Supertest 2013 (6), Supertest 2013 (6)-1360
Hyundai Genesis Coupé
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Es kommt immer auf die Betrachtungsweise an. Wir haben ja schon über das Genesis Coupé berichtet (Test: hier), und da kam der Koreaner nicht sonderlich gut weg, naja, so durchzogen. Und als ich die Liste der Teilnehmer am Supertest 2013 zum ersten Mal sah, da war hielt sich meine Begeisterung über die erstmalige Teilnahme eines koreanischen Produktes an dieser eher elitären Veranstaltung auch in engeren Grenzen. Nissan 370Z und das dann noch als Nismo, ok, die Japaner haben gefühlte 75 Jahre Geschichte mit Fahrzeugen, die immer gerne Sportwagen gewesen wären - aber Hyundai? Und dann ist in dieser Gruppe der Halbstarken ja auch noch ein Porsche - können dem Genesis Coupé da mehr bleiben als die Brosamen? Doch dann...
Das Querfahren auf öffentlichen Strassen gehört nicht zu den Hobbies, die Automobilisten dringend pflegen sollten. Grossmütter werden davon erschreckt, und der Gesetzeshüter mag solches Treiben rein gar nicht, legt es gern auch als Nichtbeherrschen des Fahrzeugs aus. Es wird auch nur noch selten praktiziert, dieses Driften, denn gefühlte 99,9 Prozent aller Automobile verhindern es elektronisch bereits im Ansatz, selbst bei einst so berühmten «Heckschleudern» wie dem Porsche 911 oder den sportlicheren Modellen von BMW schiebt die ganze Fuhre quasi nur noch über die Vorderräder. Sicherheit heisst das dann; Fahrspass war einmal.
Beim Hyundai Genesis Coupé ist das anders. Selbstverständlich gibt es auch da elektronische Helferlein, die den Piloten vor zu ungestümen Treiben bewahren. Aber ganz prinzipiell ist der Koreaner als klassischer Hecktriebler ausgelegt - und er lässt sich auch so bewegen. Es ist solches Querfahren durch Kreisel oder enge Kurven natürlich nur jenen empfohlen, die auch wissen, was sie tun, doch es geht, und es geht gut, es ist sogar so, dass der Koreaner dazu animiert.
Es ist ein wenig wunderlich, dass ausgerechnet Hyundai, sonst eher für ein feines Verhältnis zwischen Preis und Leistung sowie eine gewisse Biederkeit bekannt, dieses Vergnügen ganz aktiv unterstützt. Und dabei problemlos beherrschbar bleibt: man weiss immer, was das Auto jetzt dann tun wird.
Die potentere Variante des Genesis Coupé verfügt über einen 3,8-Liter-V6, der ohne künstliche Beatmung auf stolze 347 PS kommt (es gibt auch noch den 2-Liter-Turbo). So motorisiert will er, 1,6 Tonnen schwer, in 6,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h rennen, der Vortrieb endet, elektroinisch begrenzt, erst bei 260 km/h. Diese Angaben erscheinen, wie wir nach einem intensiven Fahrerlebnis vermelden können, zwar eher auf der optimistischen Seite zu liegen, aber wenig kümmerts. Die Verbrauchsangaben – Hyundai meint, dass es gemäss Norm nur gerade 10,0 Liter sein sollen – hingegen entbehren noch mehr der Realität, der Bordcomputer zeigte dann auch einmal eine 2 vorne an. Aber da wurde die Leistung auch intensiv abgefordert, was dem Koreaner bestens zu gefallen schien.
Will man nicht zu flott, sondern mehr so: cruisen, dann darf man sich an 400 Nm maximalem Drehmoment erfreuen, die aber erst bei 5300/min anliegen. Achja, auch noch erfreulich: der Sound ist ganz anständig, eher sonor, noch gut.
Wendlinger sagt allerdings: «Zu wenig Leistung.» Und er sagt auch noch: «Schwierig zu fahren. Er ist vom Schwerpunkt her zu hoch - und produziert dadurch zu viel Lastwechsel. Deshalb ist er in schnellen Passagen gar nicht so präzis zu fahren. Man denkt, es geht, es geht - und dann bewegt sich die Masse wieder und man verliert die schöne Spur.» Ja, da geben wir dem Karl recht, die Lenkung ist nicht das Gelbe vom Ei, und das Weisse auch nicht.
Wir bewegten im Supertest 2013 die Version mit dem manuellen 6-Gang-Getriebe, es gibt aber auch einen 8-Gang-Automaten. Der dürfte in diesem Fall die bessere Wahl sein, denn das händische Schalten ist im Genesis relativ kräfteraubend, die Wege zu lang. Ausserdem hat man dann nicht mehr beide Hände am Lenkrad, was bei den eingangs geschilderten Tätigkeiten aber dringend nötig ist. Ansonsten ist der sportive Hyundai kein bretterharter Sportler, der die Insassen quält, sondern einer, der auch auf längeren Strecken erfreulich komfortabel ist. Gute Sitze, zumindest vorne (hinten will eh niemand sitzen), dafür scheinen Dinge wie Ergonomie und Haptik spurlos an den Ingenieuren vorbeigegangen zu sein. Die Fülle an verschiedenen Materialien und vor allem Hartplastikteilen ist erschreckend, da merkt man, dass das Genesis Coupé in erster Linie für den amerikanischen Markt gebaut wird. Ennet dem grossen Teich scheinen ausserdem die Ansprüche an eine saubere Verarbeitung etwas geringer zu sein.
Doch dazu gilt es halt auch noch zu schreiben: das Genesis Coupé mit dem 3,8-Liter-V6 kostet 44900 Franken, dies mit schon sehr kompletter Ausstattung und guten Garantieleistungen. Als einzige Optionen stehen noch der 8-Stufen-Automat (für 2800 Franken) und die Metallic-Lackierung (für 900 Franken) auf der Aufpreisliste.
Für dieses Geld gibt es beim Supertest-Konkurrenten Porsche nicht einmal einen warmen Händedruck; vergleichbar in Sachen Kosten und Leistung (und auch Fahrfreude) ist einzig der (schon etwas antiquierte) Nissan 370Z. Optisch macht der Koreaner, man ist sich nichts anders gewohnt, halt nicht so viel her, aber vielleicht hat der neue Design-Verantwortliche bei Hyundai, Peter «Audi TT» Schreyer, ja eine Inspiration für die nächste Generation.
Trotzdem, das Genesis Coupé wird ein Exot bleiben auf den (Schweizer) Strassen. Nicht allein deshalb, weil nur 50 Stück importiert werden: in diesem Segment ist Image fast alles, Wer sich hierzulande einen zumindest halbstarken Sportwagen anschafft, der will auch unbedingt, dass die Nachbarn sehen, dass man sich ein anständiges, ein bekanntes Produkt leisten kann. Und das heisst dann mit grösster Wahrscheinlichkeit: Porsche. Mit dem lässt sichs aber nicht so einfach querfahren...
Mehr Hyundai gibt es im Archiv. Und mehr Supertest: hier.
Original: radical