AMG im Adelsstand: So fährt der Mercedes GT im Smoking
Wenn Andy Palmer in diesen Tagen die noble Bang & Olufsen-Anlage in seinem Dienstwagen aufdreht, dann sollte der Aston Martin-Chef öfter mal die Beatles hören. Denn dass der britische Autohersteller zum ersten Mal seit Urzeiten wieder in der Gewinnzone ist und seinen Absatz im letzten Jahr verdoppelt hat, ist Palmer nur „with a little help from my friends“ gelungen. Schließlich fußt das Wachstum vor allem auf dem vor Jahresfrist eingeführten DB11, der mit tatkräftiger Unterstützung von Mercedes-Ableger AMG entstanden ist.
Im ersten Schritt haben die Briten zwar nur die Elektronik und das Infotainment übernommen. Denn weder bei ihrem famosen V12 mit 608 PS, noch bei ihrem stilsicheren Design ohne die barocke Pracht eines Bentley oder die peinliche Brutalität eines Lamborghini brauchen sie wirklich Nachhilfe. Und wie man mit Lack und Leder, Chrom und Wurzelholz umgeht, haben sie in mehr als 100 Jahren selbst hinreichend perfektioniert. Doch wenn Palmer jetzt nach 2 500 V12-Modellen in zwölf Monaten die zweite Stufe der DB11-Offensive zündet und Ende Oktober auch eine Version mit V8-Motor an den Start bringt , wird es Zeit für eine weitere Wiederholung des Beatles-Klassikers. Immerhin steckt unter der ebenso langen wie flachen Haube dann erstmals auch ein Motor von Mercedes.
Kein geringeres Aggregat als den famosen Achtzylinder aus dem AMG GT überlassen die Schwaben ihren neuen Freuden auf der anderen Seite des Kanals, die den Powerback durch den mit Hilfe eines neuen Trockensumpfs noch tieferen Einbau in den DB11 quasi in den Adelsstand erheben. Denn gemessen an dem britischen Gran Turismo wirkt der Stuttgarter Sportwagen lange nicht so edel, elegant und elitär. Er mag ein bisschen versnobt sein und ein paar Details wie die elektrische Klappe für die Ablage auf der Mittelkonsle sind schräg und insbesondere die Abteilung Colour& Trim leistet sich mit lila Leder ein paar schwierige Skurillitäten. Doch unter dem Strich ist der BD11 das stilsicherere Auto, mit dem man in manchen Situationen einfach den besseren Auftritt hinlegt.
Das gilt nicht allein für das Styling, sondern auch für den Sound. Denn Aston Martin hat den Motor nicht nur neu kalibriert, ihn weicher im Fahrzeug aufgehängt und ihn für einen niedrigeren Schwerpunkt näher an die Straße gerückt. Sondern die Briten haben auch eine eigene Abgasanlage eingebaut, mit der die acht Zylinder plötzlich auch die leisen Töne beherrschen. Zumindest im GT-Modus klingt der Affalterbacher Achtzylinder plötzlich, als habe er Kreide gefressen und als seien die zwei Endrohre mit Watte ausgestopft, so verhalten ist sein Grollen und so brav sein Brüllen, wenn man den rot pulsierenden Startknopf drückt.
Aber natürlich kann der elitäre Engländer auch anders. Man muss nur vom GT-Modus in den Sport- oder gar den Sport+-Betrieb wechseln und aus dem Edelmann wird ein Hooligan, der seine ganze Kraft und Wut nur so herausbrüllt. Der Krawall aus dem Endrohr klingt wie ein Silvesterfeuerwerk, die adaptiven Dämpfer schütteln die Wirbel durch wie ein Barkeeper die Eiswürfel im Martini und die Gänge wechseln so hart und schnell, dass einem nach ein paar Kilometern der Nacken schmerzt.
Ohnehin haben Stil und Sound wenig mit dem Speed zu tun, den der DB11 abliefert. Denn egal, in welchem Modus man gerade fährt, ist das Vierliter-Triebwerk ein Treibsatz von nahezu explosiver Wirkung: Mit 510 PS und 675 Nm liegt es in der Mitte dessen, was bei Mercedes alles möglich ist und zugleich nur knapp 100 PS und 25 Nm vom hauseigenen V12. Kein Wunder, dass er für den Sprint von 0 auf 100 mit 4,0 Sekunden nur eine Zehntel mehr braucht als das Top-Modell. Und dass der V12 bei Vollgas 21 km/h schneller ist, stört allenfalls beim Benzingespräch am Tresen. Denn mal ehrlich: 301 oder 322 km/h – das kann man im Alltag ohnehin nie ausprobieren. Und wer geht mit einem Auto wie diesem auf eine Rennstrecke?
Dabei erweist sich der V8 bisweilen sogar als die bessere Wahl. Denn je schmaler die Straßen und je enger die Kurven werden, desto mehr profitiert man von den gut zwei Zentnern, die weniger auf der Vorderachse lasten. Schon möglich, dass der DB11 mit zwölf Zylindern die perfekte Interkontinental-Rakete ist, mit der man stundenlang über die linke Spur fliegen will. Doch bei einer flotten Landpartie auf einer einsamen Bergstraße gelten andere Gesetze. Dort, wo man um die Ideallinie noch ringen muss, wo man am Lenkrad rotiert und wo es auf jeden Millimeter ankommt, ist weniger bisweilen mehr. Und dass der der V8 auch noch 25 000 Euro weniger kostet als ein V12 und mit seinem Normwert von 9,9 Litern zumindest auf dem Papier sogar 1,5 Liter weniger verbraucht, ist ja auch kein Schaden.
Spätestens da allerding schlägt auch die Stunde des Organspenders aus Stuttgart. Denn ausgerechnet beim Preis übernimmt der GT in diesem Vergleich eine für Mercedes eher ungewöhnliche rolle – und wird mit seinem Grundpreis von 117 280 Euro zu einem schnellen Schnäppchen.