Im Herzen ein Riese: Mit dem V8-Motor der Corvette wird der Mazda MX-5 zum Porsche-Killer
Klein, leicht, handlich – so hat es der Mazda MX-5 in vier Generationen und mehr als 25 Jahren zum erfolgreichsten Roadster der Welt gebracht. Dass die Japaner den Zweisitzer nur mit mickrigen Motoren bestücken und selbst die jüngste Generation auf maximal vier Zylinder, zwei Liter Hubraum und 160 PS kommt, hat dabei bislang kaum jemanden gestört. „Denn Spaß ist in diesem Auto keine Frage der Geschwindigkeit“, predigt Chief Engineer Nobuhiro Yamamoto, „und die Lust hat nichts mit der Leistung zu tun.“ Die Mehrheit der Kunden wird sich dieser Ansicht nach der ersten Ausfahrt mit dem Fliegen anschließen. Erst recht, wenn sie über eine kurvige Landstraße. Doch Keith Tanner geht dabei der Hut hoch – obwohl er ein MX-5-Fan der ersten Stunde ist und sein Geld mit Rennwagen auf Basis des Roadsters verdient. Denn erstens ist er Amerikaner und hat es deshalb nicht so mit kurvigen Landstraßen. Und zweitens hängt er der antiquierten Ansicht an, dass man von Leistung nie genug haben kann und es nichts besseres gibt als Hubraum. Außer noch mehr Hubraum. Und weil in seinen Augen kaum ein Motor besser zu dieser Philosophie passt als der Achtzylinder der Corvette, schmiedet er mit seinem Team bei Flyin’ Miata in Grand Junction im US-Staat Colorado eine unheilige Allianz: Kit dem Big-Block-Motor aus Detroit wird der Bonsai-Roadster aus Hiroshima zu einem veritablen Porsche-Killer.
Das Gemeine dabei ist, dass man den Zwerg das Herz des riesen überhaupt nicht ansieht. Zwar müssen Tanner und seine Jungs sechs Wochen lang puzzeln, bis sie das Triebwerk unter die Haube gequetscht und die Elektronik lückenlos zusammengeführt haben. Doch wären da nicht die beiden Ofenrohre mittig unter dem Heck und die paar Aufkleber auf dem unschuldigen grauen Lack, man würde den Flyin’ Miata für einen Mazda halten wie jeden anderen auch.
Um so erschrockener sind die Gesichter, wenn der 6,2 Liter großen V8 mit einem Druck auf den Startknopf zum Leben erweckt: Denn als hätte ein Chorknabe plötzlich das Organ von Mick Jagger, brüllt der Winzling wütend die ganze Welt nieder. Laut und ungehobelt rotzt der V8 sein heißeres Lied von der Leistung durch das rückwärtige Ofenrohr und während sich beim Fahrer vor Lust die Nackenhaare aufstellen, ringen bei der Vollgasfraktion die Alarmglocken: Porschefahrern fliegt bei diesem Lärm der Schmalz aus den Ohren und es bleibt ihnen das üblicherweise abfällige Lachen im Halse stecken.
Das kommt auch nicht wieder heraus, wenn die Ampel auf Grün springt und Elfer & Co mit einem Spurt ihre Ehre retten wollen. Denn wenn 532 PS und 656 Nm auf kaum mehr als 1100 Kilo treffen, dann ergibt das ein besseres Leistungsgewicht als beim Mercedes AMG GT-R und gewöhnliche Sportwagen sind abgemeldet. Unter McLaren & Co muss man dem Mazda gar nicht kommen, sagt Tanner und prahlt mit Eckwerten, die man sonst nur von echten Supersportlern kennt: Von 0 auf 100 beschleunigt der Flyin Miata in weniger als 3,5 Sekunden und Schluss ist weit jenseits von 300 km/h. Nur in einer Disziplin kann der Zwerg mit dem Herzen eines Riesen nicht mithalten: Beim Preis. Denn obwohl sich Tanner den Umbau mit umgerechnet knapp 50 000 Euro bezahlen lässt, ist der japanische Tarnkappenbomber ein Schnäppchen – Autos, die es mit diesem MX-5 aufnehmen können, gibt es dafür allenfalls als runtergerittene Gebrauchtwagen.
Natürlich büßt der kleine Mazda mit dieser Organspende ein bisschen was von seiner Leichtfüßigkeit ein und was er auf der Geraden an Dynamik gewinnt, droht er in den Kurven wieder zu verlieren. Doch weil er am Ende nur 100 Kilo mehr wiegt als das Original und sich an der Gewichtsverteilung nichts ändert, fühlt sich der MX-5 noch immer an wie ein maßgenähter Handschuh und lässt sich mit einer fast schon intuitiven Sicherheit entlang der Ideallinie führen.
Entsprechend wild und willig tänzelt fliegt man mit dem Flyin’ Miata durch die Hollywood Hills, wischt in Millisekunden am Vordermann vorbei und hat mit jeder Kurve ein breiteres Grinsen im Gesicht. Nur muss man jetzt noch mehr aufpassen, dass der MX-5 nicht zum Querschläger wird und wilde Kreise dreht – die unbändige Kraft der acht Zylinder bringt die winzigen Roadster-Rädchen viel zu schnell an ihre Haftgrenze – selbst wenn Tanner ein paar breitere Schlappen aufgezogen und ein bockhartes Rundstreckenfahrwerk eingebaut hat.
So wird der MX-5 endgültig zur ultimativen Spaßgranate und stiehlt jedem ausgewachsenen Sportwagen die Schau. Und je länger man den japanischen David im Pulk mit ein paar chancenlosen Goliaths aus aller Welt durch die Hügel hinter Hollywood treibt, desto größer wird die Lust, ihn auch nach Deutschland zu holen. Wozu haben wir schließlich noch immer ein paar Autobahnabschnitte ohne Tempolimit?
„Kein Problem“, sagt Keith Tanner und zuckt nur mit den Schultern: Wer den V8-Motor aus der Corvette in diesen kleinen Roadster bekommt, der lässt sich von so einer logistischen Leichtigkeit nicht schrecken: „Wer heute bei uns bestellt, sitzt drei Monate später in seinem Auto. Egal ob in Denver oder Düsseldorf.“ Nur um den Papierkram möge sich der Kunde bitte selber kümmern. Aber wer dieses Monster meistert, der nimmt die Einzelabnahme beim TÜV mit links.