Smart und sportlich: So will der neue Dreier den Spagat zwischen Dynamik und Digitalisierung stehen
BMW hat ein Problem: Seit Jahrzehnten propagieren die Bayern die Freude am Fahren und definieren sich vor allem über die Dynamik – und so ganz langsam wird ihnen bewusst, dass das den Kunden in Zeiten der Digitalisierung zunehmend egal ist. Deshalb müssen sie einen immer größeren Spagat stehen, um ihre alten Werte zu verteidigen und trotzdem in den neuen Kategorien zu punkten. Kaum irgendwo wird das deutlicher als beim neuen Dreier, der jetzt in Paris seine Premiere feiert und im März in den Handel kommt. Wo die C-Klasse von Mercedes den komfortablen Krösus gibt und mit dem Luxus aus der Oberklasse wirbt und der Audi A4 auf eine schier unerreichte Perfektion setzt, will BMW damit einmal mehr die sportliche Spitze in der Mittelklasse definieren und zugleich auf dem Datenhighway in die Pole Position fahren.
Auf dem Weg zum „Ultimate Sports Sedan“ setzen die Entwickler zwar auch auf Software und digitale Technik. Nicht umsonst bekommt der Dreier natürlich wieder eine elektronische Charakterregelung sowie zum ersten Mal eine elektronisches Sperrdifferential an der Hinterachse.
Doch vor allem haben sie den Wagen auf ein neues, ganz und gar analoges Fahrwerk mit breiterer Spur und tieferem Schwerpunkt und neuen Dämpfern gestellt, die einen zusätzlichen Kolben haben und so mehr Energie abbauen, ohne stärker die Bandscheiben zu belasten. Wo andere Autos Sportlichkeit mit übertriebener Härte übersetzen, bleibt der Dreier deshalb immer sanft und samten und lässt an Bestimmtheit trotzdem nichts vermissen. Im Gegenteil: Wenn man mit 200, 220 weite Autobahnkurven nimmt, schafft sein Fahrwerk ein derart unerschütterliches Vertrauen, dass man fast versucht ist, die Hände vom Lenkrad zu nehmen. Und wenn man mit den letzten Prototypen auf der Nordschleife durchs Kesselchen oder das Karussell fährt, fühlt sich die Limousine hier nicht wie ein Fremdkörper an, sondern wie ein Auto das für nichts anderes als diese Strecke gebaut wurde – dabei wird der Dreier diesseits des M3 den Nürburgring wohl kein zweites Mal mehr sehen.
Alles neu und doch ganz der Alte – diesen Eindruck macht der Dreier auch bei Form und Format. Natürlich sind die Linien neu, der Bug hat mehr Charakter und das Heck zeugt von mehr Kraft. Außerdem geht der Dreier um acht Zentimeter in die Länge, bekommt vier Zentimeter mehr Radstand und zwei Zentimeter mehr Breite. Während BMW schon sehr freizügig über die Fahrdynamik spricht, hält sich das Team von Adrian van Hooydonk eher zurück – kein Wunder, wenn man es im Grunde mehr als 15 Millionen Bestandskunden aus den letzten sechs Generationen recht machen will.
Selbst innen bleiben die großen Überraschungen aus – wenngleich man jetzt natürlich im Fond ein bisschen mehr Platz hat, der Kofferraum auf 480 Liter wächst und hinter dem Lenkrad eine neue Generation digitaler Instrumente prangt. Erst wenn man den Wagen bedient, macht sich die Digitalisierung bemerkbar: Nicht nur, dass der Navibildschirm auf einen Fingerzeig reagiert und dass man einzelne Funktionen auch mit Gesten steuern kann. Sondern im Dreier gibt auch eine neue Sprachsteuerung ihren Einstand, die analog zu Mercedes mit „Hey BMW“ aktiviert wird und ähnlich natürlich sein soll wie der Dialog mit Siri & Co.
Genau wie beim Bedienen reklamiert BMW auch auf dem Weg zum autonomen Fahren für den Dreier eine Führungsposition. Je nach Paket und Aufpreis jedenfalls nimmt er dem Fahrer so viel Arbeit ab, wie es der Gesetzgeber nur eben zulässt. Das gilt nicht nur für Staustrecken oder die Autobahn, sondern erstmals auch für vertrackte Situationen etwa im Stadtverkehr oder im Parkhaus. Denn der Dreier speichert immer und automatisch die letzten 50 Meter Fahrwerk und befreit sich so auf Knopfdruck von selbst aus jeder Bredouille.
Solange man zumindest gelegentlich noch selber fährt, lohnt sich allerdings ein Blick unter die Haube – selbst wenn der hartgesottene BMW-Fans traurig stimmen dürfte. Denn zumindest in der Startaufstellung hat von fünf Motoren nur noch einer sechs Zylinder – und das ist ausgerechnet der Diesel. Im 330d leistet das 3,0-Liter-Aggregat 265 PS und markiert damit aktuell die Spitze im Portfolio. Darunter rangieren zwei weitere Ölbrenner mit 2,0-Litern Hubraum und 150 oder 190 PS und zwei Benziner mit ebenfalls 2,0 Litern Hubraum – der 320i mit 184 und der 330i mit 258 PS. Selbst der schwächste Dreier kommt damit auf 222 km/h, 250km/h sind nach wie vor als Spitzentempo gesetzt und die Verbrauchswerte bewegen sich zwischen 4,1 Litern beim 318d und 5,8 Litern beim 330i.
Mild-Hybriden gibt es wenn, dann später, der Plug-In ist fest eingeplant und irgendwann wird es den Dreier auch rein elektrisch geben, hört man aus München. Aber bis dahin arbeiten die Entwickler lieber noch ein bisschen an der Dynamik – schließlich ist auch ein M3 wieder fest eingeplant.