Stern unter Strom: Mit dem EQ C legt jetzt auch Mercedes den Schalter für die Elektromobilität um
Sind es die Probleme mit der Produktion des Modell 3 oder das Erwachen der Konkurrenz? Warum Tesla-Chef Elon Musk derzeit öffentlich über seine Schlafschwierigkeiten klagt, wird man so genau wohl nie herausfinden. Doch so viel ist sicher: Gemütlich wird es für den Messias der Elektromobilität in den nächsten Monaten eher nicht. Denn allerorten nehmen die etablierten Hersteller jetzt den Fehdehandschuh auf und kontern den elektrischen Siegeszug aus dem Silicon Valley mit ihren eigenen Akku-Autos: Der Jaguar i-Pace ist schon auf der Straße, der Audi E-Tron steht genau wie der Porsche Taycan in den Startlöchern und jetzt schickt auch Mercedes seinen ersten Tesla-Fighter ins Rennen: Vorhang auf und Bühne frei für den EQC, der sich im kommenden Frühjahr zu Preisen jenseits der 70 000 Euro endlich in die Reihe der Tesla-Fighter einreiht.
Anders als etwa der Jaguar i-Pace ist der EQC ein Auto, das von der Stammkundschaft vergleichsweise wenig Transferleistung erfordert. Von außen, weil er zwar mit einem Black-Pannell-Grill, blauem Lidstrich in den LED-Scheinwerfern und blauen Speichen in den Felgen das zur Schau trägt, was Designchef Gorden Wagener eine avantgardistischen Elektro-Ästhetik nennt, aber trotzdem verdammt nach GLC aussieht – nur dass er hinten zehn Zentimeter weiter überhängt und eine ebenso schräge wie schnörkrllose Heckklappe mit einem von Audi abgekupferten Leuchtenband trägt.
Und von innen, weil das 4,76 Meter lange SUV auch da ganz nah im Hier und Heute bleibt: Ja, es flinkert ein bisschen Kupfer oder Rose-Gold in den Konsolen, wie das für Wagener die Elektromobilität symbolisiert, die Materialien wirken etwas technischer, die Lüfter sind moderner und der freistehende Bildschirm hinter dem Lenkrad ist als Übernahmeteil aus der neuen A-Klasse ein bisschen größer und schlanker, zeigt brillantere Grafiken, lässt sich auch mit den Fingerspitzen bedienen und dient als Heimat für die vielleicht beste Sprachsteuerung seit Siri & Co. Aber wer im GLC und der A-Klasse zurecht kommt, der macht sich auch schnell mit dem EQC vertraut.
Vor allem aber ist das Fahren ist typisch Mercedes – extrem komfortabel und gediegen. Flüsterleise und wolkenweich fühlt sich der EQ C bei den ersten Mitfahrten im Prototypen dabei sogar eher nach S-Klasse an als nach einem SUV. Denn der über zehn Zentner schwere Akku treibt zwar das Gewicht auf 2,5 Tonnen, drückt aber den Schwerpunkt schön tief nach unten und weil der Motor per se geräuschlos ist, haben die Ingenieure besonders gründlich auf Vibrationen und Störgeräusche geachtet. So hört man weder das typische Straßenbahngeräusch beim Beschleunigen, noch das Gefiepe draußen aus dem Lautsprecher, das der Gesetzgeber vielerorts vorschreibt.
Sobald man aufs Fahrpedal tritt, dürfte es mit der Gemütlichkeit allerdings vorbei sein. Dann wird EQ plötzlich zur Konkurrenz von AMG: Wozu hat der Wagen schließlich zwei E-Motoren, die zusammen 300 kW leisten und ihre 765 Nm schon mit dem ersten Wimpernschlag auf den Asphalt bringen? Bei einem Sprintwert von 5,1 Sekunden tut sich deshalb an er Ampel selbst ein C 63 schwer damit, den Anschluss zu halten. Selbst wenn er nur ein paar Augenblicke später doch vorbei zeiht. Denn mit Rücksicht auf die Reichweite hat Mercedes das Spitzentempo auf 180 km/h begrenzt.
Dafür prahlen sie mit einem stolzen Aktionsradius: Bei 80 kW/h Akkukapazität kommt der EQC nach NEFZ-Norm mehr als 450 Kilometer weit und die Ingenieure tun alles dafür, dass die Praxis der Theorie nicht allzu weit hinterher hinkt: Man kann deshalb nicht nur das Laden, sondern auch die Klimatisierung programmieren, die Navigation berücksichtigt den Energieverbauch und der Tempomat schaut soweit voraus, dass der EQC so effizient wie möglich fährt. Außerdem gibt es ein halbes Dutzend verschiedene Fahrprogramme und eine mehrstufige Rekuperationsregelung mit den Schaltwippen am Lenkrad.
Beim Antrieb betreten die Schwaben mit dem EQC zwar Neuland. Doch dass der elektrische Erstling aus Stuttgart sonst vergleichsweise konventionell gestrickt ist, deshalb ein relativ bodenständiges Design hat, vom GLC vorne sogar noch die wuchtige Mittelkonsole sowie hinten den Tunnel im Fußraum übernimmt und damit viele Platzvorteile eines designierten Elektroautos verschenkt, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen will Mercedes in der Produktion maximal flexibel bleiben, um auf die schwer abzuschätzende Marktentwicklung zu reagieren und die Kosten niedrig zu halten, Deshalb ist der EQ C so konstruiert, dass er in den Fabriken in Bremen und Peking über das gleiche Band laufen kann wie die C-Klasse oder der GLC und nur für die Batteriemontage eine eigene Station braucht. Und zum anderen wissen die Schwaben offenbar, dass die Mercedes-Kunden nicht zu den risikobereitesten und avantgardistischsten zählen. „Und die wollen wir schließlich mit auf die Reise in die Zukunft nehmen“, sagt Baureihenleiter Michael Kelz.
Darauf müssen die Interessenten allerdings noch ein wenig warten. Denn selbst wenn Daimler-Chef Dieter Zetsche vor fast 500 Gästen aus bald 50 Ländern bei der Premiere in Stockholm jetzt publikumswirksam den Schalter umgelegt hat, dauert es noch einmal ein gutes halbes Jahr, bis die elektrische Revolution bei Mercedes endlich Fahrt aufnimmt. Vielleicht sollte sich Tesla-Chef Musk also nochmal umdrehen und es mit Schlafen versuchen, denn bald dürfte die Zeit in der Komfortzone für ihn endgültig vorbei sein.