Klasse für die Masse: Im Genf geht diesmal Volumen vor Visionen
Visionäre Studien, exklusive Supersportwagen und luxuriöse Limousinen – in den letzten Jahren war der Genfer Salon so etwas wie ein PS-Paradies, in dem es keine schlechten Stimmung und deshalb auch kaum vernünftige Autos gab. Für Bescheidenheit ist auch in diesem Jahr kein Platz. Dafür sind die Zahlen trotz des Dieselskandals zu gut und die Auftragsbücher zu voll und die Prognosen zu optimistisch. Doch wenn sich die Motorwelt jetzt am Lac Leman zum Frühlingsgipfel trifft, geht es in diesem Jahr vor allem um Modelle für die Masse, die allerdings mehr Klasse haben denn je – und zwar in allen Klassen.
Denn egal ob es nun die neue Mercedes A-Klasse ist mit ihrem spektakulären Infotainmenz, der Peugeot 508 mit seinem atemberaubenden Design oder der Audi A6 mit seinem knopflosen Bediensystem und seinen 48-Volt-Motoren – selten waren Volumenmodelle so innovativ und auffällig wie in diesem Jahr. Und das geht in der zweiten Reihe munter weiter: Kia Ceed, Volvo V60, der kleine Lexus-Geländewagen UX, ja selbst aus dem Toyota Auris ist ein ansehnliches Auto geworden, das obendrein noch eine Botschaft trägt: Es gibt weder bei diesem noch bei jedem anderen neuen Toyota künftig noch einen Diesel und stattdessen mehr Auswahl bei den Hybriden. Dazu Geländewagen wie der BMW X4, der Hyundai Santa Fe oder der Honda CR-V, Familienkutschen wie Citroen Berlingo und Peugeot Rifter – fertig ein PS-Puzzle, das bunter und vielfältiger ist als in den Jahren zuvor. Und natürlich dürfen dabei auch ein paar Elektroautos nicht fehlen: Ein leistungsstärkerer Renault Zoe zum Beispiel, die Hyundai-Doppespitze aus dem elektriscen Kona und dem Nexo mit Brennstoffzelle und allen voran der Jaguar i-Pace für knapp 500 Kilometer luxuriöser Elektromobilität, mit dem die alte PS-Welt jetzt die Jagd auf Tesla eröffnet.
Zwar beweisen die Hersteller in diesem Jahr ungewöhnlich viel Bodenhaftung, doch so ganz ohne Träume geht es dann doch nicht. Und auch dieses Bestreben ist klassenübergreifend – vom 300 PS starken Ateca, mit dem Seat Cupra zur eigenen Marke adelt, über die serienreife Gran Coupé-Studie des BMW M8 und den viertürigen AMG GT mit bis zu 639 PS bis hin zu Straßenzugelassenen Rennwagen wie dem Ferrari 488 Pista oder dem McLaren Senna – beide immerhin das schnellste, stärkste und schärfste, was die jeweiligen Hersteller in diesem Segment bislang von der Leine gelassen haben. Und wem der Sinn eher nach Eleganz als nach Eile steht, dem baut Land Rover in einer Kleinserie von 999 Exemplaren von Hand ein Coupé des Range Rovers.
Bei aller Bodenhaftung dürfen natürlich auch ein paar Visionen sein. Wobei Autos wie der BMW M8 nur noch pro Forma als Studien geführt werden und Porsche-Designchef Michael Mauer selbst den Cross Turismo als nächste Spielart des Mission E nicht ausschließt – zumal die Kreuzung aus SUV und Sportwagen perfekt in die Zeit passt und mit 600 PS und über 500 Kilometern Reichweite die elegante Antwort auf das unförmige Modell X wäre.
Den einzigen prominenten Gegenbeweis führt ausgerechnet VW mit dem ID Vizzion. Denn die Studie für den Phaeton von Übermorgen hat nicht nur einen Akku-Antrieb, sondern verzichtet als erster VW überhaupt auf Lenkrad und Pedale und fährt stattdessen mit einem digitalen Chauffeur. Doc während zum Beispiel das riesige Renault-Robotaxi nur eine Fingerübung ist, ist der ID Vision nicht ganz ohne Hintersinn und Realitätsbezug gebaut. Denn als vierte Spielart der ID Familie ist eine große Limousine bereits fest eingeplant. Nur die Sache mit dem Autopiloten wird wohl noch ein wenig warten müssen.