Groß im Geschäft: So soll der Grandland X für Opel das Segment von Tiguan & Co aufmischen
Mit dem Mokka war Opel seiner Zeit voraus und hat lange vor der Konkurrenz das Segment der kleinen SUV erobert. Doch in der Klasse darüber haben sich die Hessen ausgerechnet von der lahmen VW-Truppe abhängen lassen. Denn während die Niedersachsen mit der Produktion des Tiguan auch in der zweiten Generation kaum hinterherkommen, hatte Opel bislang keinen kompakten Geländewagen zu bieten. Dabei ist das zumindest bislang noch immer das größte Segment am Markt. Doch jetzt werden die Lücken geschlossen und im Oktober soll für Preise ab 23.700 Euro der Grandland X groß ins Geschäft kommen. Mit 4,47 Metern überragt er den Mokka-X um 20 Zentimeter länger aund wächst tatsächlich auf Tiguan-Format.
Wie schon sein kleiner Bruder Crossland X ist das vorläufige Flaggschiff der SUV-Flotte aus Rüsselsheim kein Eigengewächs, sondern ein voreheliches Kind der Kooperation mit dem PSA-Konzern. Denn unter dem im typischen Opel-Design mit scharfen Scheinwerfern und schnittiger C-Säule gezeichneten Blech steckt die Plattform des Peugeot. Allerdings hat Opel die Familienbande gut getarnt und auch innen gibt es nichts, was an das ganz eigene Flair der Franzosen erinnert. Das Lenkrad ist im guten und das Cockpit im schlechten Sinne typisch Opel. Denn während man den Grandland X mit dem einen gut im Griff hat, schaut man auf dem anderen nach wie vor auf analoge Zeiger und wähnt sich in der Infotainment-Steinzeit. Zumindest bis man nebenan auf dem Touchscreen die OnStar-Plattform entdeckt und sich mit der Cyber-Nanny in Rufbereitschaft oder dem permanenten Online-Zugang über die verstaubten Anzeigen hinwegtröstet.
Auch beim Rest der Ausstattung ist man hin- und hergerissen zwischen Ah! und Oh! Denn Features wie die klimatisierten Sitze, die Lenkradheizung, die adaptiven LED-Scheinwerfer oder die aktiven Spurführungshilfen und der Tempomat mit Abstandsregelung passen gut zum gehobenen Anspruch des Grandland X. Aber das Head-up Display aus dem Peugeot 3008 zum Beispiel sucht man vergebens beim Schwestermodell von Opel.
Typisch Opel sind auch die Sitze. Die sind nicht nämlich nur bequem, sondern ergonomisch vorbildlich, sagt zumindest die Aktionsgemeinschaft Gesunder Rücken und spendiert dem Grandland ihr begehrtes AGR Siegel. In der zweiten Reihe sitzt man zwar ebenfalls sehr bequem und hat bei 2,68 Metern Radstand auch genügend Beinfreiheit, vermisst allerdings die Variabilität, die viele SUV mittlerweile vom Van übernommen haben. Die zweigeteilte Sitzlehne muss deshalb reichen, um den von einer sensorgesteuerten Klappe bedeckten Kofferraum zwischen 514 und 1.652 Litern zu variieren. Immerhin ist der Ladeboden topfeben und das Staufach im Souterrain größer als der Keller manch einer Mietwohnung.
Angetrieben wird der große Opel von zunächst nur zwei, überraschend kleinen Motoren. Denn der Benziner, den man am typischen Pöttern schnell als Dreizylinder erkennt, hat gerade mal 1,2 Liter Hubraum, und die vier Zylinder des Diesels summieren sich auf 1,6 Liter. Doch weil der Grandland X mit seinen knapp 1,4 Tonnen zu den leichtesten Autos im Segment zählt, fühlt sich der doppelte Mokka überraschend handlich und agil an, findet die richtige Balance zwischen Schaukel und Brett und ist mit den 130-Benzin- und 120 Diesel- PS trotzdem flott unterwegs. Zumindest, solange man auf Asphalt bleibt. Wer sein Glück tatsächlich auch mal abseits der Straße probieren will, sollte sich dagegen on der hohen Bodenfreiheit nicht täuschen lassen: Mehr als eine etwas aufwändigere Traktionskontrolle hat der Grandland X für den Ausflug ins Abenteuer nicht zu bieten. Allrad- statt Frontantrieb wie bei Tiguan, Qashqai oder den Koreanern gibt die PSA-Plattform nicht her.
Zwar machen sowohl der wie alle Dreizylinder etwas knurrige Benziner, als auch der dafür um so leisere Diesel bei der ersten Ausfahrt eine solide Figur und decken eigentlich alle denkbarem Bedürfnisse in dieser Klasse ab. Doch für Knauser will Opel zur Preiskorrektur später noch einen schwächeren Benziner nachreichen, und wer mal schneller als die bislang maximal 189 km/h fahren will, der kann auf einen 180 PS Diesel hoffen und bekommt dann auch eine Achtgang-Automatik.
Selbst den Allradantrieb haben die Hessen nicht ganz vergessen – wenngleich er nur durch die Hintertür zu haben sein wird. Denn als erster Opel wird der Grandland X zum Plug-In-Hybriden und übernimmt dafür die elektrische Hinterachse, die sie gerade bei der neuen Mutter in Paris entwickeln. Dann kommt der große Landjunge nicht nur im Gelände noch ein Stückchen weiter, sondern darf selbst dann in die Stadt, wenn die Politiker den normalen SUV mal einen Strich durch die Rechnung machen – und ist so am Ende sogar dem VW Tiguan ein wenig voraus.