Lowrider 2.0: So wird der neue Mercedes GLE zum idealen Allrounder unter den SUV
Das letzte Mal im Radio war er zwar wahrscheinlich vor 20 Jahren zu hören. Doch wer mit den Mercedes-Entwicklern in den Prototypen des neuen GLE unterwegs ist, der muss unweigerlich an den Ulk-Schlager über “Schmidtchen Schleicher” denken. Denn genau wie der Tänzer hat auch der Geländewagen “elastische Beine”, mit denen er „gefährlich in den Knien federn kann.“
Zwar kann er damit sogar wirklich tanzen und auf Knopfdruck Bocksprünge machen wie sonst nur ein aufwändig getunte Lowrider. Doch macht er das nur zur Show oder wenn er sich im Dreck mal so richtig festgefahren hat. Aber mit seinen elastischen Beinen kann er sich auch besser als jedes andere SUV in diesem Segment dem Fahrstil und der Fahrbahn anpassen und so eine deutlich weitere Spreizung seiner Fahrprofile bieten, sagt Stefanie Schmitz, die die Entwicklung des GLE leitet.
Möglich machen das vier elektrische Stellmotoren, mit denen der Federweg an jedem Rad um plus minus zehn Zentimeter variiert und voreingestellt werden kann. Gesteuert werden sie vom Bordrechner, der mit der Kamera die Straße liest und sich mit dem neuen Allradantrieb mit voll variabler Kraftverteilung genauso austauscht wie mit dem ESP.
Die Idee ist nicht neu und in der S-Klasse gibt es so ein ähnliches System als Active Body Control (ABC) bereits seit einigen Jahren. Aber erst mit dem 48-Volt-Bordnetzt können die Ingenieure Elektromotoren an die Federbeine flanschen, die schnell und stark genug sind für eine adäquate Regelung, sagt Schmitz und lässt den GLE zum Beweis noch einmal etwas tanzen.
Wie wichtig den Entwicklern dieses – natürlich aufpreispflichtige – Fahrwerk war, zeigt der groe Aufwand, mit dem sie das 48-Volt-Netz eingebaut haben. Denn anders als in E- oder S-Klasse brauchen sie das für ihre Motoren zunächst nicht. Unverständlicherweise muss nämlich der drei Liter große Reihensechszylinder aus den Limousinen im SUV ohne den elektrischen Verdichter auskommen. Nicht, dass 367 PS zu wenig wären. Und genügend Drehmoment hat er offenbar auch, so wie Projektleiterin Schmitz bei der Testfahrt mit ihrem Prototypen von der Ampel davon sprintet. Aber die sparsame Wirkung der erweiterten Mild-Hybridtechnik hätte dem GLE sicher nicht geschadet. Zumal der PlugIn-Hybrid frühestens 2020 kommt und auch der Sechszylinder-Diesel in zwei Leistungsstufen mit bis zu 340 PS erst deutlich nach dem Start einsetzen wird. Und die beiden Achtzylinder mit oder ohne AMG-Logo werden zwar den Fahrspaß noch einmal deutlich erhöhen, für die CO2-Bilanz aber sicher keine Hilfe sein. Zumal der GLE zwar mit einem cw-Wert von 0,29 das schnittigste SUV seiner Klasse werden will, beim Generationswechsel aber noch einmal ein paar Kilo aufgesattelt hat.
Während Projektleiterin Schmitz schon freimütig über elektrisch angesteuerte ABC-Fahrwerk spricht und auch bei den Motoren nicht hinter dem Berg hält, geben sich die Schwaben bei Aussehen und Abmessungen noch verschlossen. Doch schon unter der Tarnung kann man erkennen, dass der nächste GLE noch weniger Kanten und Konturen haben wird, dass die Scheinwerfer wie bei der E-Klasse zwei Lichtfackeln bekommen und die Rückleuchten betont schmal ausfallen. Wenn sich während der Testfahrt bei jeder Erwähnung des Namens Mercedes die neue Sprachsteuerung von MB UX zu Wort meldet, wird das Cinemascope-Cockpit der A-Klasse mitsamt seines großen Touchscreens nicht weit sein. Und spätestens, wenn man sich mal auf dem Rücksitz lümmelt wie in der S-Klasse, dann spürt man auch die zehn Zentimeter, um die der Radstand beim Generationswechsel zulegt. Ob es deshalb allerdings gleich die neue Option auf eine dritte Sitzreihe brauct, kann man durchaus bezweifeln. Schließlich hat Mercedes mit dem GLE noch buchstäblich großes vor und baut auf der gleichen Plattform noch im nächsten Jahr auch den neuen GLS.