Ein Feuerwerk in alten Farben: In Genf zeigt die PS-Branche viele News und doch fast nichts Neues
Er ist keine Schönheit, seine Fahrleistungen sind bescheiden und er hat nicht einmal ein Lenkrad. Doch glaubt man Johann Jungwirth, gehört Autos wie dem VW Sedric die Zukunft. Denn der oberste Digital-Stratege aus Wolfsburg glaubt fest daran, dass autonome Shuttles mit Elektroantrieb den Verkehrsinfarkt in den Megacities von morgen zumindest hinauszögern können. Deshalb will er alles dafür tun, dass die gerade auf dem Genfer Salon enthüllte Konzernstudie kein Einzelstück bleibt, sondern bald schon tausende solcher Glaskästen durch die Städte surren, sobald der Kunde sie mit dem Knopf an der neuen VW-Fernbedienung ruft.
Der absolute Gegenentwurf zu dem vielleicht vernünftigsten VW seit dem Käfer dreht am anderen Ende der Messe auf dem Stand von Mercedes. Dort läutet die Tochter AMG die Feiern zum 50. Geburtstag mit einem feuerroten Showcar ein, aus dem binnen Jahresfrist er erste viersitzige Supersportwagen der schnellen Schwaben wird. Zwar ist auch der GT mit Familienanschluss ein nach AMG-Maßstäben vernünftiges Auto, weil er einen V8-Motor mit einer elektrischen Hinterachse kombiniert und so zum ersten „Performance“-Hybrid aus Affalterbach mutiert. Doch die Vorstellung, in diesem Auto einmal das Steuer aus der Hand zu geben, mag einem nun wirklich nicht in den Kopf.
Hier die Vernunft, da das Vergnügen, das sind die die Extreme, zwischen denen die PS-Branche ihr Programm beim großen Frühjahrsgipfel gespannt hat. Und anders als früher sind das vor allem die einzigen beiden Studien, die auch nur halbwegs Weitblick und Visionskraft haben. Denn was sonst noch zu sehen ist an Neuheiten im Palexpo, das mag schön sein oder schnell, praktisch oder preiswert, aber vor allem ist es bodenständig und fest im Hier und Heute verhaftet. Denn weil die Zukunft so ungewiss ist und es bis dahin noch länger dauert, als die meisten Kunden akzeptieren wollen, machen die Autohersteller lieber weniger Lust auf übermorgen, sondern halten sich an Bewährtes, fahren auf Sicht und gehen lieber kein Risiko ein: Viele News und doch nichts Neues, so lässt sich deshalb der erste Rundgang über den Genfer Salon zusammen fassen.
Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht auch kein Wunder, dass in Genf eine Fahrzeuggattung ihr Comeback feiert, die neben all den SUV und CrossOver fast schon in Vergessenheit geraten war: der Kombi. Nicht umsonst dreht sich deshalb der neue Insignia gleich auch als Sports Tourer auf dem Opel-Stand, BMW rückt den neuen Fünfer als Touring ins Rampenlicht und Hyundai zeigt die Neuauflage des i30 mit großer Klappe. Und zu diesen erwartbaren Neuheiten gesellt sich eine, die so recht keiner auf dem Zettel hatte. Denn selbst Porsche mischt jetzt mit bei den Lifestyle-Lastern und baut den Panamera als Kombi – selbst wenn die Schwaben dieses Wort nie über die Lippen bekommen werden und ihn stattdessen lieber Sports Turismo nennen.
Die SUV geben das Terrain aber nicht kampflos ab, sondern natürlich geht der Boom auf der Buckelpiste weiter: Zu den echten Neuzugängen gehören der Range Rover Velar, der als Designerstück mit besonders schnittiger Form die Lücke zwischen Evoque und Range Rover Sport schließen soll, sowie der DS7 Crossback, mit dem sich die vornehme Citroen-Schwester gar endgültig vom Massengeschäft emanzipieren möchte. Dazu kommen neue Varianten wie der zum Allspace mit sieben Sitzen gestreckte VW Tiguan, Wiederholungstäter wie die zweite Generation von Volvo XC60 und Renault Koleos, Updates wie der geliftete Renault Captur, Übertreibungen wie das Mercedes-Maybach G650 Landaulet und Überläufer aus dem Van-Segment: Denn bei Opel wird der Meriva zum Crossland X und mit dem Aircross zeigt Citroen, dass auch der C3 Picasso bald auf Stelzen durch den Schlamm fährt.
Dazu gibt es noch eine Reihe von Neuheiten aus der Fraktion für Brot und Butter – vor allem Kleinwagen und Stadtflitzer. So zeigt Ford in Genf zum ersten Mal vor großem Publikum den neuen Fiesta, gleich auch als ST mit 200 PS, bei Seat dreht sich der neue Ibiza im Rampenlicht und Kia zieht das Tuch vom nächsten Picanto. Und wer es eine Nummer größer mag, der steigt im neuen Opel Insignia Grand Tour ein oder lässt sich vom VW Arteon eine halbe Klasse über den Passat locken.
Und natürlich steht Genf auch weiterhin für Traumwagen in allen Preisklassen – von bezahlbaren Exoten wie der offenen Mercedes E-Klasse oder der neuen Alpine A110 bis hin zu sündteuren PS-Pretiosen wie dem neuen McLaren 720S, dem offenen Pagani Huayra oder dem Ferrari 812, der zum schnellsten und stärksten Serienmodell in der Geschichte der Italiener wird. Auch der VW-Konzern mischt tapfer mit auf der Überholspur, zeigt den Audi A5 als RS-Modell, lässt Bentley mit einer offenen Studie von einem kleinen Roadster träumen und schickt den Lamborghini Huracan als „Performante“ mit noch mehr Lust und Leistung ins Rennen.
Das beisst sich nur auf den ersten Blick mit der Vision vom autonomen Robo-Taxi. Denn auf Lust und Leidenschaft muss man auch in der Welt von Sedric nicht verzichten, verspricht Digital-General Jungwirth: Der knuffige Glaskasten ist schließlich keine VW-Studie, sondern ein Konzernmodell und deshalb eine Plattform für alle Marken – darauf können Audi oder Skoda genauso zurückgreifen wie Bentley oder Lamborghini.