Dampfmaschine 3.0: Im Honda Clarity bahnt sich die Brennstoffzelle den Weg in den Alltag der Autofahrer
Sie ist so etwas wie die Untote unter den alternativen Antrieben. Denn genau so oft, wie die Brennstoffzelle schon in den Himmel gejubelt wurde, hat man sie auch wieder totgesagt. Doch obwohl die gesamte Autowelt im Augenblick auf billige Akkus für ihre kommenden Elektromodelle hofft, feiert das Wasserstoff-Kraftwerk für die mobile Stromerzeugung gerade wieder fröhliche Urständ. Denn nach Hyundai mit dem iX35 und Toyota mit dem Mirai bringt jetzt auch Honda ein neues Modell auf die Straße, das zumindest formal die Kriterien der Serienproduktion erfüllt: Vorhang auf für den neuen Clarity.
Das Auto ist zwar eine Premiere, aber für Honda nur noch Evolution statt Revolution. Schließlich haben die Japaner bereits eine Clarity-Generation am Markt, die im PR-Getrommel um den Toyota Mirai allerdings irgendwie untergegangen ist. Deshalb haut jetzt auch der ewige Rivale gehörig auf die Pauke und feiert den Beginn einer neuen Ära.
Die fußt vor allem auf einer deutlich verbesserten Brennstoffzelle selbst: Weil die Membranen jetzt dünner sind und sie alles geschickter verpackt haben, sparen die Entwickler ein Drittel des Bauraums. Das reicht, um den so genannten Stack mitsamt des Elektromotors vorn unter die Haube zu quetschen und schafft innen spürbar mehr Platz. Mit 4,90 Metern nicht länger als früher der Honda Accord, sitzt man deshalb vorne wie hinten bequem wie in einer Luxuslimousine. Und obwohl unter der Sitzbank und hinter der Rücklehne die Karbontanks für über fünf Kilo Wasserstoff montiert sind, bleibt endlich ein vernünftiger Kofferraum von 334 Litern.
So kompliziert die Technik ist, so einfach lässt sich Captain Futures neuer Dienstwagen fahren: Wie bei jedem anderen Elektroauto ist der Antritt spontan und die Reise gespenstisch leise. Nur dass man im FCV immer mal wieder ein Rauschen und Zischen hört, wenn der Wasserdampf aus dem System geblasen wird. Auch auf Spaß muss man nicht verzichten. Die Brennstoffzelle hat eine Leistung von 100 kW. Doch weil ähnlich wie bei einem Hybriden noch eine Pufferbatterie zugeschaltet wird, kann der E-Motor vorübergehend bis zu 130 kW abrufen. In der alten Welt sind das 174 PS und mehr als genug, selbst für den knapp zwei Tonnen schweren Technologieträger. Deshalb beschleunigt er mit seinen 300 Nm auch in 9,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h, wird bei spätestens 165 km/h allerdings wieder eingefangen. Damit fährt er nicht nur dynamischer als die meisten konventionellen Elektro-Autos, sondern vor allem länger. Denn wo den meisten Stromern nach 300, 400 oder vielleicht 500 Kilometern der Saft ausgeht, verspricht Honda eine Reichweite von 650 Kilometern. Und wo Elektroautos danach für Stunden an die Steckdose müssen, braucht der Clarity nur ein paar Minuten zum Tanken – wenn man denn eine Wasserstoff-Säule in der Nähe hat. Dumm nur, dass die noch Mangelware sind.
Zwar erweist sich der Clarity bei den ersten Tests tatsächlich als alltagstaugliches Auto, das jedem konventionellen Stromer mindestens ebenbürtig ist. Und zumindest in Japan und in den USA kann mit ihn über spezielle Leasingprogramme beinahe jedermann in die Zukunft starten. Doch so ein ganz alltägliches Auto ist er offenbar doch noch nicht. Denn weil die Kosten zu hoch sind und die Infrastruktur zu lückenhaft, wird es ihn in Europa bis auf weiteres nicht zu kaufen geben. Von ein paar Schaustücken für Flottentests abgesehen, muss die Zukunft bei uns noch warten.