefahren. Natürlich haben die Techniker das Fahrwerk des Autos so weich wie möglich eingestellt, denn schliesslich sind Strassen in Norditalien kaum von unseren Feldwegen zu unterscheiden. Und, es ist durchaus aushaltbar an Bord des Abarth. Klar, er federt nur wenn er unbedingt muss, aber es ist auch keine unzumutbare Tortur den Biposto auf öffentlichen Strassen zu bewegen. Wir sind begeistert von 695er mit zwei Sitzen. Weil er konsequent ist, pur, schön und vor allem sehr leicht. Alles, was es braucht also, aber ob die angestrebte Klientel die Achselschweissringe am feinen Zwirn mögen wird, wagen wir zu bezweifeln. Eine Klimaanlage gibts nämlich weder gegen Geld noch gegen gute Worte. Aber das gabs ja bei den Autos von Carlo auch nicht.
Mehr Fiat/Abarth gibts im Archiv.
Original: radical