Klappe zu, Meriva tot: Mit Hilfe aus Frankreich wird der Oma-Opel zum coolen Crossover
Für Skeptiker ist das der Anfang von Ende. Doch für Opel Chef Karl-Thomas Neumann ist es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Denn wenn die Hessen Ende Juni zu Preisen ab 16 850 Euro den neuen Crossland X an den Start bringen, ist das ihr erstes Modell, das gemeinsam mit den im PSA-Konzern vereinten Marken Peugeot und Citroen entwickelt wurde. Zwar war beim Beginn der Kooperation vom Verkauf der Deutschen an die Franzosen noch nicht die Rede, doch gilt Neumann der kleine Crossover als Prototyp dessen, was möglich ist, wenn zweit starke Partner sich in den Dienst der Sache stellen und konstruktiv zusammenarbeiten.
Für Opel jedenfalls ist der Crossland X ein echter Gewinn. Denn selbst wenn er nicht so pfiffig ist wie der Meriva mit seinen gegenläufig angeschlagenen Fondtüren, hat er beste Aussichten auf einen großen Erfolg. Während die Zulassungen für Vans ins Bodenlose fallen und der altbackene Meriva zuletzt als verstaubter Oma-Opel galt, gehen die Prognosen für handliche Geländewagen durch die Decke. „Kein anderes Segment wird in den nächsten Jahren so stark zulegen wie dieses“, freut sich Neumann. Und die Freude ist umso größer, weil er den Kernwettbewerbern der Hilfe seiner französischen Freunde sei Dank ein gutes Stück voraus ist: Weder bei Ford noch bei VW gibt es bislang ein vergleichbares Auto.
Auch wenn der Crossland X aus seiner Abenteuerlust keinen Hehl macht, deutlich bulliger aussieht als der Meriva, sich stilistisch an den erfolgreichen Mokka X heranmacht und am Steuer wie bei allen Crossovern deutlich über den Dingen steht, ist er deshalb aber nicht weniger praktisch. Mit 4,21 Metern etwa 10 Zentimeter kürzer als der letzte Meriva oder 20 Zentimeter kürzer als der aktuelle Astra, dafür aber zehn Zentimeter höher, bietet er innen nicht nur viel Platz, sondern auch die Variabilität eines Vans. Nicht umsonst kann man die beiden asymmetrischen Elemente der Rückbank um 15 Zentimeter verschieben. Das gibt den Insassen nicht nur mehr Flexibilität als bei den meisten Konkurrenten, sondern auch mehr Freiheiten: Mit der Rückbank auf der letzten Rille können im Fond selbst Sitzriesen halbwegs entspannt fahren. Und wenn man die Knie an die Ohren legt, wächst der Kofferraum schrittweise von 410 auf 520 oder 1 255 Liter erweitern. „Das ist konkurrenzlos in diesem Segment“, sagt Projektleiter Georg Schade.
Zwar muss man auf die eigenwilligen Türen verzichten, Doch alles, was man sonst von Opel kennt, ist auch beim Crossland X an Bord. Das gilt insbesondere fürs Infotainment: Auch das französisches Kuckuckskind bekommt deshalb das vertraute und bisweilen ein bisschen verstaubte Opel-Cockpit sowie den um so moderneren Touchscreen in der Mittelkonsole. Der ist nämlich nicht nur stolze 8 Inch groß und hübsch anzusehen. Sondern in ihm ist auch das OnStar-Modul integriert, das eine Standleitung zur Cyber-Nanny hält, bei der Routenführung hilft und den Crossland X zum mobilen WLAN-Hotspot macht. Damit will Opel nicht nur auf der Straße auf die Überholspur wechseln, sondern auch auf der Datenautobahn in Führung bleiben. Dazu gibt es ein paar weitere Extras, mit denen die Hessen technische Führungsstärke beweisen wollen: Außen sind das die LED-Scheinwerfer mit Matrixlicht und innen zum Beispiel das Head-Up-Display sowie die kabellose Ladeschale fürs Handy.
Niemand bei Opel macht einen Hehl daraus, dass der Crossland X ein Gemeinschaftsprojekt ist, das uns bei Citroen zum Beispiel demnächst als C3 Aircross begegnen wird. Doch um so stärker merkt man dem Auto sein Bemühen um Eigenständigkeit an – selbst wenn einem beim zweiten oder dritten Blick überall die Logos der unterschiedlichen beteiligten Marken und Konzerne begegnen. Das gilt nicht nur für das Design, das sich nahtlos in die aktuelle Opel-Sprache schmiegt. Sondern es gilt mehr noch für das Fahrverhalten: „Man soll schon auf den ersten Metern spüren, dass man in einem Opel sitzt“, sagt Projektleiter Schade und rechtfertigt damit eine Abstimmung, die für eine designierte Familienkutsche wie den Crossland X fast schon ein bisschen zu firm ist. Wo es die Franzosen gerne etwas behäbig, ja fast beliebig mögen, gibt sich der Opel umso bestimmter: Das Fahrwerk ist bei allem Komfort vergleichsweise stramm und die Lenkung ist direkter als man es bei einem etwas hochbeinigen Kraxler für Kind und Kegel erwarten würde.
Das um so erstaunlicher, als dass dieses vergnügliche Fahrverhalten mit einer zunächst ziemlich vernünftigen Motorpalette einhergeht. Denn zum Start gibt es den Opel mit vornehmlich französischen Triebwerken von 81 bis 130 PS. Zur Wahl stehen dabei ein Dreizylinder-Benziner mit 1,2 Litern Hubraum und dem üblichen Pöttern dieser Bauart, den es mit 81, 110 oder 130 PS gibt, sowie ein 1,6 Liter großer Diesel mit 99 oder 120 PS. Der sparsamste Crossland X kommt so auf einen Normverbrauch von 3,6 Litern und der schnellste schafft 206 km/h. Dabei soll es aber nicht bleiben, verspricht Opel. Eine LPG-Umrüstung für den Benziner haben sie schon fest versprochen und ein paar stärkere Motoren werden zumindest nicht mehr lautstark dementiert.
Der Anfang vom Ende oder der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Die Antwort auf diese Frage wird nicht lange auf sich warten lassen. Zwar dauert die Entwicklung eines Autos drei, vier Jahre und bis das erste Modell nach der Übernahme kommt, wird es nicht vor 2020. Doch weil vor dem Kauf die Kooperation anberaumt wurde, ist der nächste Prüfstein für die nicht für beide Seiten ganz so freiwillige Partnerschaft bereits in der Pipeline: Im Herbst bekommt der Crossland X einen großen Bruder, der als Grandland X auf dem Peugeot 3008 basiert.