Die Legende lebt: So will der neue Elfer die Lufthoheit auf der Überholspur verteidigen
Sie investieren Milliarden in die Elektromobilität, sagen dem Sauger leise Servus und bauen in Boxster und Cayman sogar Vierzylinder ein – kein Wunder, dass die Fangemeinden mit Sorgen auf den neuen 911 schaut: Denn einen 2,0 Liter Motor oder gar einen Hybridantrieb in der Mutter aller Sportwagen, das mögen sich die gusseisernen Porsche-Puristen erst gar nicht vorstellen.
Müssen sie auch nicht. Zumindest noch nicht. Denn wenn Porsche im November auf der Autoshow in Los Angeles das Tuch von der Baureihe 911 zieht, dann ist er neue Elfer ganz der Alte. „Nur dass er in jeder Hinsicht wieder ein bisschen besser wird,“ sagt August Achleitner, der die Entwicklung der Ikone verantwortet.
Los geht es mit dem Generationswechsel mit dem Coupé, das im Frühjahr ausschließlich als 911 S an den Start geht – wie bisher mit einem 3,0 Liter-Turbo, der nun aber 450 PS und 530 Nm entwickelt, in 3,7 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigt und gute 305 km/h schafft. Aber wie immer bei Porsche wird die Palette breit aufgefächert: Cabrio und Targa sind auf den Testfahrten schon mit dabei, natürlich gibt es wieder ein Basismodell, den GTS und selbstredend den Turbo und auch am Allrad führt kein Weg vorbei, genauso wenig wie an den GT- und RS-Modellen. Deshalb muss sich Porsche wahrscheinlich fast schon wieder ein wenig ranhalten, wenn die rund zwei Dutzend Modellvarianten bis zum Facelift alle durch sein sollen.
Außen wird das Auto natürlich neu eingekleidet, wird ein paar Millimeter größer und sieht wieder ein bisschen mehr nach Sportwagen aus. Und innen machen die Designer den Elfer ein bisschen hübsch für den Flirt mit der Generation Smartphone. Aber unter dem Blech bleibt auch deine Baureihe 992 ein Sportwagen, der keine Kompromisse macht – und deshalb auch weiterhin mit den liebgewordenen Sechszylinder-Boxern unterwegs ist. „Fürs erste zumindest wird es keine anderen Antriebsvarianten geben“, beruhigt Achleitner die Vollgasfraktion, lässt sich aber zumindest fürs erste Facelift eine Hintertür offen. Denn die neue Plattform sei so konstruiert, dass man auch bei den beschränkten Platzverhältnissen eines Heckmotor-Sportwagens eine E-Maschine und einen Plug-In-Akku unterbringen könnte. Nur muss dafür erstmal jemand einen Hybriden entwickeln, der Achleitners Ansprüchen genügt. „Alles, was bislang greifbar ist, hat zu viel Pfunde oder zu wenig Perfomance und im schlimmsten Falle beides,“ sagt der Baureihenleiter.
Wenn Achleitn Ausfahrt mit seine nur noch mäßig getarnten Prototypen bittet und man natürlich links vom Lenkrad den Motor anlässt, hört man deshalb nach wie vor das vertraute Brabbeln eine Boxers. Und auch wenn die Instrumente längst digital sind, zuckt in der mittleren der fünf Tuben des Cockpits bei jedem Gasstoß noch ganz traditionell ein analoger Drehzahlmesser – so viel ist Porsche der Legende schuldig.
Nur ganz kurz streift der Blick über die Mittelkonsole mit dem großem Touchscreen und den Schalterleisten wie im Panamera, für ein paar Sekunden spielen die Finger nochmal an dem leider noch immer ziemlich billigen Drehrad neben der Hupe, mit dem man die Fahrprogramme wechseln kann, und wohlig drückt sich das Popometer tief in die Sitzschale, die so wunderbar nah am Asphalt montiert ist – dann schnappt die Doppelkupplung zu, der erste von acht Gängen rastet ein und der Elfer fährt allen Zweifeln davon – schon eine Rechts- Links-Kombination genügt, dann lösen sich sämtliche Sorgen in Luft auf. Ja, auch die Generation 992 bleibt ein Gradmesser für Fahrdynamik, kein anderer Sportwagen ist so messerscharf und präzise und dabei trotzdem so gutmütig wie der Elfer.
„Uns ging es darum, den Spagat der Eigenschaften noch weiter zu spreizen“, sagt Achleitner: Schärfer und präziser in den Kurven, schneller auf der Geraden und komfortabler auf der Langstrecke. Dafür hat Porsche in jeder Hinsicht nachgelegt: Die Spur ist breiter und zum ersten Mal fährt der Elfer auf Mischbereifung mit 21 Zoll hinten und 20 vorne, es gibt ein überarbeitetes Fahrwerk und eine nochmal verbesserte Lenkung und selbst bei den Assistenten rüsten die Schwaben auf. Autonomes Fahren macht in einem Sportwagen zwar in etwa so viel Sinn wie alkoholfreies Bier auf dem Oktoberfest. Aber um eine Abstandregelung und eine Spurverlassenswarnung kommt offenbar auch der Elfer nicht mehr herum.
Zwar bleibt der neue Elfer tatsächlich ganz der alte, gibt den entspannten Langstreckenläufer auf dem Highway und den gierigen Kurvenfresser auf dem Byway und ist im Stadtverkehr so zahm wie ein Kleiwagen. Doch selbst wenn Achleitners Augen vielversprechend leuchten, wenn man den Projektleiter auf weitere Varianten anspricht, mit ihm von GT-Modellen schwärmt und über die beste Linie auf der Nordschleife philosophiert, wird sich der Elfer wohl nicht dauerhaft der Zukunft verschließen können. Nicht nur, dass die Plattform schon Platz für die Akkus hat. Sondern das sieht man spätestens beim Blick auf die Navi-Karte – dort sind die Ladestationen bereits eingetragen.