Elektro-Schock: Mit 1018 PS bringt Abt einen Familien-Kombi auf Ferrari-Niveau
Sie fahren seit Jahren in der Formel E und haben für Post & Co Dutzende Transporter zu Elektroautos umgebaut. Doch bei ihren Händlern stehen nach wie vor nur Verbrenner. Aber damit dürfte bald Schluss sein. „Denn auch im Tuning wird die Elektromobilität zu einem bestimmenden Thema,“ haben die Gebrüder Abt erkannt. Und weil das bislang noch niemand so richtig besetzt hat, wagen sie sich jetzt mit einem spektakulären Prototypen aus der Defensive: RS6-E heißt ihr Elektro-Schocker, der mit einem bombastischen Boost aus der Batterie von der Familienkutsche zum Ferrari-Fighter wird.
Dafür haben die Bayern den ohnehin schon von 560 auf 730 PS getunten V8-Motor des RS6 mit einem Elektromotor gekoppelt, der hinter dem Getriebe in der Kardanwelle des Allradantriebs integriert ist. Etwa so groß wie ein Feuerlöscher und genauso explosiv leistet er 288 PS und wirft noch einmal 371 Nm in die Waagschale. Damit klettert die Systemleistung auf 1018 PS und das gemeisname Drehmoment liegt bei abenteuerlichen 1291 Nm – dass der Elektrobaustein samt des 13 kWh großen Akkus im Kofferraumboden gute fünf Zentner mehr Gewicht ins Fahrzeug bringt, spielt deshalb kaum eine Rolle.
Anders als bei Prius & Co ist dieser Hybridantrieb allerdings alleine auf eine maximale Performance ausgelegt. Es geht weder um die Minimierung des Verbrauchs, noch um rein elektrisches Fahren, sondern einzig und allein um den Kick beim Kickdown. Und der ist gewaltig. Zwar kann man den Boost mit Rücksicht auf das Differential an der Hinterachse erst jenseits von Tempo 100 abrufen. Doch wenn man dann den giftgrünen Knopf im Lenkrad drückt, erlebt man sein blaues Wunder. Nicht dass der RS6 in irgendeiner Weise träge wäre. Immerhin schafft er es auch allein mit dem Verbrenner schon in 3,5 Sekunden von 0 auf 100. Doch mit dem Boost aus der Batterie schaltet die Welt da draußen auf Fast Forward und die Landschaft verläuft zu grünen Schlieren, die nur noch durch die Augenwinkel wischen. Wo anderen Autos irgendwann mal die Luft ausgeht und man auch bei der schnellsten Automatik eine Zugkraftunterbrechung beim Schalten spürt, fühlt es sich im Abt an, als hätte man eine zweite Brennstufe gezündet und wechsle in den Überschall-Modus. Und dieses Gefühl hält an, bis die Tachonadel bei 330 km/h irgendwann zum Anschlag kommt.
Zwar reicht die Energie im Akku für ein gutes Dutzend dieser Sprints, bevor sie im normalem Fahrbetrieb mit überschüssiger Motorkraft – und davon hat der Abt ja reichlich – wieder aufgeladen wird. Doch bleibt der Boost trotzdem ein einmaliges Erlebnis – und zwar im doppeltem Sinne. Zum einen, weil der Druck auf den grünen Knopf tatsächlich unvergleichlich ist und stärker an den Nerven kitzelt als der Kickdown bei einem McLaren P1 oder einem LaFerrari. Und zweitens, weil der RS6-E ein Einzelstück bleiben wird.
„Wir haben zwar mal ausgerechnet, was eine Kleinserie kosten würde und sind bei zehn Exemplaren auf einen Systempreis von etwa 80 000 Euro für den Elektroantrieb plus Einbau gekommen“, sagt Projektleiter Jens Häberle. Aber so hundertprozentig überzeugt von dem Konzept sind die Bayern offenbar noch nicht. Denn so spektakulär der Sprint ist, so wenig bekommt man im normalen Fahrbetrieb vom Hybrid mit. Außerdem steht der RS6 Avant als Basisfahrzeug vor der Ablösung. Doch vergebens war die Arbeit deshalb nicht, sagt Häberle und schwärmt von einem Baukasten, der sich mit unterschiedlichen Leistungsstufen in nahezu alle Allradmodelle aus dem VW-Konzern integrieren lässt. Lange werde es deshalb nicht mehr dauern, bis auch die Kunden bei Abt unter Strom stehen.