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That's Amore, Dauertest Fiat 500L-1312

Published in radical-mag.com

Dauertest Fiat 500L/Anonyme Köche

Noch nicht erstellt
«Cerco l’estate tutto l’anno e poi all’ improvviso, eccola qua.» So geht es. Wie in der ersten Zeile von Celentanos «Azzurro»: Das ganze Jahr wartest du auf den Sommer, und dann – zack – ist er da. Und du merkst: Du und dein alter Mercedes, ihr seid gar noch nicht so weit. Also stellst du 24 Stunden vor Abreise die Route für zwei Wochen Ferien zusammen. Buchst Hotels für eine vierköpfige Familie und schickst deine E-Klasse in die Werkstatt. Da werden Filter und Flüssigkeiten gewechselt und das Gefährt reisebereit gemacht. Dann gehts los Richtung Bel Paese. Beruhigt, zuversichtlich und vollgepackt. Pünktlich zum Aperitivo werden wir uns im Hotelpool in Bologna abkühlen und uns singend zu einer Happy Hour animieren: «Ich nime no en Campari Soda.»

Doch so weit kommts nicht. Am Vierwaldstättersee verpufft die Denkblase. Eben noch blicken wir auf der A2 links runter und platzieren die Evergreen-Pointe: «Warum fahren wir eigentlich immer in die Ferne? Das Hotel Postillon, ist doch auch schön. Haha!» Dann frage ich den Rückspiegel: «Sind wir das, die da so rauchen?» Das Controlpanel antwortet mit einem blinkenden Ausrufezeichen: «Motor stoppen – Werkstatt aufsuchen!» So geht es, wenn die Wasserpumpe den Bach runter geht.

Hier ist es tatsächlich unerwartet schön. Gleich unterhalb der Autobahn, im malerischen Nidwalden am See, beim Hotel Postillon. Wenn jetzt dann der TCS nicht bald kommt, muss man sich ernsthaft um Zimmer kümmern! Aber er kommt. Zum Glück.

Der Mercedes-Mann in Ennetbürgen versucht die schlechte Nachricht so gut wies geht in Watte zu packen. Aber Fakt ist: Vor Montagabend geht nichts. Jetzt ist Freitagmittag. Kein guter Ferienstart. Ich will Bologna. Ich will Campari Soda am Pool. Ich will ein Ferienersatzauto.
Fiat 500L
Fiat 500L
Aber klar, keine meiner Versicherungen, Pannenhilfen oder Schutzbriefprämienkassiererinnen will für den Spass blechen. Einzig ein Mietwagen bis Montag wird vergütet. Dieser stellt sich als brandneue E-Klasse heraus. Was leider auch zu Tage kommt: Das Umpacken von der zehnjährigen in die neue E-Klasse gestaltet sich schwer. Wurde dieser Wunderkombi tatsächlich kleiner dimensioniert? Scheint so. Auch der Innenraum eher beengend und – nebenbei – ganz schön schwul designt.

Also, Plan B: Ich rufe meine Freunde vom radical-mag an. Gibt doch bestimmt noch einen Wagen im Dauertest, den ich in den Ferien auf Herz und Nieren prüfen könnte. Und tatsächlich, Ruch klärt ab und ruft zurück: «Ich hätte einen Golf oder einen Fiat 500.»

Hehe, der gute Ruchli. Witzbold! Ich schweige. Er auch. Meint er das etwa ernst?
Fiat 500L
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Fiat 500L
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Komm schon, Alter. Wirst doch wohl noch ne Brabus G-Klasse für mich im Ärmel haben? «Also in den Golf bekommst das Gepäck wohl kaum, aber s Fiätli ist im Fall ein fünfhundert „Ell“, gell?» insistiert er. «Okay, probieren wirs!»

Und tatsächlich, s Fiätli hat ein Fassungsvermögen, das ist schier unfassbar! Der schluckt einfach alles. Wie ich das meine, alles? Na, alles. Auf der Heimreise waren das genauer gesagt: 2 Erwachsene, 2 Kinder, 1 Kindersitz, 2 Rimowa oversize Alukoffer, 3 Sporttaschen, 1 Foodkiste, 1 Strandtasche, 1 Kühltasche, 2 volle Einkaufstüten, 8 Dreiliterkanister Olivenöl, 2 Sonnenschirme, 1 Regenschirm, 1 Autodecke, 1 Maschinenpistole (Spielzeug), 1 Samuraischwert (echt), 1 Kindersurfbrett und 1 Bosshoss Cowboyhut.

Und das Entzückende: Der kleine Grosse macht dabei noch eine Bella Figura. Meine Familie verliebt sich Hals über Kopf in den putzigen Italiener. An das tolle Raumgefühl im üppig bemessenen Innern. An den Panoramablick durch die angenehm dimensionierten Fenster oder an das schicke, elektrische Glasdach. Das Retrodesign schmiegt sich tip-top in die Neuzeit. Auch wenn der Charme des Family-Vans im Vergleich zum Charisma des kleinen Cinquecento natürlich auf der Strecke bleibt.

Bereits nach wenigen Kilometern befinden wir uns in diesem Auto aber in absoluter Ferienstimmung. Die Ausstattung lässt eigentlich keine Wünsche offen: vom Kurvenlicht über Klimaanlage und Parksensoren bis zur HiFi-Anlage mit Subwoofer und USB-Verbindung zu meinem iPod oder Bluetooth zum iPhone. Dazu ist alles praktisch, variabel und aufgeräumt. Und keck: Wo andere Hersteller noch einen Haltegriff als Ein- und Ausstiegshilfe für Senioren auf der Fahrerseite montieren,  überrascht der Fiat mit einem Sonnenbrillenfach für die schönen Signore und Signori am Steuer. Fehlt eigentlich nur noch ein Satz Paddel, mit denen sich das Spassmobil ins Blaue rudern liesse – ein Amphibien-Cinquecento – das wärs!Fiat 500L
Und wie der 1,6 Liter Diesel sich fährt – Mamma mia! Das hantieren der 6-Gang-Handschaltung geht leichter als das Rühren eines Risottos. Und erstaunlich elastisch ist die Maschine. Das bekommen vor allem die etwas trägen Linksfahrer auf der Autobahn mit, wenn man locker aus dem sechsten Gang von hinten Druck aufbaut. Gar verdutzt weichen sie dann auf die rechte Spur. Selbst Tempo 180 meistert die Kiste mit dem flotten Fahrwerk ohne Brummschädel oder Bauchkribbeln zu verursachen.   

Die hochgebockte Sitzposition bringt zwar Übersicht, aber auch ein wenig das Gefühl auf einer Kirchenbank zu hocken. Auf langen Reisen hätte man gerne eine etwas bequemere Position. Trotz der hohen Karosserie nimmt er jedoch auch die Serpentinen der apulischen Küste sehr sportlich.

Im Dorf meiner Eltern in den Abruzzen zirkle ich ihn durch meine Kindheitserinnerungen in engsten Gassen über holprige Pflastersteine. Mensch, das hatte ich mir immer gewünscht: Als Kind radelte ich stundenlang auf der grossen Bicicletta meines Onkels. Drehte bis in die Nacht die Runden und tat so, als würde ich meinen eigenen Cinquecento lenken. Stellte vor jeder Abbiegung gewissenhaft den imaginären Blinker – inklusive akkurat imitiertem Geräusch.

Mit etwas über 5 Liter im durchschnittlichen Verbrauch ist man in Zeiten von «la crisi» sparsam unterwegs. Wie die Italiener allgemein im Jahre 2013. Das merkt man ihrem am Fahrverhalten. Früher war es ja so, dass der fette BMW auf der Tangenziale um Milano links dauerblinkte und rechts mit 190 Sachen dauerüberholte. Tempi passati. Heute traut sich kaum noch einer über das Limit von 130. «Um Treibstoff zu sparen», wie dazu befragte Italiener versichern.

Es mag übertrieben klingen. Aber den Fiat wieder abzugeben, fiel meiner Familie schwerer, als sich vom Porsche Panamera zu trennen, den wir auch mal zur Probe hatten. Daran erkennt man wieder einmal, dass man als Fahrer durchaus andere Massstäbe setzt, als die Mitfahrer. So geht es, wenn Fiat den Nerv trifft: That’s amore.

Merci radical-mag. Ihr habt unsere Ferien nicht nur gerettet, ihr habt sie uns verschönert!

(Dieser Text stammt von Claudio del Principe. Claudio ist «Anonyme Köche». Das ist unser liebster Food-Blog überhaupt, mindestens. Unbedingt lesenswert. Danke, Claudio!)

Mehr Fiat gibt es im Archiv.


Original: radical

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