F***ing Mythos, Test VW Golf GTI 1801
Test VW Golf GTI
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VW wird nicht müde, vom Mythos des VW Golf GTI zu reden. Doch Hand aufs Herz, wenn es begehrenswerte GTI-Gölfer gibt, dann einen aus der ersten Serie. Und, ja auch aus der zweiten Generation. Danach war lange Sendepause. Der Golf GTI der siebten Generation soll nun wieder so ein Kultfahrzeug sein. Pfeilschnell, bezahlbar, und ein Zauberkasten. Weil er dem Fahrer ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann. Wir haben den Zauberkasten ausgiebig getestet, sind mit ihm auf der Rennstrecke ebenso gefahren wie in der abendlichen Roush-Hour. Und kommen, so viel sei verraten, auf ein eindeutiges Fazit: zur Hölle mit all diesem Kult, vergesst als die Einser-GTI's, der neue Golf GTI ist eine Sache für sich.
Und ich höre sie schon wieder Aufschreien, all die Golf-Puristen. Die mit ihren gepimten Golf I am Stammtisch jeden versägen, der sich ihnen in den Weg stellt. «Mein GTI ist so leicht, ich überhole dich aussen rum, da reichen meine 130 PS locker aus». Es ist eine Mischung aus Verblendung (früher war alles besser) und Überschätzung (nur weil das Teil Lärm macht wie ein Kampfjet heisst es noch lange nicht, dass es schnell ist). Das die kurzen Federn den Wagen um die Kurve hüpfen lassen statt sie zu umrunden – verdrängt. Liebe GTI-Jünger der 1. und 2. Generation: vergesst es einfach! Den neuen GTI mit 230 PS und Performance-Paket holt ihr nie, nie im Leben. Das Auto ist einfach zu souverän. Egal ob auf der Piste, auf der Bergstrasse oder beim Ampelsprint. Bis ihr den zweiten Gang drin habt schaltet das DSG bereits in den Dritten. Verstellbares Fahrwerk, verstellbare Lenkung, variable Gaspedal-Kennlinie, alles an Bord beim neusten GTI. Und dazu noch, eine mechanische Quersperre an der Vorderachse. Klar, nur beim Performance-Modell, das zudem 10 PS leistet als die Basisversion. Aber wer sich den neuen GTI ohne das Paket zulegt der nimmt auch ein XXL-Paket Verhüterlis auf die berühmte einsame Insel mit.
Alles ist also besser als bei allen alten GTI-Generationen! Wirklich? Nun ja, nicht ganz. Denn schnell Autofahren macht in neusten GTI zwar Spass, aber es berührt einem nicht. Er kann es einfach, muss sich wie nicht anstrengen und dass ist mit der Zeit – ja, fast ein wenig langweilig.
Der neue GTI kann wirklich alles, die Vorzüge des Performance-Pakets werden aber nur auf der Rennstrecke oder bei widrigen Strassenbedingungen deutlich. Denn die 230 PS rupfen schon ganz ordentlich an der Vorderachse. Doch, mit der mechanischen Sperre an Bord wird alles gut. Beispiel: Anneau du Rhin, die kleine aber feine Rennstrecke im Elsass. Nach dem ersten Geschlängel kommt eine Rechtskurve um fast 180°. Schön den Scheitelpunkt treffen, Lenkung langsam öffnen und behutsam Gas geben. Zumindest mit vielen Autos. Beim GTI funktioniert es ein bisschen anders. Den Scheitelpunkt treffen muss man auch mit ihm, langsam die Lenkung öffnen auch aber dann: tritt man aufs Fahrpedal wie Stan Laurel dem Oliver Hardy in den Hintern. Und es passiert erstaunliches. Für einen Sekundenbruchteil schiebt der Wagen massiv über die Vorderachse, dann spürt man ein leichtes Zucken am Lenkrad und die Sperre greift. Und dann, ja dann gehts vorwärts, und wie!
Das Fahrwerk bügelt anschliessen in der schnellen Linkskurve die Bodenwelle weg, zielgenau geht in die nächste Anbremszone. Zwei mal an der Schaltwippe ziehen, schon ist der richtige Gang drin und schon heisst es wieder: Gaaaaaas!
Ja, man kann schon Freude haben am diesem Auto. Aber, wie gesagt, es ist eigentlich schon zu perfekt. Tief im innersten wünscht man sich, dass er doch etwas zickig werden möge, den Fahrer fordert statt ihn eine schnelle Runde nach der anderen drehen zu lassen. Darum verlassen wir die Rennstrecke wieder und wenden uns wieder dem Alltäglichen zu. Den feinen Sitzen zum Beispiel oder einem ganz wichtigen Thema, dem Verbrauch. Wer keinen Spritz durch die Einspritzdüsen presst, wird auch keine Leistung ernten. Diese Feststellung ist älter als jeder Golf GTI, und auch beim Golf VII hat man es nicht geschafft, dieses Gesetz ad absurdum zu führen. VW nennt für den GTI Performance mit DSG einen Normverbrauch von 6,4 Litern pro 100 Kilometer. So wenig haben wir leider nicht geschafft, aber wer behutsam mit dem Gaspedal umgeht, Schafft die sieben Liter einigermassen locker. Das andere Ende der Fahnenstange? Naja, bis zu 12 Liter dürfen es dann schon sein. Im Schnitt über die rund 1000 Kilometer verbrauchte unser GTI genau 7,5 Liter pro 100 Kilometer (ohne Rennstreckeneinsatz). Das ist ein hochanständiger Wert für ein Auto mit 230 PS. Und auch der Basispreis kann sich mit 39'900 Franken sehen lassen. Wer aber glaubt, dass er mit 40 grossen Scheinen ein komplett ausgestattetes Auto von VW bekommt glaubt auch, dass der Golf I GTI schneller ist als der Wagen der 7. Generation.
Mehr Golf und VW gibts im Archiv.
Text: Cha, Fotos: Werk.
Original: radical