Im Smoking in den Schlamm: So zündet Maybach die nächste Stufe des SUV-Wahns
Das musste ja irgendwann so kommen. Denn nachdem Bentley bereits sein dickes SUV am Start hat und Rolls-Royce kurz vor der Premiere steht, konnte Maybach nicht mehr viel länger tatenlos zusehen. Deshalb schicken die vornehme Mercedes-Schwester jetzt zur Motorshow in Peking gegen Bentayga und Cullinan die Vision Ultimate Luxury ins Rennen.
Allerdings hat Maybach für diese Schlammschlacht im Smoking anders als bei der S-Klasse nicht einfach einen GLS aufgehübscht, den großen Geländegänger innen mit mehr Luxus ausstaffiert und außen mit mehr Lametta behängt. Sondern die Schwaben zünden buchstäblich die nächste Stufe des SUV-Wahns und kreuzen bei dem 5,26 Meter langen Dickschiff auf imposanten 24-Zöllern zum ersten Mal SUV und Limousine. „Das sind schließlich die beiden erfolgreichsten Karosseriekonzepte, weltweit und erst recht hier in China“, rechtfertigt Designchef Gorden Wagener den unkonventionellen Grenzgänger, dessen Idee vor ein paar Jahren hier im Designstudio in Peking geboren wurde.
Während der Maybach außen protzt, gibt es innen vor allem Prunk und Plüsch, garniert mit jeder Menge Lack und Leder – man sitzt vorne auf Sesseln mit roségoldenen Schalen, man hat hinten bessere Sessel und mehr Beinfreiheit und natürlich vor allem eine erhabenere Sitzposition als in der langen S-Klasse, genießt im nahezu schalterlosen Kino-Cockpit eine Luxusversion der neuen Mercedes User Experience MBUX und wo man die Studie anfasst, spürt man edelste Materialen. Und weil das Konzept schließlich aus dem Studio in Peking stammt, gibt es überall dezente Hinweise auf die asiatische Kultur – vom Teerservice auf einem Ebenholztablet in der Mittelkonsole des Fond bis zum Bambus-Bäumchen, das zwischen den Hinterbänklern sprießt. Und wen der von Meisterhand in einer stundenlangen Prozedur aufgetragene Lack mit seinem feuerroten Ton nicht an die Landesfahne erinnert, der hat in Erdkunde nicht aufgepasst und ist noch nie mit offenen Augen durch Peking oder Shanghai gelaufen.
Zwar würde dem Maybach unter den Geländewagen ein Acht- oder besser noch ein Zwölfzylinder gut zu Gesicht stehen. Und Platz dafür wäre hinter dem Nadelstreifen –Grill im riesigen Buch sicher reichlich. Doch weil sich die Marke einen modernen Anstrich geben will und weil in China alle nach New Energy Vehicles schreien, fährt die Studie natürlich elektrisch. Vier E-Motoren von zusammen 750 PS garantieren einen voll variablen Allradantrieb und bringen den Geländegiganten auf bis zu 250 km/h. Mit den 80 kWh des Akkus sollte die Studie im Bestfall 500 Kilometer weit kommen, und weil Mercedes einen CCS-Charger für 350 Watt eingebaut hat, kann man den Strom für 100 Kilometer binnen fünf Minuten nachladen.
Natürlich würde niemand so ein Auto lieber in Serie sehen, wie Designchef Gorden Wagener, der Maybach bei jeder Gelegenheit mit AMG vergleicht und auf die Emanzipation der sportlichen Tochter mit dem SLS, dem GT und dem neuen Viertürer verweist. Doch weiß Wagener auch, dass diese Emanzipation bei AMG bald 20 Jahre gedauert hat und sich bei Maybach noch länger ziehen dürfte. Denn auch wenn das zweite Comeback als Luxusversion der S-Klasse als geglückt gilt und allein in China jeden Monat xxx Maybach-Varianten der Luxus-Limousine verkauft werden, ist das Desaster der ersten Wiedergeburt zur Jahrtausendwende nicht vergessen. Damals wurde für die beiden schon bei der Premiere veralteten Luxusliner so viele hundert Millionen verbrannt, das heute in Stuttgart wohl kein Buchhalter das Geld für ein dezidiertes Maybach-Modell freigeben wird. Doch steter Tropfen höhlt den Stein, hoffen die Designer und machen neugierig auf die nächste Generation des GLS: Änderungen in der Karosserie wird es dort vielleicht nicht geben. Aber gemessen an der Maybach S-Klasse soll die Individualisierung dort innen wie außen schon wieder ein Stück weiter gehen. Und bis sich die Haute Vollée an die Idee vom SUV mit Stufe gewöhnt hat, haben die Schwaben sicher noch ein bisschen Zeit.