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Kampfstern Galactica, Test Audi RS6 Avant 1853

Published in radical-mag.com

Test Audi RS6 Avant

Noch nicht erstellt
Ach, was sollen wir über einen Kombi mit 560 PS und 700 Nm schreiben? Er ist sauschnell? Naja, das triffts nicht wirklich. Schnell ist er, der Audi RS6, aber er ist noch viel, viel mehr. Für unseren Geschmack tanzt er aber auf zu vielen Hochzeiten. Ein Beispiel: gemäss Werk zieht der Audi in 3,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und ist maximal 305 km/h schnell. Aber: wozu? Und wo soll man diese Leistungsgrenzen, bitteschön, ausreizen? Klar, diese Frage kann man sich bei zahllosen potenten Automobilen stellen, aber nirgends ist die Frage drängender als beim RS6.

Dieses Auto ist der Traum jedes Verkehrspolizisten, der dem gemeinen Bürger gerne die Fahrerlaubnis abnimmt. Man denkt erst zu rollen, schon ist man jenseits der helvetischen Geschwindigkeitslimiten. Weit jenseits. Selten war es für mich so anstrengend, ein Auto zu fahren. Ständig, immer, dauernd, manchmal auch noch, wenn das Auto auf dem Parkplatz steht, blickt man auf den Tacho. Immer «tastet» man mit den Augen jeden Winkel der Strasse nach einem Radarkasten ab. Und wenn man das Gefühl hat, hier ists fein, drückt man ab. Voll rauf aufs Fahrpedal, die beiden Lader schnaufen ein und schon wird der mächtige Wagen nach vorne katapultiert. So muss es sich anfühlen, wenn die Piloten in ihren Alukisten mit dem Dampfkatapult vom Flugzeugträger geschossen werden. Anstrengend.

Was macht der geneigte Sportfahrer in solchen Fällen? Klar, er sucht sich kurvige Strecken, um Spass zu haben. Den kann man mit dem RS6 auch durchaus haben, aber nur in schnellen Autobahnbiegungen. Wirds enger, merkt man, dass das Auto vor allem eines will: möglichst schnell weg von den Kurven, wieder zurück auf die Autobahn. Denn der RS6 fühlt sich auf normalen Schweizer Strassen einfach nur an wie: Blei. Klar, mit Allrad und elektronischen Helferchen ist das Biest eigentlich einfach zu kontrollieren. Aber es macht halt einfach: nicht wirklich Spass.


Klar ist es ein geniales Gefühl, wenn du am Kurvenausgang die 700 Nm auf die vier Räder loslassen kannst. Und diese trotzdem (zumindest mit den Winterreifen) immer noch um Gnade winseln. Auch hier: allein schon, was ein Satz Winterpneus (hinten 285/30 R 21) kostet, geht über unser Vorstellungsvermögen hinaus. Klar sind die rautenförmig abgesteppten Sport-Ledersitze echte Po- und Rückenschmeichler. Und natürlich ist die Verarbeitung im Innenraum vom Feinsten. Und ja, er macht auf der Strasse schon eine Menge her mit seinen breiten Backen. Auch hier, eher schon zuviel. Wenn selbst Audi-affine sagen, der sieht so aggressiv aus, dann ists wohl des Guten etwas zu viel.

Wie schrieb mein Scheff mal über die Front? «Wir können nicht verstehen, wieso sich Audi so viel Mühe gibt bei der Gestaltung der Scheinwerfer. Meist sieht man sie eh nicht, weil der Herr im Audi so nahe auffährt...» Das gilt für den RS6 in besonderer Weise.





Clio-Fahrer verlassen die linke Spur fast im 90°-Winkel, wenn man im
Rückspiegel auftaucht. Dabei wollte man sie ja gar nicht überholen. Im
RS6 wird man also zum schnell Fahren gezwungen!

Doch es gibt natürlich auch Sachen, die im Audi RS6 Avant richtig Spass machen. Der Sound zum Beispiel. Dieser kernige V8-Sound ist trotz Turboaufladung nicht verloren gegangen. Ausser, der Vierliter läuft gerade im Vierzylindermodus... Ohne Anzeige würde man das gar nicht merken, das hat man in Igolstadt schon sehr gut hingekriegt.

Ach ja, zwei so mächtige Lader, wie sie der RS6 hat, brauchen natürlich Futter. Also, die Lader an sich sind ja genügsam, die wollen nur Luft. Der V8 ist da nicht ganz so zurückhaltend, der will guten Sprit, um die Fuhre voranzubringen. Und, wenn man sich nicht im Zaum halten kann, sind das gerne Mal 19 Liter pro 100 Kilometer. Während des Tests gings aber mit deutlich weniger. Zwar nicht mit den versprochenen 9,8 Litern, aber immerhin mit 11,4 L/100 km. Das ist, ja wir sagen das so, angesichts der Masse des Fahrzeugs und den galaktischen Fahrleistungen: wenig! Vor allem dürfte der Verbrauch den potenziellen Käufer eh nicht stören, denn unser Testwagen stand mit gut 170'000 Franken in der Preisliste. Da sind dann 3500 Stutz für einen Satz Winterreifen nicht mehr viel Geld. Also, im Verhältnis.

Dafür gibts den perfekten Brenner für die Autobahn in Deutschland. Wahnsinnig durchzugsstark, enorm stabil  und vor allem  hervorragend verarbeitet. Ohne jeglichen Aufpreis gibts noch was, was offenbar viele, die sich für den scharfen Audi interessieren, mögen: jede Menge anerkennende Blicke von Neo-Golfern und Versicherungsmaklern.

Mehr Audi gibts im Archiv.



Text: Cha, Fotos: Werk.

Original: radical

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