Golf on the Rocks – So rüttelt der T-Roc die verschlafene VW-Familie wach
Es hat zwar ein bisschen gedauert. Doch jetzt hat auch VW hat so langsam kapiert, dass die Autowelt derzeit nur im SUV zu ertragen ist. Deshalb schieben die Niedersachsen gerade einen Geländewagen nach dem anderen auf den Markt. Nach Tiguan und Tiguan Allspace und vor dem nächsten Touareg soll ab November der neue T-Roc zu Preisen ab 20.390 Euro das Feld von unten aufrollen.
Zwar basiert auch er auf dem Modularen Querbaukasten und ist deshalb technisch nichts anderes als ein Golf on the rocks – zumal er mit seinen 4,23 Metern auch ziemlich genau das Format des Bestsellers hat und preislich keine 2 000 Euro darüber liegt. Doch obwohl die Zutaten alle bekannt sind, hat VW daraus diesmal einen völlig neuen und ziemlich erfrischenden Cocktail gemixt. Denn zum ersten Mal seit der Premiere des New Beetle vor 20 Jahren drehen sich plötzlich wieder arglose Passanten nach einem Volkswagen um und recken den Testfahrern anerkennend die Daumen entgegen.
Das liegt zum einen an der frischen Form mit einem trotzigen Gesicht, das wegen der nach unten gerügten Tagfahrleuchten auch bei Nacht erkennbar ist, mit einem buchstäblich spannenden Dachbogen und einem Heck, das auch ein Coupé schmücken würde. Und es liegt an vielen für VW ziemlich mutigen Farben, die man obendrein noch kombinieren kann: Zehn Grundlacke, vier Kontrastfarben und dazu innen noch Zierkonsolen und nähte in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen: so wird der T-Roc zum bunten Hund im Wolfsburger Einerlei – selbst wenn man ihn natürlich auch in „Caribou Grey“ mit mausgrauem Innenleben bestellen kann.
Den Mut zu frischen Formen und frechen Farben beweisen die Niedersachsen aber nicht ohne Grund, sondern er ist aus der Not geboten. Denn VW ist mal wieder extrem spät dran und muss, so räumen es die Verantwortlichen in Wolfsburg ein, schon ein vorlaut auftreten, um sich im riesigen Heer der kleinen Geländewagen überhaut Gehör zu verschaffe. Schließlich haben Autos wie der Renault Captur oder der Peugeot 2008 und natürlich der Opel Mokka sich bereits einen guten Namen gemacht, und mit ebenfalls nagelneuen Konkurrenten wie dem Citroen C3 Aircross, dem Kia Stonic oder dem Hyundai Kona wird der Weg zur Spitze des Segments für den T-Roc kein Spaziergang.
Obwohl der T-Roc zuallererst ein modisches Auto sein möchte, bedient er – so viel ist VW der Vernunft dann doch schuldig, auch die Ratio. Deshalb legen die Entwickler Wert auf ihre effiziente Raumausnutzung, die durch den großen Radstand von 2,60 Metern im Fond eine Beinfreiheit auf dem Niveau des Golfs ermöglicht und zu einem Kofferraum führt, der mit 445 bis 1290 Litern sogar 15 Prozent größer ist als beim braven Bruder – selbst wenn die Designer mit der schräg gestellten Klappe sogar ein paar Dutzend Liter verschenkt haben. Allerdings geht der Flirt mit den Familien nicht ganz so weit wie etwa beim Cousin Skoda Karoq oder beim großen Bruder Tiguan: Nach einer verschiebbaren Rückbank sucht man auf der Optionsliste des T-Roc deshalb zum Beispiel vergebens.
Dabei ist die lang genug und bietet wie immer bei VW reichlich Möglichkeiten, Prestige und Preis des kleinen SUV in die Höhe zu treiben. Nicht umsonst bietet VW neben den vielen Design- und Dekorvarianten auch Extras wie das digitale Cockpit, den großen Touchscreen mit seinem wegweisenden Online-Infotainment und Assistenten vom Stau- bis zum Parkassistent an. Dass man dann schnell auf dem Preisniveau des Tiguan ist und wahrscheinlich schon nahe an den Touareg kommt, darf einen dann allerdings nicht überraschen.
Mehr Auswahl als bei den anderen gibt es auch unter der Haube. Schließlich bietet VW den T-Roc vom Start weg mit je drei Benzinern und drei Dieseln mit jeweils 115, 150 und 190 PS und hat anders als die meisten Konkurrenten selbstredend auch einen Allradantrieb im Programm samt eines speziellen Offroad-Setups für die Elektronik im Programm.
Spätestens wenn man den stärksten Benziner wählt, ist der Weckruf des Nachzüglers kaum zu überhören. Denn mit seinen 320 Nm ist der T-Roc so putzmunter, dass er auch beim verschlafensten VW-Kunden den Puls in die Höhe treibt. Erst recht, wenn man das sportlichste Fahrprofil wählt, die Elektronik alle Muskeln anspannt, das Fahrwerk straffer, die Lenkung direkter, das DSG schneller und das Gaspedal gieriger wird. Dann gibt der T-Roc den GTI fürs Grobe und fegt trotz des höheren Schwerpunkts um die Eckendass es eine wahre Freude ist. Dazu der Sprintwert von 7,2 du auf der Autobahn ganz entspannt bis zum Spitzentempo von 216 – wer da noch vom Tiguan schwärmt, der trinkt auch koffeinfreien Espresso mit Süßstoff und Dosenmilch. Kein Wunder, dass sie in Wolfsburg schon mit einer Powerversion liebäugeln, die gerne mehr als 250 PS haben dürfte.
Nach dem Atlas für die USA und dem Tiguan Allspace am anderen Ende der europäischen SUV-Palette, ist der T-Roc bereits die dritte Neuheit, die VW in diesem Jahr auf die Buckelpiste schickt. Und die nächste Generation des Touareg steht auch schon in den Startlöchern. Doch dabei wollen es die Niedersachsen nicht belassen. Jetzt, wo sie endlich Geschmack am SUV gefunden haben, sind wie im Rausch und planen bereits den nächsten Roc-er: In nicht mal einem Jahr machen sie deshalb auch den Polo fit für die Pampa.