Supertest 2013 (8)-1364
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Ist die Cayman-Kundschaft wirklich so rein gar nicht technik-affin, sind es wirklich die Frisösen, die das Ding in der Stadt von Parkhaus zu Parkhaus bewegen? Was halt fein ist: Materialqualität, Verarbeitung, doch das darf man von einem deutschen Qualitätsprodukt ja auch so erwarten, zumal auch der Cayman kein Schnäppchen ist, ab 71'200 Franken geht es los, der S ist dann mit mindestens 88'300 Franken angeschrieben. Und ja, auch bei Porsche kommt dann noch eine ganze Menge dazu, es gibt wohl nicht viele Cayman S in der Schweiz, die im Preis fünfstellig bleiben.
Und auch wenn wir meinen, der 911er sei über die Jahre schon etwas gar adipös geworden, zumindest optisch (beim Gewicht ist das ja erfreulicherweise nicht so, da hat Porsche die Spirale Richtung oben rechtzeitig aufhalten können): der Cayman ist vielleicht etwas zu schlank. Die Optik ist, und das ist jetzt ganz subjektiv, selbstverständlich, halt irgendwie nicht berauchend, zu zurückhaltend, zu sehr form follows function. Nein, wir sind nicht die die den grossen Auftritt schätzen, die Show brauchen, ganz im Gegenteil, es ist löblich, dass der Heckspoiler nur dann sichtbar ist, wenn er auch etwas bringt, dass es keine wilden Kotflügelgeschwulste gibt und auch keine aufgespritzten Botox-Lippen rundum oder sonstigen unnötigen Anbauteile. Und trotzdem.
(Ach, ja: er war gar nicht knallrot, der Cayman S im diesjährigen Supertest, er war grau. Ob es daran gelegen haben könnte?)
Mehr Porsche gibt es im Archiv. Die Übersicht über den Supertest 2013: hier.
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Und trotzdem: der Cayman kann dem 911er nicht das Wasser reichen. Nicht einmal ein Wässerchen. Wer das Gegenteil behauptet, der hat keine Ahnung. Man liest, hört es allerorten (sogar hier auf radical...), immer wieder, dass sich der Grossvater unter den wahren Sportwagen warm anziehen müsse, weil ihm sein kleiner Bruder immer näher auf die Pelle rücke. Doch das ist Schwach- samt Blödsinn. Das ist so ähnlich wie ein Bild von Venedig in einer Illustrierten zu betrachten - oder Venedig sehen (sterben muss man dann ja nicht gleich). Es geht dabei auch weniger um die Fahrleistungen, die reine Dynamik, auch nicht um die Optik oder das Verhältnis zwischen Preis und Leistungen.
Aber es geht um genau jenes Dings, das einem Nissan der Z-Baureihe immer fehlen wird, weshalb er nie als ernsthafter Sportwagen anerkannt werden wird, an dem das Genesis Coupé von Hyundai auch mit scharfem Design, V12-Doppelturbo, Allradantrieb, Doppelkupplungsgetriebe und einer Rundenzeit auf der Nordschleife von unter 7 Minuten kränkeln würde: Ausstrahlung. Charisma. Das gewisse Etwas und auch noch das Grosseganze.
Der Cayman ist (und bleibt) der Frisösen-Porsche, der kleine Bruder, das Schattengewächs, ein Boxster mit Dach. Und wenn die Zuffenhausener dereinst (sprich: bald) die R-Version bringen werden mit mehr Pferden und deutlich weniger Gewicht als der Basis-911er, die dem Grossvater auf Strasse und Rennstrecke um die Ohren fliegen wird, dann wird der 50-jährige Gentleman das mit einem Lächeln zur Kenntnis nehmen - und trotzdem die klügere und schönere Beifahrerin mit nach Hause nehmen (bildlich gesprochen, selbstverständlich). Wir hatten das schon einmal, bei den Luxus-Limousinen: es geht nicht um Stil, es geht um eine Haltung.
Das ist das «Problem» eines solchen Vergleichs: Der Cayman S ist, wenn man ihn einfach so fährt, ein Knaller. Es ist auch absolut verständlich, dass man ihn toll, wunderbar, herrlich findet, geht uns ja auch nicht anders (siehe: hier. Oder: hier.). Doch dann steht er, knallrot, beim Supertest 2013 auf dem Parkplatz neben dem 911er, dunkelschwarz - und Du siehst den Cayman nicht. Beachtest ihn kaum. Was auch daran liegt, dass sich der Cayman-Fahrer immer irgendwo hinter dem grossen Bruder anstellt. Fast so ein bisserl verschämt. Und dann, beim Fahren, wenn man den direkten Vergleich hat, sich zuerst den Cayman und dann den 911 zur Brust nimmt, dann willst Du nachher nicht mehr zurück, dann hat er einfach verloren. Klar, so ein Cayman kostet fast einen Cayman weniger als ein 911er, aber wir bewegen uns da eh in Preisregionen, in denen die Luft schon ganz dünn ist, einen Cayman kann sich eh nur leisten, wer sich auch einen 911er leisten kann.
Keine Frage: der Cayman ist als S, also mit 325 PS und 370 Nm und 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, ein wunderbares Gefährt. Er hat massiv Bums (4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, und das schafft er), er hat diese feine Balance (Mittelmotor!) und er ist erfreulich leicht (1350 Kilo). Für unsereins, die wir zwar ganz flott, aber nicht auf höchstem Niveau einhergleiten, ist er das perfekte Spielzeug - ausser, man geht etwas gar flott vom Gas, dann macht er komische Dinge, kommt hinten, dann musst Du schnell sein am Lenkrad, sonst wird es kompliziert. Auf der öffentlichen Strasse, auf der es ja anscheinend so gewisse Vorgaben gibt, da ist man schnell, schnell, schnell, und das locker, easy, sehr entspannt. Der Cayman giesst sich wie ein guter Schuh um den Piloten, man fühlt sich sofort wohl, man lehnt sich bald schon weit aus dem Fenster, fahrtechnisch. Und da am Berg, wenn es etwas enger ist, da fährt dem Cayman der 911 nicht davon; zum Überholen reicht es aber auch nicht. Und dummerweise hörst Du das wunderbare Röhren des 911ers da vorne, während der Sound des Cayman auch als S und mittendrin im Cayman irgendwie kümmerlich ist (den Lärm-Vergleich mit Nismo-Nissan und Hyundai machen wir dann noch...). Man kann dann mit den Fahrprogrammen arbeiten, Sport und Sport-Plus, dann ist da mehr los, auch in Sachen Dynamik.
Wendlinger sagt: «Das Auto ist kompakt abgestimmt und in den engen Passagen sehr wendig. Lenkung, Bremse, Getriebe sind gut. Er könnte mehr Leistung vertragen, es könnten auch 420 PS sein.» Und dann sagt Wendlinger noch einen schönen Satz, genau so: «Schön sitzen.»
Innen ist er gut, der Cayman, ergonomisch halt so, wie Porsche so sind, vielleicht etwas eng, wenn man grossgewachsen ist, viel Luft ist da nicht, doch das soll in einem Sportwagen ja so sein. Kofferraum hat er vorne und hinten und viel ist es trotzdem nicht, aber wieder: das ist in Sportwagen einfach so, man muss ja keine Ikea-Regale transportieren damit. Ein bisschen traurig ist, dass man vom Motor rein gar nix hat, den hat Porsche unter Teppichen versteckt.
Original: radical