Sportschuhe statt Smoking: Mit V12-Motor wird der Siebener zum Biest in der Business-Klasse
Als BMW 1987 den V12-Motor in die Oberklasse zurückgebracht hat, galt der 750i als Inbegriff des Luxus. Denn so laufruhig, gediegen und opulent wie die erste Zwölfzylinder-Limousine der Nachkriegszeit war keiner der Konkurrenten – die S-Klasse eingeschlossen. Genau 30 Jahre später sieht das ein bisschen anders aus. Wenn die Bayern jetzt zu Preisen ab 166 900 Euro wieder einen Siebener mit zwölf Zylindern an den Start bringen, trägt der zum Smoking erstmals Sportschuhe. Denn als Antwort auf den S 65 wechselt das Top-Modell aus München zur M GmbH, wird zum M760Li und lässt gehörig die Muskeln spielen.
Superlative gehören da natürlich zum Programm: So ist der auf 610 PS aufgebohrte 6,6-Liter-Motor das bislang stärkste BMW-Triebwerk aller Zeiten. Dank 800 Nm bei nur 1 500 Touren, einer rasend schnellen Automatik und dem serienmäßigen Allradantrieb wird der Siebener mit einer Spurtzeit von 3,7 Sekunden zugleich zum schnellsten Sprinter in der Modelhistorie. Und weil es erstmals diesseits der waschechten M-Modelle gegen Aufpreis auch ein bisschen mehr Auslauf für die Tachnodel gibt, sind bei Vollgas rekordverdächtige 305 km/h drin.
Zwar räumt Peter Quintus, der Vertriebschef der M GmbH selbst ein, dass der Siebener nicht ganz das richtige Auto für die Rennstrecke ist. Und wenn man sich mit dem Luxusliner trotzdem auf eine Rundkurs verirrt, fühlt man sich ein bisschen so wie ein Linienpilot, der seinen A 380 auf einem Regionalflughafen landen muss. „Doch man könnte, wenn man wollte“, sagt Quintus und erzählt von dem hohen Aufwand, den seine Ingenieure bei der Abstimmung getrieben haben: Im Sportmodus bringt die Luftfederung die Limousine deshalb einen Zentimeter näher an die Fahrbahn, die Wankstabilisierung kämpft bis 0,4 g heldenhaft gegen die Fliehkraft, die breiten Walzen auf den 20-Zöllern krallen sich mit wütendem Wimmern in den Asphalt und dank der Hinterachslenkung wirkt selbst die obligatorische Langversion überraschend handlich. 2,1 Tonnen bleiben 2,1 Tonnen und 5,24 Meter lassen sich nicht kleinreden. Aber sogar auf engen Kursen schlägt sich das Dickschiff so tapfer, dass der Laptimer auf dem großen Touchscreen und das Sportlenkrad vor den digitalen Instrumente vielleicht doch nicht nur ein schlechter Scherz sind.
Selbst wenn der Siebener mit dem Vitamin M zum Sportler im Smoking wird, hat er seine guten Manieren nicht verloren. Man muss den Fahrerlebnisschalter nur zurück auf Comfort stellen, schon entspannt sich das Fahrwerk merklich, die Gänge wechseln sanfter, das Gaspedal verliert an Schärfe und wenn sich die Schallklappen im Auspuff schließen, wird aus dem wütenden Brüllen ein souveränes Brummen, das schnell im Rausch des Fahrtwindes untergeht. Spätestens dann kann man sich auch daran erfreuen, dass BMW bei der Ausstattung keine Abstriche macht und es alle Finessen des Flaggschiffs auch für die M-Version gibt – vom faszinierenden Infotainmentsystem in beiden Reihen bis hin zum Display-Schlüssel. Und wer selbst des stärksten BMW aller Zeiten überdrüssig wird, der kann das Kommando zumindest kurzzeitig den fast schon autonomen Assistenzsystemen überlassen.
Zwar wird der M760Li zum sportlichsten Siebener aller Zeiten und zu einem brauchbaren Trost dafür, dass es immer noch keinen echten M7 gibt. Doch ganz so sicher sind sich die Bayern mit der Positionierung als protziges Performance-Modell offenbar selbst nicht. Denn zeit- und preisgleich mit dem Sportler im Smoking bringen sie auch eine Excellence-Version. Die ist technisch zwar identisch, trägt aber mehr Glanz und Gloria kehrt statt der Leistung den Luxus heraus.