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Im Land der lächelnden Autobosse: In Peking zollt die PS-Branche ihren besten Kunden Tribut

Published in motosound.de

Ihre Heimat haben sie in Deutschland, durch ihr Hauptmarkt ist längst China. Denn egal ob Audi, BMW, Mercedes oder Porsche oder VW, nirgends verkaufen die Deutschen mehr Autos als in China. Nicht umsonst ist das Reich der mittel längst die größte PS-Republik der Welt. Kein Wunder also, dass die Bosse mit einem breiten Lächeln nach Peking kommen und lauter Rekordzahlen verkünden. Und noch weniger wundert es, dass sie den eigenwilligen Geschmack ihrer wichtigsten Kunden mit jeder Menge sehr dezidierter Autos bedienen. Während die Messen zum Beispiel in den USA oft nur die Bühne für ein verkapptes Heimspiel bieten, ist es hier genau anders herum und die Deutschen zeigen den Chinesen Neuheiten, die es oft gar nicht nach Deutschland schaffen. Und vor allem zeigen sie mehr denn je Autos ohne Auspuff. Denn nachdem China schon jetzt der größte Markt für alternative Antriebe ist und den Anteil der Verkäufe auch weiter deutlich steigern will, ziehen die Importeure buchstäblich Leine und rücken häufig Elektroautos oder zumindest Plug-In-Hybriden ins Rampenlicht.

Audi Q5LDie größte Ankündigung dafür kommt von VW: Die Niedersachsen wollen eigens für China eine neue Elektromarke namens Sol auflegen und mit einem Budget von 15 Milliarden Euro 40 neue Autos mit alternativen Antrieben auf den Markt bringen. Und die Niedersachsen sind damit nicht allein: Zwei Nummern kleiner spielt Mercedes dieses Spiel schon seit vier Jahren mit dem Denza aus der Kooperation mit BYD, der jetzt zur Motorshow überarbeitet wurde und mit einem stärkeren Akku auf imposante 451 Kilometer Normreichweite kommt. Und auch BMW will an der Ladesäule stärker mitmischen. Deshalb feiern die Bayern in Peking die Vorpremiere des iX3, mit dem die Elektrifizierung erstmals die Kernmarke erreicht. Nicht zu elitär und abgehoben wie i3 und i8 soll er mit 272 PS und 400 Kilometern Reichweite zum Ende der Dekade einen Sprung für die Stromer bei BMW ermöglichen.

A-Klasse LimousineDas mit Abstand dickste Ding aus Deutschland ist aber die Vision Mercedes Maybach Utlimate Luxury, für die die Schwaben zum ersten Mal ein SUV und eine Limousine kreuzen. Das ganze garnieren sie mit einem Innenleben aus Lack und Leder, das jedes Fünfsterne-Hotel bescheiden wirken lässt, und wie es sich für China gehört, fährt das Super-SUV seinen Konkurrenten Bentley Bentayga und Rolls-Royce Cullinan mit der Kraft von vier Elektromotoren von zusammen 750 PS davon. Oder würde ihnen davonfahren, wenn der Wagen denn eine Chance auf die Serienfertigung hätte und nicht nur auf eine vermutlich eher konventionelle Maybach-Version des nächsten GLS einstimmen sollte.

Elektro-SUV WEY XStudie oder Serie – diese Frage stellt sich für die Limousine der A-Klasse dagegen nicht mehr. Denn sie hat es seit dem Debüt in Shanghai tatsächlich in die Produktion geschafft und wächst mit sechs Zentimetern zusätzlichem Radstand beinahe zur C-Klasse heran. Allerdings wird es diese Langversion wie so viele anderen Modelle für China nicht bei uns geben. Das gilt auch für Neuheiten wie den schmucken Kamiq, mit dem die Tschechen ihr SUV-Angebot unterhalb von Karoq und dem Kodaiq schließen, den neuen Lavida, mit dem VW das Massengeschäft in China dominiert, oder den Q5L mit dem Audi zum ersten Mal auch ein SUV über die Streckbank fährt und den Radstand um elf Zentimeter streckt.

Supersportwagen von HybridkineticZu den wenigen globalen Neuheiten gehört dagegen neben dem auf 410 PS starken BMW M2 Competition der Lexus ES, der auf mehr als fünf Meter wächst und damit den GS überflüssig macht. Formal tritt er damit gegen Autos wie die E-Klasse oder den Fünfer an. Doch mit einem 218 PS starken Hybrid-Motor und Frontantrieb dürfte er sich in dieser Liga eher schwertun.

Lexus ESDie Maybach-Studie, der elektrische X3, und Klasse für die Masse bei VW – noch gelingt es den Importeuren, den Chinesen mit solchen Autos die Show zu stehlen. Doch es wird immer schwer. Denn nicht nur westlich orientierte China-Marken wie Byton, Lynk&Co, Nio oder eine Neugründung mit dem bescheidenen Namen Weltmeister, sondern mittlerweile auch die rein aufs Inland fokussierten Größen haben weiter aufgeholt und zeige durchweg interessante Autos. Ja, es gibt noch ein paar ganz wenige Kopien und Plagiate. Und wie auf jeder Messe findet man auch in Peking ein paar Irrungen und Wirrungen wie die türkise Reinkarnation des Luxussportwagens Maybach Excelero bei der chinesischen Luxusmarke Honqui oder ein Wey-SUV, das selbst den Lamborghini Urus zur Schönheit stempelt. Aber die große Masse wirkt immer reifer und erwachsener und muss zumindest der zweiten Reihe der Importmarken so langsam Angst machen. Zumal die Chinesen auf politischen Druck hin auch noch viel weiter mit der Elektromobilität sind als Peugeot, Opel oder selbst VW.

Und sogar der Wildwuchs der vielen dutzend Hersteller wird sich bald lichten, glaubt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer mit Blick auf die Lockerung des Joint-Venture-Zwangs, mit der die Regierung unter den vielen heimischen Marken die Spreu vom Weizen trennen wolle. Das Wachstum bleibt, aber der Markt immer erwachsener und mit der Fokussierung auf den Elektroantrieb auch noch sehr viel fordernder. Die Zeiten, in denen die Autobosse aus dem Ausland in China bedenkenlos lächeln konnten, sind so langsam vorbei. Und wenn es dumm läuft, wird so mancher Langnase in Zukunft womöglich das Lachen sogar im Halse stecken bleiben.