Prädikat: wertvoll, Fahrbericht BMW i3-1352
Fahrbericht BMW i3
Noch nicht erstellt
(Wir haben schon länglich vorberichtet über den BMW i3, da steht so einiges zur Technik, zum Carbon, auch zum Mut vom BMW, wir mögen das weiterhin zur Lektüre empfehlen, hier.)
Es war genau das Szenario, das man in einem Elektroauto eigentlich nicht erleben mag. Da steht in der Reichweitenanzeige: 8 km. Auf dem Verkehrsschild, das uns dem Weg zurück zur Steckdose zeigt, steht aber: 14 km. Das macht dann sanft nervös, aber der freundliche Herr von BMW, der auch sonst extrem souverän und freundlich alle Fragen beantworten konnte, hatte uns ja einen Tip auf den Weg gegeben: ecoPlus+. Das ist dann Sparen in seiner reinsten Form, jedes Fitzelchen Strom wird rekuperiert, die Höchstgeschwindigkeit auf etwa 70 km/h beschränkt. Trotzdem, die Reichweite wanderte beängstigend nach unten, und als es noch 2 Kilometer waren bis zum Nachladen, hatten wir noch: 1 km. Ja, es hat dann natürlich trotzdem gereicht. Nein, die Problematik mit der fehlenden Reichweite, der Angst davor, ultimativ liegenzubleiben, die hat BMW nicht gelöst. Aber eine helfende Hand bieten die Bayern, etwas mehr Sicherheit, ein gutes Gefühl von Eigenverantwortung.
ecoPlus+ gibt es also, ecoPlus auch, und dann noch Comfort, drei verschiedene Fahrstufen, drei verschiedene Charaktere. Zumeist wird man wohl Comfort wählen, da rekuperiert die Batterie nicht zu stark, sprich: der Wagen fällt nicht ganz in sich zusammen, wenn man vom «Gaspedal» geht. Aber es ist gut, dass man die Wahl hat, dass man den i3 so bewegen kann, wie es dem Piloten am sinnvollsten erscheint. Mit ecoPlus lässt sich die vom Werk angegebene Reichweite von 160 Kilometern wahrscheinlich erreichen - falls es nicht bitterkalt ist, falls die Klimaanlage, Licht und Radio und sonstige Stromfresser nicht auf Hochtouren laufen. Aber allein diese Angaben zeigen schon auf, dass BMW das Rad neu erfunden hat, nicht einmal das Elektroauto definieren die Bayern neu. Mit 160 Kilometern Reichweite setzt der i3 keinen neuen Bestwert, das können andere E-Autos auch oder sogar besser (Tesla!).
Für alle, denen das zu wenig ist, wird es noch eine i3-Variante mit Range-Extender geben, ein Dreizylinder-Motörchen plus einen 9-Liter-Benzintank plus 120 Kilo Übergewicht, damit ist man dann zwar auf der sicheren Seite in Sachen Reichweite, doch dafür ist die CO2-Bilanz nicht mehr ganz so grossartig.
Doch wir wollen hier von der reinen Lehre schreiben, dem puren Elektriker, der 1195 Kilo wiegt. Das ist ein hervorragender Wert, denn immerhin schleppt der i3 stolze 280 Kilo an Batterien und Elektromotoren herum. Dank der grosszügigen Verwendung von Carbon allerorten kommt der knapp 4 Meter lange, 1,78 Meter breite und 1,58 Meter hohe Bayer aber auf einen Wert, der in etwa einem (etwas grösseren) Golf entspricht. In etwa gleich ist auch das (gefühlte) Raumangebot; grosszügige Platzverhältnisse gehörten ja nicht immer zu den Stärken von BMW, doch beim i3 ist die Nutzung clever, es ist vor allem angenehm viel Luft nach oben und unten an den Beinen, weil ja keine Kraftstränge nach hinten verlaufen müssen.
Hilfreich sind die gegenläufig öffnenden Türen, wie wir sie auch vom Opel Meriva kennen, der Zugang nach hinten ist locker. Der Kofferraum ist nicht riesig, aber einigermassen gut zugänglich.
Innen, tja, da werden sich bisherige BMW-Kunden vielleicht ein wenig verwundert umschauen. Denn da ist nicht edles Holz und teures Leder Trumpf, sondern Nachhaltigkeit. Die Verkleidung von Türen und oben am Armaturenbrett sieht ein bisserl aus wie Dachpappe, aber sie ist halt leicht und besteht aus nachwachsenden Materialien; solches schuldet man wohl der potenziellen Kundschaft. Die Bedienung ist logisch, klar, ergonomisch gut, es gibt auch nicht zu viele digitale Angaben, wie das denn jetzt läuft mit dem Strom und wohin der fliesst, das interessiert sowieso niemanden. Die Sitzposition ist für einen BMW ziemlich hoch, doch man thront nicht unangenehm, guter Seitenhalt, bequem auch auf längeren Strecken (die man im i3 eh nicht zurücklegen kann).
Der kleine Stromer, 170 PS stark, beschleunigt BMW-typisch sehr flott, in 7,2 Sekunden ist er von 0 auf 100 (die Höchstgeschwindigkeit ist allerdings auf 150 km/h beschränkt). Doch da ist trotzdem und trotz der schmalen Reifen jede Menge Fahrfreude. Wie alle E-Autos verfügt der i3 über eine sehr gute Durchzugskraft, aber das Fahrwerk verträgt auch so einiges in Sachen Kurvengeschwindigkeiten, der BMW lässt sich grob in Eck hauen, auch wenn das vielleicht nicht der Sinn ist eines Elektroautos. Obwohl der i3 hoch baut, sind die Wankbewegungen kaum zu spüren, was dem tiefen Schwerpunkt (Batterien) zu verdanken ist. Die Dämpfung ist allerdings eher auf der harten Seite, ohne deswegen aber gleich unkomfortabel zu sein. Doch wir sind in erster Linie erfreut, dass das sportliche Fahrverhalten jetzt auch bei den E-Autos Einzug halten darf. Bremsen sind eh kein Thema beim Stromer, es sei aber vermeldet, dass es BMW geschafft hat, sie feinfühliger auszulegen als bisher bei Elektrikern gewohnt, da ist nicht zuerst nichts und dann plötzlich viel, sondern alles schön gleichmässig, wie man das von «normalen» Autos kennt.
Überhaupt: der i3 ist ein BMW durch und durch, abgesehen von der manchmal gespenstisch anmutenden Ruhe fährt er sich wie ein 1er oder 3er, fein, problemlos, locker. In der Stadt gefällt er durch seine extreme Wendigkeit (er lässt sich quasi auf einem Bierdeckel drehen), die hohe Agilität (Durchzugskraft) und gute Übersichtlichkeit (den haut man auch noch in die kleinste Lücke zwischen einem Q7 und einem X5). Und über Land kann man es durchaus fliegen lassen, einzig der harte Rad-an-Rad-Kampf auf der deutschen Autobahn gehört sicher nicht zu seinen Stärken, da muss er den Audi RS6 den Vortritt lassen.
Ein gutes, sogar sehr überzeugendes Produkt also, mit einem Ab-Preis von unter 40000 Franken für einen BMW mit derart hohem Zukunftsanspruch nicht einmal sehr teuer. Doch es sind weder Fahrleistungen, neue Materialien noch der interessante Preis, die den i3 wirklich aussergewöhnlich machen, sondern der Mut vom BMW, mit der Untermarke «i» vollkommen neue Wege zu gehen, auch in Sachen Design. Ist er hübsch, sieht er gut aus? Wir haben ihn lange betrachtet, und je länger wir ihn angeschaut haben, desto besser hat er uns gefallen. Aber das ist eine subjektive Empfindung. Und wir wagen trotzdem die Voraussage, dass der i3 sicher nicht an seiner Optik scheitern wird.
An was dann? Es gibt eigentlich keine rationalen Gründe, die gegen den i3 sprechen. Ja, vielleicht die Reichweite, immer wieder die Reichweite, doch wir sind schon der Überzeugung, dass da so langsam ein Umdenken stattfindet, dass sich die Kundschaft daran gewöhnen will und kann. Das geschieht nicht heute, das geschieht auch noch nicht morgen, aber BMW wird ganz viel Marketing-Geld einsetzen, um das geneigte Publikum auf seine Seite zu ziehen, Überzeugungsarbeit zu leisten (und, wahrscheinlich, auch dafür, mehr öffentliche Schnellladestationen aufzubauen). Ob das schon reicht, um den Elektroautos endlich so etwas wie den Durchbruch an der Verkaufsfront zu sichern, das muss sich noch weisen. Sicher aber ist: die anderen Hersteller sind aufgeschreckt, bemühen sich fast ein bisschen krampfhaft, den Zug in Richtung Zukunft auch noch zu erwischen. Mercedes, zum Beispiel, hat gerade angekündigt, die B-Klasse bald schon auch rein elektrisch anbieten zu wollen, mit Batterien-Technik von Tesla; VW kommt bald schon (und ebenfalls mit viel Marketing-Macht) mit den elektrischen up! sowie Golf. Je mehr von den bekannten Herstellern mitmischen in diesem Spiel, desto schneller wird das funktionieren mit der Akzeptanz. BMW führt mit dem i3 in diesem Spiel um die Zukunft die bisher feinste Klinge (abgesehen von Tesla), und wir betrachten das mit Hochachtung.
Wie sehen Sie das? Wird sich der i3 durchsetzen können? Schreiben Sie uns Ihre Meinung.
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Original: radical