Immer nur Sechs ist auch keine Lösung: Im neuen RS4 Avant beweist Audi, wie vergnüglich Vernunft ist
Acht Zylinder, 4,2 Liter Hubraum, 450 PS – und das in einem Mittelklasse-Kombi: Mit dieser spektakulären Kombination hat es der Audi RS4 Avant in der letzten Generation zum Helden der Vielfahrer und zur Ikone sportlicher Familienväter gebracht. Doch wenn Audi Anfang nächsten Jahres für Preise ab 79 800 Euro die neue Auflage des Eiltransporters auf den Markt bringt, werden sie Fans deshalb ein wenig umstellen müssen. Denn die Bayern folgen dem Geist der Zeit, wollen beweisen wie vergnüglich Vernunft sein kann und bauen künftig nur noch einen Sechszylinder ein.
Dafür haben sie 450 gute Argumente. Schließlich ändert sich die Leistung durch den Verzicht auf 1,3 Liter Hubraum und zwei Zylinder nicht, die um 170 Nm angehobene Drehmomentkurve beschreibt einen imposanten Tafelberg, dessen schier endlos breites Plateau bei 600 Nm gipfelt und der Verbrauch geht immerhin um 17 Prozent auf 8,8 Liter zurück. Und mit Quartett-Daten wie den 4,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h oder den gegen Aufpreis freigeschalteten 280 km/h Spitzentempo kann sich der RS4 Avant mit den allermeisten Sportwagen messen.
Doch so leistungsstark der Antrieb ist, so schmerzlich mangelt es ihm an ein paar großen Regungen: Das Drehzahlband zu schmal, der Klang ein bisschen so schmalbrüstig, als wäre Meat Loaf bei den Wheight Watchers, und der Lauf und zu harmonisch, als dass der Funke überspringen wolle.
Die klinische Perfektion und der Mangel an Emotionen trifft aber nicht nur den Motor, sondern das zieht sich durch das ganze Auto. Das beginnt beim Design, das zwar stimmig ist und sich mit neuen Schürzen, dicken Backen, großen Endrohten und den üblichen Insignien der Audi Sport GmbH durchaus von der Großserie abhebt, dem aber der Übermut und die Präsenz eines Mercedes-AMG C 63 fehlen. Es geht weiter über das Ambiente, das trotz der zupackenden Sportsitze und der Kombination aus dunklen Ledern und Konsolen und roten Nähten wenig lustvoll und lasterhaft wirkt. Und das endet bei der Ausstattung. Denn selbst wenn Funktionen wie das Drive Select oder das Sportfahrwerk Serie sind und wenn der Avant ein Alltagsauto bleiben will und deshalb ein paar alltägliche Feature bis hin zur elektrischen Anhängerkupplung bieten muss, braucht man in einem Kombi wie diesem ganz sicher keinen vorausschauenden Effizienz-Assistenten. Immerhin stimmt der Sound, selbst wenn das Orchester nur noch ein Sextett ist. Schließlich bietet der Kombi mit seinem 505 bis 1510 Liter großen Kofferraum mehr Volumen für Resonanzen als der RS5.
Heiße Leidenschaft oder kühle Perfektion? Es gibt in einem Sportwagen etwas, das noch wichtiger ist als die großen Gefühle: Geschwindigkeit. Und da macht dem RS4 Avant so schnell keiner etwas vor. Denn der Wagen ist nicht nur auf dem Papier schnell, sondern fühlt sich in der Praxis noch viel schneller an. Im Ort muss man sich deshalb förmlich zur Verkehrsdisziplin zwingen und kaum sieht man das Ortsschild, steigt man aufs Gas wie ein Rennfahrer beim fliegenden Start. Zack, zack, zack – rasend schnell wechselt der Wandler die Gänge und die Landschaft draußen schaltet auf Fast Forward. Und wo man sonst in Kurven und Kehren vielleicht kurz zuckt und den Fuß lupft, lässt sich der RS4 von engen Radien genauso wenig bange machen wie von Bodenwellen oder anderen Nachlässigkeiten im Straßenbau: Der Allrad mit der variablen Kraftverteilung, Bremsen, die einem ein unerschütterliches Vertrauen einflößen, eine messerscharfe Lenkung und ein fein ausbalanciertes Fahrwerk machen den Avant für Eilige zu einem der schnellsten und schärfsten Kombis im Land und beweisen eindrucksvoll, dass Perfektion vielleicht manchmal doch kein Schaden ist.
Er sieht gut aus und er fährt noch viel besser, er ist stark und schnell und ungeheuer Präzise – doch wie alle Audi-Modelle in der Mittelklasse ist auch der RS4 Avant einfach zu perfekt, um noch irgendwie emotional zu sein. Und dass ihn zum Vorgänger zwei Zylinder fehlen, macht die Sache nicht viel besser. Im Gegenteil beweist dieser Renntransporter bei aller technischen Brillanz, dass immer nur Sechs offenbar auch keine Lösung ist, erst recht, wenn die großen Gefühle fehlen.