Schweden-Happen für Hipster: Jetzt erobert Thors Junior den Großstadtdschungel
So langsam wird es eng für Audi Q2, BMW X1 und Mercedes GLA. Denn nachdem die drei deutschen Platzhirsche das Segment der kompakten Geländewagen mit gehobenem Anspruch bislang weitgehend für sich alleine hatten, drängen jetzt von allen Seiten neue Spieler auf den Plan. Gerade erst hat Jaguar den E-Pace lanciert und im Frühjahr zieht Volvo mit seinem erstem kompakten SUV nach: XC40 heißt der Hoffnungsträger, der das Zeug zum meistverkauften Volvo aller Zeiten hat. Er basiert auf einer neuen Kompakt-Plattform, die er sich mit der chinesischen Schwestermarke Lynk&Co teilt, kommt im März in den Handel und wird mittelfristig bei 31 350 Euro starten. Wer allerdings gleich zur Markteinführung vom Hof fahren will, muss mit den starken Motoren und der gehobenen Ausstattung Vorlieb nehmen und ist mit mindestens 44 800 Euro dabei.
Dafür gibt es ein SUV von 4,43 Metern Länge und 2,70 Metern Radstand, das mit stolzer Statur und breitem Stand tatsächlich noch nach SUV und nicht nach weichgespültem Crossover aussieht – und das einen spannenden Spagat steht. Denn auf der einen Seite ist der XC40 ein Volvo, wie er im Buche steht. Und auf der anderen Seite ist er einer, wie es ihn noch nie gegeben hat. Das beginnt beim Design, das zwar mit der kantigen Grundform, der typische Hammer-Signatur der LED-Leuchten und den starken Schultern schon auf Meilen als Volvo zu erkennen ist, bei näherer Betrachtung aber eben doch ganz anders aussieht: Der Grill nach innen gebogen, die Karosserie sehr viel stärker konturiert und eine Zweifarblackierung in zum Teil wirklich gewagten Kombinationen – statt einfach nur auf Nummer Sicher zu gehen und XC90 und XC60 zu schrumpfen, haben die Schweden doch noch einmal etwas neues gewagt.
Auch innen geht der XC40 seinen eigenen Weg. Denn während sich die großen Modelle betont cool und lässig geben, ist der XC40 in jeder Hinsicht engagierter. Volvo-Standards wie der senkrechte Touchscreen, die digitalen Instrumente und die ungewöhnlichen Lüfter sind in einem neuen Cockpit integriert, das viel mehr Form und Farbe zeigt als bisher und sich weit weniger zurücknimmt. Und selbst die Sitzposition ist ein wenig engagierter, so dass man leichter Lust aufs Fahren bekommt und nicht einfach nur ans entspannte Ankommen denkt.
Während der XC40 bei Design und Zuschnitt eigene Wege geht, hält er sich bei der Ausstattung ganz an die großen Brüder. Das gilt insbesondere für die Assistenzsysteme vom Tempomat mit Anstandsregelung über den nahezu autonomen Autobahnpiloten bis Tempo 130 bis hin zur faszinierend detaillierten Kamera-Überwachung aus allen Perspektiven. Da ist es dann fast schon egal, dass man durch die Heck- und die hinteren Seitenscheiben kaum etwas sieht.
Die Nähe zu XC90 und XC60 gilt allerdings auch für das Fahrverhalten: Weil der Schwede an sich ohnehin eher gemütlich ist und sich von nichts und niemandem hetzen lässt, hat auch der XC40 keine Eile. Selbst das Topmodell mit seinem immerhin 247 PS und 350 Nm starken Vierzylinder-Benziner geht deshalb eher beschaulich zu Werke. Zwar ist der XC40 kleiner und leichter und die Lenkung ist ein wenig direkter übersetzt als bei seinen großen Brüdern. Aber 6,5 Sekunden von 0 auf 100 und maximal 239 km/h sind kein Ruhmesblatt und wo man sich im X1 oder im Q2 über jede Kurve freut, ist der Volvo dem Mercedes näher und fühlt sich vor allem auf einer breiten Bahn mit wenig kurven geborgen. Das ist übrigens beim 2,0 Liter großen Diesel mit 190 PS und 400 Nm aus der Startaufstellung nicht anders und wird ganz sicher auch für das Einstiegsmodell mit einem 156 PS starken Dreizylinder gelten, der zur Preiskorrektur im Frühjahr nachgereicht wird. Ebenfalls auf der Liste stehen der D3 und der T4 für den Lückenschluss und weil Volvo-Chef Hakan Samuellson ja die großflächige Elektrifizierung der Modellplatte angekündigt hat, gibt es 2019 erst einen Motor mit 48-Volt-Hybrid, dann eine Plug-In-Variante und spätestens 2020 wird der XC40 zum ersten Volvo, der rein elektrisch fährt.
Zwar zielt Volvo vor allem auf das noble Trio aus dem deutschen Süden, doch irgendwie muss den Schweden auch Skoda auf den Schirm gerückt sein. Zumindest hat sich dort mal jemand die Simply-Clever-Strategie angeschaut und die auf dem X40 übertragen. Und zwar so gut, dass die Tschechen eigentlich den Hut ziehen müssten. Denn es ist jetzt eben nicht mehr der Karoq, der die größte Türtaschen in dieser Klasse oder die pfiffigsten Ablagen hat. Sondern die Punkte für smarte Details gehen nach Schweden: Versteckte Kreditkartenhalter, einen Mülleimer auf dem Mitteltunnel, einen Raumteiler mit pfiffige Taschenhaken im 460 Liter großen Gepäckabteil und vor allem selbst für die massive Kofferraumabdeckung einen Platz unter dem Ladeboden – das muss Volvo erst einmal jemand nachmachen.
Aber der XC40 wirkt nicht nur beim Fahren irgendwie frischer als alle anderen Volvos. Auch beim Vertrieb wagen sich die Schweden mit ihrem Thor Junior auf Neuland. Nicht umsonst haben sie die Bordelektronik des XC40 so programmiert, dass man den Wagen im Freundeskreis über eine App und einen Zugangscode auf dem Smartphone „sharen“ und auch Fremden die Fahrt ermöglichen Zugang gewähren kann wie bei einem Zimmer für AirBnB. Und nicht ohne Grund legen sie zum Start des XC40 auch ihr „Care by Volvo“-Programm auf, mit dem man Autos nicht mehr kaufen muss, sondern ähnlich wie ein Smartphone abonnieren kann. Dann gibt’s das Auto ganz ohne Preisverhandlungen und regionale Unterschiede für eine fixe Monatsrate – und selbst das Tanken oder Waschen übernehmen die Schweden.