Feinkost aus Fernost: Mit Finesse, Format und Feingefühl pirscht sich der Lexus LS weiter an S-Klasse & Co heran
Man wächst mit seinen Aufgaben. Dieses Sprichwort gilt auch in der PS-Welt und kein Auto zeigt das besser als der neue Lexus LS. Denn auch wenn die feine Toyota-Tochter einen aussichtslosen Kampf gegen Mercedes S-Klasse, BMW Siebener und Audi A8 führt, lassen sich die Japaner den Schneid nicht abkaufen und beweisen einen bewundernswert langen Atem – immerhin währt ihr Gipfelsturm nun fast schon 30 Jahre. Und obwohl eine knappe Million Verkäufe weltweit und etwa 40 000 Zulassungen in Europa seit 1989 nicht die ganz große Nummer sind, haben sie in der Zwischenzeit doch einiges erreicht. Denn wenn sie Mitte Januar zu Preisen ab 93 300 Euro die fünfte Generation ihres Luxuslimousine an den Start bringen, kommen sie S-Klasse & Co wieder ein gutes Stück näher und ziehen zumindest in einigen Disziplinen sogar an den deutschen Dickschiffen vorbei.
War der erste Lexus LS noch eine freche Kopie der S-Klasse, beweisen die Japaner längst einen ganz eigenen Charakter und wollen deshalb vor allem mit Format, Finesse und Feingefühl punkten. Kein Wunder, dass sich die Designer allein drei Monate Zeit für den Kühlergrill genommen haben. Dafür allerdings wirkt der Lexus jetzt in der distinguierten Luxusklasse wie ein Samurai in der Vorstandssitzung: Die Front weit aufgerissen, die Scheinwerfer messerscharf und die Rückleuchten von fast hypnotischer Strahlkraft – schüchtern ist das Flaggschiff nun wirklich nicht. Und während die Deutschen tapfer an der Limousinen-Form festhalten, wird der LS mit seinem flachen Dach und dem breiten Stand fast zum Coupé, dessen Kofferraum zu einem kleinen Stummel schrumpft. Dass der Wagen trotzdem reichlich Platz bietet, liegt am neuen Format. Denn Lexus hat den LS im Radstand auf 3,13 und in der Länge auf 5,24 Meter gestreckt. Damit überragt er die Konkurrenz und ist sogar noch länger als die bisherige Langversion, die sich deshalb erst einmal erübrigt hat. Trotzdem ist das Auto dank einer neuen Plattform fast zwei Zentner leichter und hat einen tieferen Schwerpunkt, was zusammen mit der Hinterachslenkung die Lebensgeister der Luxuskundschaft wecken soll.
Zwar zielen sie ins gleiche Segment. Aber die Japaner wollen die deutschen Platzhirsche nicht mit ihren eigenen Waffen schlagen. Stattdessen setzten sie auf etwas, das sie Omotenashi nennen und sich am besten mit Gastfreundschaft übersetzen lässt. Noch bevor der Gast einen Wunsch ausgesprochen hat, soll er ihm erfüllt werden, erläutert Chefingenieur Toshio Asahi dieses Leitmotiv und nennt dafür im Lexus bald ein Dutzend Beispiele: Wenn die Luftfederung die Karosserie zum Einsteigen kurz um drei Zentimeter anhebt und sich die großen Türen mit den bündig eingelassenen Scheiben öffnen, weiten sich deshalb vorübergehend auch die Sitze und selbst das beleuchtete Gurtschloss reckt sich den Passagieren um fünf Zentimeter entgegen – so ein Willkommen bereitet einem nicht einmal ein Rolls-Royce.
Dazu zelebriert Lexus eine Finesse, wie sie in dieser mittlerweile von überraschend großen Stückzahlen geprägten Klasse ziemlich selten geworden ist. Statt in eine Luxussuite von der Stange steigt man deshalb in eine Lounge aus Lack und Leder, für die die Japaner ein Heer von Kunsthandwerkern verpflichtet haben. Die in Dutzenden Stunden von Hand gefalteten Stoffverkleidungen der Türen müssen einem genauso wenig gefallen wie die schillernden Glaskonsolen oder das spektakulär verarbeitete Wurzelholz. Aber das ist in seiner Warmherzigkeit kein Vergleich zu der sachlichen Atmosphäre eines Siebeners oder zum kühlen Hightech-Luxus des A8. Und selbst die S-Klasse wirkt dagegen so nüchtern wie ein Junior-Suite im Konferenz-Hotel.
Dummerweise passt der Lexus damit allerdings nicht so richtig in die Zeit: Er ist trotz des digitalen Cockpits zu analog für die Generation iPhone. Er hat schließlich nicht einmal einen Touchscreen und das Touchpad auf dem Mitteltunnel wirkt ein wenig antiquiert. Aber um als puristische Alternative zu den Raumfahrtcockpits von A8 oder S-Klasse durchzugehen, ist er zu protzig und zu barock. Weniger, wäre da am Ende vielleicht doch mehr gewesen.
Weil Omotenashi aber nicht nur weiches Leder meint und einen Rücksitz, der einen mit Shaihatsu-Massage und elektrischer Fußstütze verwöhnt, sondern auch heißt, dass man sich um den anderen kümmert, hat Lexus den LS mit allen Assistenzsystemen gespickt, die der große Toyota-Konzern gerade zu bieten hat – bis hin zum langen Lenkeingriff für freihändige Autobahnfahrten, den automatisierten Spurwechsel und einem Ausweichprogramm für Fußgänger. Auf dem Weg zum autonomen Fahren mögen die deutschen Konkurrenten vielleicht ein Stückchen weiter sein. Aber dafür ist der Lexus buchstäblich umsichtiger und nimmt mehr Rücksicht auf den Rest der Welt als die Konkurrenz.
Was den LS noch auszeichnet, das ist die ungeheure Ruhe an Bord. Nicht nur, weil sich die frische Karosserie auf der neuen Plattform schneidiger in den Wind duckt, steifer ist und die Luftfederung den 2,2-Tonner auf Samtpfoten stellt. Sondern vor allem, weil Lexus natürlich – schließlich ist der LS ja auch nichts anderes als ein großer Toyota – wieder mit einem Hybriden startet und man deshalb zumindest die ersten paar Kilometer dem 60 PS starken E-Motor sei dank, tatsächlich in völliger Ruhe dahin gleitet.
Erst wenn man fester aufs Gas tritt oder der Pufferspeicher leer ist, meldet sich mit einem dezenten Flüstern der neue V6-Motor zu Wort, den man schon aus dem LC kennt. Das passiert beim Lexus allerdings früher als bei den Hybrid-Versionen aus Deutschland. Denn weil die Japaner nicht viel vom Plug-In halten und Verbrauch oder Komfort lieber über das intelligente Zusammenspiel der beiden Motoren statt mit Strom aus der Steckdose steuern, ist die stille Sause schnell wieder vorbei.
Der 3,5-Liter hat zwar allein 299 PS und 350 Nm und damit allemal genügend Dampf. Doch so schnell und unmerklich die Zehngang-Automatik die Gänge sortiert, so lange braucht der LS beim Kickdown, bis das Triebwerk mal aufgewacht ist und sich mit seiner vollen Kraft uns Zeug legt. Dann allerdings ist es mit der Ruhe vorbei, trotz Allrad quietschen kurz die Reifen und in 5,5 Sekunden geht es von 0 auf 100. Schluss ist, genau wie bei allen in dieser Liga, erst einmal bei 250 Sachen und von einer Sportversion wollen die Japaner trotz der schnittigen Design – und Ausstattungsvariante F-Sport erst einmal genauso wenig wissen, wie von einem Steckdosenstromer oder der Rückkehr des bisherigen Achtzylinder. Aber immerhin haben sie für Deutschland noch eine zweite Motorvariante in petto: Alternativ zum LS500h gibt es für 105 900 Euro aufwärts einen LS 500 ohne das elektrische Beiwerk, bei dem der V6 die Arbeit alleine macht. Dafür spendieren ihm die Entwickler dann aber auch 418 PS und den Allradantrieb auch ihne die beim Hybrid fälligen 3 600 Euro Aufpreis und versprechen entsprechend kürzere Sprintzeiten.
Dass der LS den Fahrer trotzdem nicht vollends elektrisiert weil ihm zum fliegenden Teppich der S-Klasse genauso viel fehlt wie zum Smoking-Sportler im Stil des Siebeners und er damit ein wenig zwischen den Extremen gefangen ist, das tut der Faszination allerdings keinen Abbruch. Denn wo bei den deutschen Luxuslinern die erste Reihe allem Luxus im Fond zum Trotz auch die erste geige spielt, fährt man bei den Japanern besser hinten rechts als vorne links und lässt sich einfach noch ein bisschen verwöhnen. Wahres Omotenashi heißt schließlich auch, dass andere für einen die Arbeit machen.